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Containerschiffe werden am Container Terminal Tollerort im Hamburger Hafen abgefertigt.

© Foto: dpa/Marcus Brandt

Widerstand gegen Hafen-Entscheidung: „Ein Verkauf von kritischer Infrastruktur an China ist ein krasser Fehler“

Soll China sich in den Hamburger Hafen einkaufen dürfen? In der Ampel gibt es dagegen massiven Widerstand, doch das Kanzleramt will den Weg freimachen.

Von Hans Monath

| Update:

Noch nie waren die Warnungen vor einer direkten Einflussnahme der kommunistischen Macht China in Deutschland lauter und dringlicher als im Moment, doch im Kanzleramt stoßen sie offenbar auf eher taube Ohren.

Denn die Regierungszentrale will laut einem Bericht von NDR und WDR den Verkauf von Teilen des Hamburger Hafens an den chinesischen Staatskonzern Cosco durchsetzen – und das ungeachtet dringender Warnungen aller zuständigen Fachministerien. Die Bundesregierung wollte den Fall nicht kommentieren.

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Der Schritt stößt auch innerhalb der Ampelkoalition auf heftigen Widerstand. In einer bislang beispiellosen Aktion stellen sich Vertreterinnen und Vertreter aller drei Regierungsfraktionen unabhängig voneinander gegen die Entscheidung des Kanzleramts, die wenige Tage vor dem für Anfang November geplanten Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Peking unter besonderer Beobachtung steht.

Ein Verkauf von kritischer Infrastruktur an China ist ein krasser Fehler und gehört unterbunden.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisierte das Festhalten des Kanzleramtes an dem Vorhaben. „Was muss in der Welt eigentlich noch passieren, damit Deutschland in der Realität ankommt und nicht Männchen macht vor den Feinden der freien demokratischen Welt? Ein Verkauf von kritischer Infrastruktur an China ist ein krasser Fehler und gehört unterbunden“, sagte die Verteidigungspolitikerin der Deutschen Presse-Agentur. Sie sei froh, dass die beteiligten Bundesministerien gegen das Kanzleramt standhaft blieben.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der „Rheinischen Post“: „Ich halte es für falsch, dass ein autoritäres Regime Einfluss auf unsere kritische Infrastruktur nimmt.“ Das gelte auch für den Hamburger Hafen. Man dürfe nicht alles auf eine Karte setzen und sich zu abhängig machen. „Aus den Fehlern der Vergangenheit sollten wir lernen - und Wege finden, Handel zu betreiben ohne sich erpressbar zu machen.“

Ähnlich äußerte sich der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter. „Deutschland darf nicht die Fehler im Umgang mit China wiederholen, die wir in den vergangenen 20 Jahren mit Russland gemacht haben“, sagte der Abgeordnete der Funke-Mediengruppe. „Es wäre ein geostrategischer Fehler, Teile des Hamburger Hafen an China zu verkaufen.“

Der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, Detlev Müller, kritisierte das Verhalten des Kanzleramtes ebenso wie Grünen-Parteichefin Ricarda Lang und FDP-Parteivize Johannes Vogel. „Vorsicht an der Bahnsteigkante“, schrieb Müller auf Twitter: „Kritische Infrastruktur, großes Thema der letzten Tage, gehört in die öffentliche Hand!“. Lang erklärte im gleichen Medium: „Ich habe kein Verständnis, dass das Kanzleramt den Verkauf des #HamburgerHafen gegen die Kritik aller beteiligten Fachministerien durchsetzen will.“

FDP-Mann Vogel schrieb ebenfalls auf Twitter, er halte einen Einstieg Chinas in den Hafen „für einen schweren Fehler“. Die Kommunistische Partei habe dann „Einfluss auf alle großen Häfen & kann sie gegeneinander ausspielen“. Vogel weiter: „So dumm sollten wir nicht sein – sondern lernfähig!“

Er wird Kanzler Olaf Scholz Anfang November empfangen: Chinas Präsident Xi Jinping.

© REUTERS / Florence Lo

Die chinesische Reederei Cosco will Anteile des Hafenbetreibers HHLA übernehmen und sich mit mehr als einem Drittel am Hamburger Containerterminal Tollerort beteiligen. Weil es sich dabei um sogenannte „Kritische Infrastruktur“ handelt, hat das Wirtschaftsministerium ein Investitionsprüfverfahren gestartet.

Mehrere Medien berichteten, sofern das Bundeskabinett keinen Beschluss fasse und keine Fristverlängerung vereinbare, werde das Geschäft automatisch zustande kommen. Das wäre Ende Oktober der Fall.

Klar ist, dass die Entscheidung in der aktuellen Situation als ein Umfallen des deutschen Kanzlers wahrgenommen wird.

Guntram Wolff, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik

Für die Ablehnung werden laut dem Bericht von NDR und WDR neben der veränderten geopolitischen Lage vor allem zwei Punkte angeführt: Cosco solle nicht nur eine rein finanzielle Beteiligung erhalten, sondern auch einen Geschäftsführer stellen und Mitspracherechte bei Entscheidungen bekommen. Da China zudem heute bereits wichtigster Kunde des Hafens sei, bestehe in Verbindung mit der geplanten Beteiligung am Containerterminal ein „Erpressungspotenzial“.

Der Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Guntram Wolff, sagte dem Tagesspiegel, über die Vor- und Nachteile eines Teilverkauf des Hafens lasse sich streiten. „Klar ist, dass es in der aktuellen Situation als ein Umfallen des deutschen Kanzlers wahrgenommen wird. Anstatt geopolitische Prioritäten zu setzen, scheint der Kanzler kurzfriste deutsche Unternehmensinteressen zu betonen“, meinte der Thinktankchef. Weiter sagte er: „Es ist überraschend, dass er dieses Signal schon vor der Reise sendet und somit einen Verhandlungschip schon jetzt vergibt.“

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin warnte, angesichts der Marktmacht von Cosco in den europäischen Häfen von Antwerpen bis Piräus drohe „hier selbst bei einer Minderheitsbeteiligung eine einseitige Abhängigkeit von China“. Weiter sagte er gegenüber dieser Zeitung: „Angesichts der Bedeutung des Hamburger Hafens für Deutschland wäre die Minderheitsbeteiligung Chinas am Stromnetz von 50Hertz vergleichsweise vertretbar gewesen - aber auch das hat die Bundesregierung untersagt.“ Trittin empfahl, der Linie der Ministerien zu folgen.

Will sich bei der Entscheidung über den Hamburger Hafen offensichtlich nicht reinreden lassen: Olaf Scholz, Bundeskanzler und ehemaliger Erster Bürgermeister von Hamburg.

© AFP / KENZO TRIBOUILLARD

Der Konflikt ist auch vor dem Hintergrund brisant, dass viele politisch Verantwortliche in Deutschland bis hin zu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier darauf dringen, Lehren aus der energiepolitischen Abhängigkeit von Russland zu ziehen und eine ähnliche Einengung eigener politischer Spielräume durch eine kritische Dependenz im Hinblick auf China unbedingt zu vermeiden.

Die Chefs von Bundesnachrichtendienst (BND) und Bundesverfassungsschutz, Bruno Kahl und Thomas Haldewang, hatte am Montag vor einem Bundestagsausschuss gewarnt, China sei im Vergleich zu Russland die weit größere Gefahr für Deutschland. Kahl sagte, der BND sehe eine chinesische Beteiligung an Kritischer Infrastruktur „sehr, sehr kritisch“. Haldewang meinte: „Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel.“

Ein Ziel der Reise von Scholz nach Peking ist nach Angaben aus Koalitionskreisen der Versuch, Staatspräsident Xi Jinping zu mäßigendem Einfluss auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine zu bewegen. Scholz wolle darauf drängen, dass sein Gastgeber Russlands Präsident Wladimir Putin dazu rate, den Krieg gegen die Ukraine nicht weiter zu eskalieren. Xi Jinping gilt als einer der letzten, wenn nicht der letzte Staatsmann, der überhaupt Einfluss auf Putin hat.

Auf Anfrage des Tagesspiegels zu dem Konflikt erklärte eine Sprecherin der Bundesregierung zu dem Konflikt um den Hafen: „Das Bundeskanzleramt äußert sich mit Blick auf die Betroffenheit von Geschäfts- und Betriebsgeheimissen der beteiligten Unternehmen zu laufenden Investitionsprüfungsverfahren nicht.“ Weiter erklärte sie: „In der Investitionsprüfung richten sich der Ablauf des Verfahrens und die Entscheidung nach den maßgeblichen Rechtsgrundlagen im Außenwirtschaftsrecht.“ (mit dpa/AFP)

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