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Delegates chat under a foldable ballot box during the European Election Assembly of German far-right party Alternative for Germany (AfD - Alternative fuer Deutschland) at the fair grounds in Magdeburg, eastern Germany on August 5, 2023. (Photo by Ronny HARTMANN / AFP)

© AFP/RONNY HARTMANN

Update

Versammlung zur Europawahl: AfD sieht EU als „gescheitertes Projekt“ und will Neugründung

Am Sonntag diskutiert die rechte Partei über ihr Europawahlprogramm. Man einigte sich auf die Forderung nach einem „Bund europäischer Nationen“.

| Update:

Die AfD sieht die Europäische Union als gescheitertes Projekt und fordert eine Neugründung als „Bund europäischer Nationen“. Dies geht aus der Präambel zu ihrem Wahlprogramm für die Europawahl 2024 hervor, auf die sich die Europawahlversammlung in Magdeburg am Sonntag geeinigt hat.

Damit rückt die Rechtsaußenpartei von einem im Juni veröffentlichten Entwurf ab. Von einer „geordneten Auflösung“ der EU ist in der Präambel nun nicht mehr die Rede. Auch der noch 2021 geforderte EU-Austritt Deutschlands, der sogenannte Dexit, wird nicht genannt.

Nach Angaben von Parteichefin Alice Weidel gelang der Kompromiss der Unterhändler in der Nacht zum Sonntag. Der neue Entwurf wird vom Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah, mitgetragen.

Darin heißt es, die AfD stehe für die Idee eines „Europas der Vaterländer, einer europäischen Gemeinschaft souveräner, demokratischer Staaten“.

„Vollständiges Versagen“ der EU

Die Rede ist von einem „vollständigen Versagen der EU in allen Bereichen, die Europa existenziell betreffen“. Genannt werden unter anderem die Migrations- und die Klimapolitik, die grundsätzlich abgelehnt wird.

Der Text wiederholt die Ablehnung des Euro. Auch die EU-Sanktionen werden erneut kritisiert, ohne Russland zu nennen. Zudem führt er aus: „Jegliche Dominanz außereuropäischer Großmächte in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik lehnen wir ab.“

Europa solle seine Verteidigungsfähigkeit schrittweise in die eigene Hand nehmen. Der Delegierte Hans Neuhoff sagte zu den Zielen: „Europa muss einen eigenen Pol in der multipolaren Weltordnung konstituieren. Europa muss sich von jedem Großmachtanspruch emanzipieren, die Geschicke Europas lenken zu wollen, auch von den USA. Wenn Europa das nicht tut, droht Apolarität und Chaos.“

Als Aufgaben für den gewünschten „Bund europäischer Nationen“ nennt die AfD einen gemeinsamen Markt, den Schutz der Außengrenzen gegen Zuwanderung, die strategische Autonomie im sicherheitspolitischen Handeln und die Wahrung „verschiedener Identitäten“ in Europa.

„Auf diesen Grundpfeilern ruhend können die Mitgliedstaaten autonom und flexibel funktionale bi- oder multilaterale Verträge nach ihren Bedürfnissen schließen“, heißt es weiter. 

Verbreitete Forderung nach radikaler Abkehr von der EU

Bei der Kandidatenauswahl der AfD zur Europawahl 2024 haben viele Bewerber eine radikale Abkehr von der Europäischen Union und eine Abschottung gegen Migration gefordert. Die Rechtsaußenpartei vergab am Samstag in Magdeburg in einem sehr langwierigen Verfahren weitere Plätze auf ihrer Wahlliste.

Die Delegierten entschieden, nicht nur 30, sondern 35 Listenplätze zu besetzen. Etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht waren alle 35 Kandidaten für das nächste Jahr bestimmt. Am Sonntag kann somit das Europawahlprogramm beraten werden.

Lasst uns zusammen die EU beenden.

Thomas Schmidt, AfD-Bewerber für die Europawahl 2024

In den Vorstellungsrunden fanden sowohl die Auflösung der EU als auch der Dexit durchaus Unterstützung. „Lasst uns zusammen die EU beenden“, sagte der Bewerber Thomas Schmidt. Mitbewerber Peter Ditges sagte: „Ich möchte antreten, um diese Farce in Brüssel zu beenden.“ Mitbewerberin Elisabeth Becker betonte: „Wir wollen ja den Dexit haben.“ Ihr Parteikollege Jurij Christopher Kofner sagte, er „erkläre der woken Ideologie den Krieg“ mit friedlichen Mitteln. Deutschland sei ein von den USA und der EU besetztes Land.

Die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte Partei hatte am vergangenen Wochenende mit der Kandidatenaufstellung begonnen. Spitzenkandidat wurde der Europaabgeordnete Maximilian Krah, der auch intern nicht unumstritten ist.

AfD-Europaabgeordnete Sylvia Limmer sieht Erfolge des „strammen Höcke-Kaders“

Die Parteivorsitzende Alice Weidel wies im Sender „Welt“ die Interpretation zurück, dass die AfD weiter nach rechts gerückt sei. „Herr Krah ist ein Kandidat, auf den sich die verschiedenen Lager und Strömungen dieser Partei im Vorfeld verständigt haben“, sagte Weidel. Die von Krah erzielten zwei Drittel der Delegiertenstimmen seien ein „sehr, sehr solides Ergebnis“.

 Delegierte während der AfD- Europawahlversammlung in einer Halle der Messe Magdeburg. A
Delegierte während der AfD- Europawahlversammlung in einer Halle der Messe Magdeburg. A

© dpa/Sebastian Willnow

Die AfD-Europaabgeordnete Sylvia Limmer sieht hingegen Erfolge des äußerst rechten Lagers um den thüringischen Landeschef Björn Höcke. Auch in der AfD zähle nun „Wohlverhalten und Konformität“, sagte Limmer der „Welt“ und der ARD. Sie war mit Bewerbungen um aussichtsreiche Listenplätze gescheitert und hatte die „strammen Höcke-Kader“ dafür verantwortlich gemacht.

Die Position zum Krieg in der Ukraine

Parteichefin Weidel äußerte sich auch zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und sagte: „Wir halten grundsätzlich die Debatte über die Schuldfrage im Ukraine-Krieg für viel zu verkürzt.“ Der Ukraine-Krieg habe eine Vorgeschichte, die ausgeblendet werde, sagte sie mit Blick auf die Nato.

Doch wandte sich Weidel gegen einen Nato-Austritt, wie sie von einigen AfD-Politikern debattiert wird. „Ein Gebilde kann man nur von innen heraus reformieren“, sagte Weidel. Die europäische Säule der Allianz müsse gestärkt werden, weil die USA andere Sicherheitsinteressen hätten.

Nach Einschätzung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, waren am vergangenen Wochenende teils „rechtsextremistische Verschwörungstheorien“ verbreitet worden. Nach einem Eilantrag der AfD auf Unterlassung gab das Bundesamt für Verfassungsschutz eine „Stillhaltezusage“ für dieses Wochenende.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich besorgt über das Umfragehoch der AfD. „Die AfD duldet Antisemitismus und führende Kräfte, die den Holocaust relativieren; sie will jüdisches Leben mit Anträgen erschweren, koscheres Schlachten zu verbieten“, sagte Klein der „Welt am Sonntag“. Die AfD sei eine legale Partei, die am demokratischen Wettbewerb teilnehme. „Gleichwohl gibt es Anzeichen dafür, dass dort demokratiefeindliche Kräfte am Werk sind.“ (dpa)

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