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Diversity Konferenz; Tagesspiegel; Charta der Vielfalt
Lisa Paus

© Laurin Schmid für den Tagesspiegel

Vielfalt in der Arbeitswelt: Mehr Diversität lohnt sich und doch ist der Weg noch weit

Wie können Belegschaften in Firmen und Behörden diverser werden? Auf der Diversity-Konferenz des Tagesspiegels lehnte Familienministerin Lisa Paus eine Quotenregelung erneut ab. Dafür gebe bessere Möglichkeiten.

Diversity ist anstrengend und macht Arbeit. Das Thema nervt manchmal, aber das darf es auch. Das sagte Nina Straßner, Vorstandsvorsitzende des Vereins „Charta der Vielfalt“, am Dienstag zum Tagesauftakt der Diversity-Konferenz des Tagesspiegels. Und setzte so den Ton für die kommenden Stunden.

Ein schlechter Aktienkurs nämlich, der nervt auch, erklärte Straßner später abseits der Bühne. Wer das Thema Diversity ernst nimmt, eröffnet sich große Chancen. Rund 350 Konferenzgäste waren in das dbb Forum in der Berliner Friedrichstraße gekommen, um sich in zahlreichen Vorträgen, Panels und Workshops auszutauschen.

Dabei ging es um Vielfalt in der Arbeitswelt in allen ihren Facetten: Wie können Arbeitnehmende ihr Potenzial entfalten, unabhängig etwa von ethnischer oder sozialer Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung und Alter? Wie managen Unternehmen und Organisationen eine zunehmend diverse Belegschaft und die Konflikte, die aus Vielfalt entstehen können? Dazu gab es Praxistipps und Erfahrungsaustausch.

Wir können niemals zu lassen, dass Jüd*innen hier in Deutschland in Angst leben.

Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Diverse Firmen sind erfolgreicher

Ist das Thema denn überhaupt wichtig, in Krisenzeiten, in denen die Welt von der Ukraine bis nach Israel zu brennen scheint? Gerade dann, sagte Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt. Und gerade auch für Medienunternehmen. Deren Produkte nämlich, glaubt Maroldt, würden besser, wenn sie von diversen Teams entwickelt würden.

Die Krisen der Welt und die Unmittelbarkeit, mit der sie in Deutschland zu spüren sind, waren das zweite bestimmende Thema des Tages. Es gebe traurigen aktuellen Anlass für die Konferenz, sagte in ihrer Keynote Reem Alabali-Radovan (SPD), Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. „Wir können niemals zu lassen, dass Jüd*innen hier in Deutschland in Angst leben, Synagogen attackiert und Häuser mit Davidsternen markiert werden.“ Sie forderte: „Wir alle müssen aufstehen.“

Am Nachmittag sprach Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus. „Seit dem 7. Oktober sehen wir, was passiert, wenn Antisemitismus konsequent zu Ende gedacht wird“, sagte er. Bei den Jüdinnen und Juden in Deutschland herrsche großer Unglaube: „Wie kann es sein, dass auf den Tag, an dem sich mörderischer Judenhass mit so unfassbarer Brutalität Bahn gebrochen hat, weltweit mit massivem, gewalttätigem Antisemitismus reagiert wird?“

Er vertraue den Sicherheitsbehörden, sagte Klein. Er zähle darauf, „dass wir nach den Verboten von Hamas und Samidoun bald weitere Ergebnisse sehen werden“. Die Zivilgesellschaft sei aufgefordert, Solidarität mit Jüdinnen und Juden zu zeigen. Doch da sei noch „Luft nach oben“. Mit den Worten „Nie wieder ist jetzt“ schloss er seine Rede, die mit langem Applaus bedacht wurde.

Auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sprach auf der Konferenz. In Deutschland würden politische Strömungen an Gewicht gewinnen, die die Gesellschaft nicht in ihrer Vielfalt anerkennen wollten, sagte sie in ihrer Keynote. Doch die angeblich „normale“ Gesellschaft, die manche sich zurückwünschen würden, habe es in Wahrheit nie gegeben.

Menschen mit Migrationsgeschichte in Behörden unterrepräsentiert

Eine Quote für mehr Vielfalt in der Bundesverwaltung, etwa für Menschen mit Migrationsgeschichte, lehnte Paus auf Nachfrage ab. Die läge noch in weiter Ferne, sagte sie. Mit klassischen Maßnahmen könne bereits viel erreicht werden, zum Beispiel mit diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahren und dem Abbau von Hindernissen bei formalen Einstiegsvoraussetzungen. Auch Alabali-Radovan sprach sich gegen eine Quote aus.

Doch der Befund ist klar: Im öffentlichen Dienst sind Menschen mit Migrationsgeschichte unterrepräsentiert. Zunächst müsse geklärt werden, worum es überhaupt gehe, sagte Alabali-Radovan. Zum Beispiel beim Stichwort Migrationshintergrund. „Kann eine Kategorie, die die Kinder der Expat-Community in Berlin-Mitte wie Geflüchtete an der bayerischen Grenze gleichermaßen umfasst, überhaupt sinnvoll sein?“ Außerdem, sagte die Beauftragte, sei ihr wichtig, dass es um alle Merkmale der Vielfalt gehe und keineswegs nur um das Thema Migrationsgeschichte.

Ferda Ataman, Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, wies darauf hin, wie wichtig es sei, dass Unternehmen Ansprechstellen für Betroffene von Diskriminierung schaffen. Das sei auch im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz vorgeschrieben, werde aber in vielen Firmen nicht umgesetzt. Es ist noch viel zu tun – das ist sicher auch als Fazit des Tages gültig.

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