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In vielen Firmen und Organisationen gibt es keine einheitlichen Richtlinien zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.

© dpa

Antidiskriminierungsstelle: "Viele Betroffene fühlen sich wehrlos"

Die Antidiskriminierungsstelle gibt Empfehlungen zur Unterstützung von Frauen und Menschen mit wechselnder Geschlechtszugehörigkeit.

Belästigung am Arbeitsplatz, ungleiches Entgelt und viele andere Nachteile für Frauen sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen sind noch immer an der Tagesordnung. Die Antidiskriminierungsstelle hat deswegen eine unabhängige Kommission eingesetzt, die Handlungsempfehlungen gegen Geschlechtsdiskriminierung erarbeitet hat. Am Donnerstag legte die Kommission unter Leitung von Prof. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung und dem ehemaligen Bürgermeister Klaus Wowereit ihren 70 Seiten starken Abschlussbericht „Gleiche Rechte – Gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ vor. Der Handlungsbedarf ist immens.

„Viele Betroffene fühlen sich wehrlos und mit ihren Problemen alleine gelassen“, erklärt Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle. Durch den Bericht erhoffe man sich  eine Reaktion der Politik und der Tarifparteien. Die unabhängige Kommission fordert themenübergreifend mehr Unterstützung bei Klagen und der Rechtsdurchsetzung für Betroffene. So müsse die Frist, in der man Entschädigung und Schadenersatz geltend machen könne, verlängert werden. Diese sei zurzeit zwei Monate lang und müsse auf mindestens sechs verlängert werden. Zudem müsse es für anerkannte Verbände einfach werden, Prozesse für die Betroffenen zu führen.

Starke Benachteiligungen im ganzen Lebenslauf

Gegliedert ist der Bericht in drei wichtige Abschnitte: Sexuelle Belästigung, Entgeltunterschiede sowie das Recht von trans- und intersexuellen Menschen.

"Sexualisierte Belästigung ist ein schwerwiegendes Beispiel für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts und kein Kavaliersdelikt“, sagt Klaus Wowereit bei der Übergabe des Berichts. Er forderte Unternehmen auf, das Thema zur „Chefsache“ zu machen. Denn zurzeit würden in vielen Unternehmen, Verbänden und Organisationen klare Leitlinien fehlen. Opfer wüssten oft nicht an wen sie sich nach einem Übergriff wenden sollten. Der Bericht legt nahe, eine unabhängige, externe Person als Ansprechpartner zu engagieren.

Bei den Entgeltunterschieden stellten die Fachleute der Kommission eine „mehrheitlich Benachteiligung“ fest und forderten eine bessere gesetzliche Regelung. Zwar lobte die Kommission den Vorstoß von Manuela Schwesig, Wowereit betonte aber zugleich, dass das nicht weit genug gehe. Frauen verdienen in Deutschland knapp 1/5 weniger als ihre männlichen Kontrahenten, so der Bericht. Das müsse sich ändern. Sowohl Rahmenbedingungen aber auch unzureichende Kinderbetreuung oder steuerliche Fehlanreize seien Gründe dafür. Zudem erhofft sich die Kommission eine Ausweitung bestehender Richtlinien auf kleine und mittlere Unternehmen. Aktuell würden nur knapp 30 Prozent aller Arbeitnehmer erfasst werden. Besonders Firmen mit weniger als 500 Mitarbeitern sollen daher, so die Kommission, einen Lagebericht zur Entgeltgleichheit vorlegen.

Entschädigungsfond für Opfer einrichten

Den dritten Schwerpunkt legte die Kommission auf Benachteiligungen von trans- und intergeschlechtlichen Menschen. „Die bürokratischen Hürden bei Geschlechtsangleichungen und Namensänderungen sind für transgeschlechtliche Menschen eine Zumutung“, sagt Leiterin Allmendinger. Der Bericht ergänzt: Solche Menschen hätten im gesamten Lebensverlauf mit „besonders starken Benachteiligungen zu kämpfen“. Eine starke gesetzliche Änderung sei demnach unumgänglich: Die Kategorie „anderes“ sei in das Personenstandsrecht einzuführen. Zudem müsse für Opfer von erzwungener medikamentöser Behandlung in der Jugend oder Kindheit unter anderem ein Entschädigungsfond eingerichtet werden.

Nils Wischmeyer

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