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Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz.

© imago/Jürgen Heinrich/imago/Jürgen Heinrich

Verfassungsschutz gegen AfD: Dieser Teil der Lösung ist ein Teil des Problems

Je weiter die Behörde der Partei an den Kragen geht, desto höher scheint sie in der Gunst ihrer Anhänger zu steigen. Eine Dynamik, die Präsident Thomas Haldenwang offenbar nicht sehen will.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen verhandelt in dieser Woche Klagen der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Es sind nicht die ersten und werden nicht die letzten Klagen sein. Erwartet wird, dass die amtliche Einstufung der Partei als „Verdachtsfall“ bestätigt wird. Aus dem Bundesamt sickert bereits durch, die nächste Einstufung als „gesichert extremistisch“ sei in Vorbereitung. Alles andere wäre auch eine Überraschung.

Wer AfD wählt, spürt Selbstwirksamkeit

Seit der Bürgeraufstand gegen AfD und Rechtsextremismus etwas abgeebbt ist, konzentriert sich die öffentliche Aufmerksamkeit erneut auf die Rolle des Verfassungsschutzes. Es ist eine fragwürdige Konzentration. Als sich die Kölner Behörde unter der damals neuen Leitung von Thomas Haldenwang der Populistenpartei annahm, hoffte man, eine frühzeitige Stigmatisierung der AfD als demokratiefeindlich würde deren Wähler verschrecken. Wie es scheint, ist das Gegenteil passiert.

Nun ließe sich diese fatale Entwicklung damit erklären, dass die Deutschen immer rechter würden und die Lehren aus Weimar von Jahr zu Jahr mehr vergessen. Da mag etwas dran sein. Möglicherweise unterschätzt wird in dieser Betrachtung aber, wie die AfD sonst noch Zuspruch gewinnt: als Dagegen-Projekt, das einen Großteil seiner Kraft aus anti-elitären Verschwörungsmythen bezieht und daraus, wie Regierende, Medien und Institutionen vor ihr erschrecken; wer AfD wählt, spürt Selbstwirksamkeit.

Thomas Haldenwang ist zum Teil dieses Problems geworden, denn er hat seine Behörde politisch in Stellung gebracht. Das begann schon mit dem unbedachten Herausposaunen eines AfD-„Prüffalls“, den das Gesetz nicht vorsah. Haldenwang kommentierte die Kandidatenauswahl auf einem Parteitag oder rief dazu auf, die Umfragewerte für die Partei zu senken. Er spricht ohnehin viel davon, „mobilisieren“ oder „wachrütteln“ zu wollen.

Das alles klingt nach Aktivismus, der nicht zum Amt gehört; fehlt eigentlich nur, dass der Verfassungsschutz-Chef bei den Demos mitläuft. Der Verweis auf die behördliche Aufgabe, unerlässliches Frühwarnsystem zu sein, zieht hier nicht. Vor der AfD wird in Dauerschleife gewarnt – von allen.

Möglich also, dass die AfD auch deshalb stärker geworden ist, weil Haldenwang handelt, wie er handelt – und damit Stoff für die Erzählung liefert, hier würde eine staatliche Behörde benutzt, um eine aufstrebende Oppositionspartei zu unterdrücken. Das ist fahrlässig, blieb bisher aber ohne Konsequenzen. Anscheinend glaubt man sich auf dem richtigen Weg.

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