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Der Bundesminister der Finanzen, Christian Lindner (FDP)

© dpa/Michael Kappeler

„Volkswirtschaftliche Kosten sehr hoch“: Lindner lehnt Dienstpflicht und Musterung ganzer Jahrgänge ab

Mehr Kräfte für die Truppe zu gewinnen, hat sich als schwer erwiesen. Der Finanzminister fordert, die Reserve gezielt zu stärken – und stellt sich gegen seinen Kollegen Pistorius.

Dem Verteidigungsminister dürften diese Aussagen nicht gefallen: FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht Bedenken gegen eine allgemeine Dienstpflicht zur Stärkung der Bundeswehr nicht ausgeräumt.

„Die volkswirtschaftlichen Kosten einer allgemeinen Dienstpflicht wären angesichts des Arbeitskräftemangels in einer alternden Gesellschaft sehr hoch. Auch die Musterung ganzer Jahrgänge, die dann aber gar nicht eingezogen werden, überzeugt mich nicht“, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur. Er forderte eine gestärkte militärische Reserve für die Bundeswehr.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lässt derzeit Modelle einer Wehrpflicht prüfen und hat dabei die Praxis in skandinavischen Ländern in den Blick genommen. So werden in Schweden ganze Jahrgänge registriert und angeschrieben. Dann wird eine erste Auswahl für den Dienst untersucht und getestet, also gemustert. Aus dieser Gruppe leistet dann nur ein Teil Dienst im Militär.

Keine Festlegung in der Wehrpflicht-Debatte

Zu der Debatte um Dienst- und Wehrpflicht werde Pistorius Mitte April etwas vorgelegt, dann gebe es eine ausführliche Prüfung, heißt es nach Tagesspiegel-Informationen im Verteidigungsministerium. Vor dem Sommer werde es keine Festlegung geben.

Es sollte möglich sein, dass sich Bürgerinnen und Bürger parallel zum Zivilberuf freiwillig verpflichten, über einen längeren Zeitraum hinweg der Bundeswehr regelmäßig zur Verfügung zu stehen.

Christian Lindner, Bundesfinanzminister (FDP)

„Die bessere Alternative zur wieder diskutierten Wehrpflicht ist eine gestärkte Reserve. Es sollte möglich sein, dass sich Bürgerinnen und Bürger parallel zum Zivilberuf freiwillig verpflichten, über einen längeren Zeitraum hinweg der Bundeswehr regelmäßig zur Verfügung zu stehen“, forderte Lindner. Dies sei auch der Weg, um ansonsten schwer zu gewinnende Experten in Bereichen wie der Cyber-Abwehr einzubinden.

Lindner sagte: „Eine gestärkte Reserve muss durch Qualifikationserwerb so attraktiv sein, dass auch die Arbeitgeber ein entsprechendes Engagement unterstützen.“ Der Finanzminister wies darauf hin, dass sich die Sicherheitslage in Europa verändert habe. Der Angriff Russlands auf die Ukraine stelle die Friedensordnung in Europa insgesamt infrage.

„Wir brauchen hoch spezialisierte, im Übrigen aber auch durchhaltefähige Streitkräfte. Dazu müssen die vorhandenen Dienstposten besetzt und die Aufwuchsfähigkeit der Bundeswehr mit Reservisten verbessert werden“, sagte Lindner.

Erklärtes Ziel ist es bisher, dass die Bundeswehr – nun auch vor dem Hintergrund der neuen Gefahren wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – bis zum Jahr 2031 auf 203.000 Soldaten wachsen soll. Auch diese Zahl steht derzeit auf dem Prüfstand.

Bundeswehr sucht Personal

Die sogenannte Personaloffensive der Bundeswehr ist in den vergangenen Jahren nicht vorangekommen: So ist die Zahl der Soldaten im vergangenen Jahr trotz verstärkter Anstrengungen auf 181.500 Männer und Frauen gesunken (Stichtag 31. Dezember 2023).

Ende 2022 hatte die Bundeswehr nach Angaben des Verteidigungsministeriums noch 183.050 Soldaten. Die Zahl der Zivilbeschäftigten sank um 400 auf 81.500. Ein Plus auf 19.100 gab es bei Männern und Frauen, die Reservistendienst leisteten (2022: rund 18.700).

Lindner äußerte sich kritisch dazu, wie zuletzt über die militärische Hilfe für die Ukraine sowie über die Möglichkeit einer Lieferung deutscher Marschflugkörper diskutiert wurde. Erforderlich sei die Botschaft, „dass wir unsere Werte, unsere Freiheit und den Frieden in Europa mit eiserner Konsequenz verteidigen“.

Lindner weiter: „Die öffentliche Debatte um die Ukraine-Politik und das Waffensystem Taurus bedauere ich. Diejenigen, die unsere Freiheit und unseren Frieden bedrohen, insbesondere (der russische Präsident Wladimir) Putin, dürfen niemals einen Zweifel haben, dass wir den Willen und die Fähigkeit haben, unsere Werte und unsere Interessen zu verteidigen“, sagte Lindner.

Und: „Es darf niemals der Eindruck entstehen, dass wir aus Angst oder Schwäche zurückweichen. Nicht Stärke provoziert unsere Rivalen, sondern unsere Schwäche würde sie provozieren.“ (dpa/dfs)

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