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Südschiene. Griechenlands Premier Tsipras (links) und Frankreichs Präsident Hollande beim Gipfel in Athen.

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Südeuropa-Gipfel: Wahlkampf auf Europäisch

Alexis Tsipras möchte den Sparkurs in der EU beenden. Dass ihn François Hollande beim Südeuropa-Gipfel unterstützt, zeigt: Frankreichs Präsidentschaftswahl wirft ihre Schatten voraus. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

An seiner Fähigkeit zur dramatischen Zuspitzung hat es Alexis Tsipras nie gemangelt. Nun hat er ein düsteres Bild von der EU entworfen: Europa drohe der „Zerfall“, wenn das vermeintliche Spardiktat der Nordeuropäer nicht beendet werde, unkte der Chef der griechischen Linkspartei Syriza. Wenn es nach Tsipras geht, soll der Süden Europas künftig mit einer Stimme sprechen und den Kurs einer lockeren Haushaltspolitik offensiv gegenüber Kanzlerin Angela Merkel und den anderen Vertretern des „Nordens“ vertreten. Auf dem Feld der Symbolpolitik ist dem griechischen Regierungschef mit seinem Südeuropa-Gipfel immerhin ein Coup gelungen. EU-Schwergewichte wie Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Regierungschef Matteo Renzi ließen sich für sein Projekt einspannen, die politischen Gewichte nach dem Brexit-Votum ordentlich nach links zu verschieben.

Doch sollte man sich von der Kulisse des Südgipfels in Athen nicht allzu sehr täuschen lassen. Der Gastgeber ist politisch angeschlagen. Würde heute in Griechenland gewählt, dann dürfte Tsipras sein Amt wohl verlieren. Die Zeiten, in denen er daheim Plebiszite gegen die Auflagen der EU-Geldgeber gewinnen konnte, sind vorbei.

Seit dem Brexit-Votum wittern die Südländer Morgenluft

Endet also Tsipras’ Machtdemonstration so, wie man es im vergangenen Jahr schon oft erlebt hat – mit einem Einknicken des Griechen? So ist es nun auch wieder nicht. Es gibt mindestens zwei Punkte, in denen sich die politische Großwetterlage in der EU derzeit von jener des Jahres 2015 unterscheidet: Mit dem Brexit-Votum droht sich, erstens, das Gewicht in der EU zu den ausgabefreudigeren Ländern im Süden zu verschieben. Und zweitens hat sowohl in Deutschland als auch in Frankreich – in beiden Ländern wird 2017 gewählt – bereits ein Dauerwahlkampf begonnen, der von den Protagonisten auf EU-Ebene ein besonderes Kunststück verlangt: Sie müssen sich gegenüber den europäischen Partnern profilieren, ohne in die Isolation zu geraten.

Bei Hollande, der weiterhin Ambitionen für eine Wiederwahl hegt, lässt sich dies derzeit am besten beobachten. Dass der Sozialist überhaupt Tsipras’ Einladung zum Südeuropa-Gipfel nach Athen gefolgt ist, zeigt, dass er kein Problem damit hat, in Europa gelegentlich auch die parteipolitische Karte zu spielen. Besonders bei der sozialistischen Parteilinken in Frankreich wird immer wieder behauptet, dass der Berliner Sparkurs Europa ins Verderben führe. Hollande dürfte keine allzu große Scheu haben, auch diese linke Klientel rhetorisch zu bedienen, falls er sich noch einmal ins Präsidentenrennen wagt.

Merkel sollte Schulterschluss mit Ländern wie den Niederlanden suchen

Und Angela Merkel? Sollte sie sich dafür entscheiden, im kommenden Jahr noch einmal als Kanzlerkandidatin anzutreten, wird sie neben den innenpolitischen Unwägbarkeiten wohl kaum zusätzlich das Risiko eingehen wollen, als vermeintliche Sparkanzlerin den gesammelten Groll der Südeuropäer auf sich zu ziehen. Dass ein Mehr an öffentlichen Ausgaben und Wachstumsförderung derzeit weltweit hoch im Kurs stehen, hat sie zuletzt beim G20-Gipfel im chinesischen Hangzhou direkt miterlebt. Um aber zu verhindern, dass in den Ländern im Süden der Europäischen Union wieder der alte Schlendrian einkehrt, sollte sich Merkel rechtzeitig nach Verbündeten umschauen – beispielsweise in stabilitätsorientierten Euro-Ländern wie den Niederlanden und Finnland.

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