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Terror in Paris: Unter verschärfter Beobachtung

Nach den Terroranschlägen in Paris warnen die Behörden vor weiteren Attentaten in Europa. Doch wie sollen diese künftig verhindert werden?

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Auch Deutschland ist im Visier islamistischer Terroristen. Und das nicht erst seit den Anschlägen in Paris. Besonders gefährlich sind ehemalige Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Einer von ihnen wurde nun in Nordrhein-Westfalen festgenommen. Sicherheitsdienste warnen sogar vor einer Terrorwelle in Europa.

In Dinslaken wurde ein IS-Rückkehrer festgenommen. Wollte er einen Anschlag in Deutschland verüben?

Der Generalbundesanwalt, der die Ermittlungen im Fall des festgenommenen Nils D. führt, hat betont, es habe keine Hinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag gegeben. Auch bestehe kein Zusammenhang mit den Angriffen in Frankreich. Dennoch muss Nils D. als hochgefährlich eingestuft werden, denn er kämpfte ein Jahr lang für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Seit 2014 ist er zurück in Deutschland und steht unter Beobachtung. Er gehört nach Informationen des Tagesspiegels einer Gruppe von knapp einem Dutzend Salafisten in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Dinslaken an, die sich dem „Islamischen Staat“ angeschlossen hat. Im Dinslakener Stadtteil Lohberg gibt es eine salafistische Szene mit etwa 25 Personen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den 24-jährigen Nils D. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung sowie allgemein wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

Planen IS-Rückkehrer auch in Deutschland Anschläge wie in Frankreich?

US-Geheimdienste sollen vor einer neuen Terrorwelle in Europa gewarnt haben. Paris war demnach nur der Auftakt. Tatsächlich ist seit langem bekannt, dass vor allem Rückkehrer aus den Kampfgebieten in Syrien und dem Irak entschlossen sind, Anschläge zu verüben – auch in Deutschland. „Sie haben den Auftrag, den islamistischen Kampf in Europa weiterzuführen“, sagt der Terrorforscher Kai Hirschmann vom Essener Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. Komplexe Attentate wie die vom 11. September 2001 in den USA oder später die Anschläge auf öffentliche Verkehrsmittel in London und Madrid seien angesichts einer verstärkten Wachsamkeit der jeweiligen Sicherheitsbehörden aber nur noch schwer durchführbar, erklärt Hirschmann. Deshalb müsse man eher mit Spontanaktionen von Einzeltätern oder kleinen Gruppen wie in Paris rechnen, mit Angriffen auf symbolträchtige Orte. „Für solche Nadelstiche braucht man keine lange Planung, zwei bewaffnete Männer können jederzeit Orte angreifen, die für unseren westlichen Lebensstil stehen.“ Die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ war ohne Zweifel ein solcher Ort. Doch auch die Anschläge auf den Boston Marathon und auf ein jüdisches Museum in Brüssel 2014 passen in dieses neue Anschlagsraster. In einem Szenemagazin im Internet bezeichnen Islamisten diese Taktik als „Open Source Dschihad“.

Waren die Attentäter von Paris Teil einer größeren Terrorgruppe?

In einem am Sonntag verbreiteten Bekennervideo zu den Pariser Anschlägen sagt Amedy Coulibaly, die Angriffe auf einen jüdischen Supermarkt und auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ seien koordiniert gewesen. Er rechtfertigte sie mit französischen Militärinterventionen im Ausland. In dem Video ruft Coulibaly, der den Supermarkt überfiel und auch für die Ermordung einer Polizistin verantwortlich gemacht wird, alle Muslime in Frankreich auf, seinem Beispiel zu folgen. Zugleich bekennt er sich zur IS-Miliz. „Ich schwor dem Kalifen Treue, sobald das Kalifat ausgerufen wurde“, sagt Coulibaly mit Blick auf IS-Chef Abu Bakr al Bagdadi. Die Attentäter von „Charlie Hebdo“, die Brüder Said und Chérif Kouachi, hatten sich dagegen zu der mit dem IS konkurrierenden Al Qaida im Jemen bekannt. In Europa rekrutieren beide Gruppierungen ihre Anhänger allerdings aus derselben Szene, denn das Gedankengut unterscheidet sich bei Al Qaida und IS kaum. Laut Terrorforscher Hirschberg gibt es zwar Streitigkeiten zwischen den jeweiligen Führungen von IS und Al Qaida über das Vorgehen in den außereuropäischen Kampfgebieten. Ihre Netzwerke in Europa differenzierten dagegen nicht zwischen den verschiedenen Gruppen. Sowohl Al Qaida als auch IS verbreiteten im Internet Aufrufe zu Anschlägen in Europa. Seit IS im Irak und in Syrien verstärkt unter militärischen Druck geraten sei, habe die Miliz Europa sogar zum zweiten Kampffeld erklärt. Alle Nationen, die sich am Kampf gegen IS im Nahen Osten beteiligen, also auch Deutschland, gehörten daher zu den bevorzugten Zielen von Terroranschlägen. Das nun aufgetauchte Bekennervideo bestätigt dies indirekt, indem es Bezug auf Frankreichs militärisches Engagement nimmt.

Wie sollen Anschläge künftig verhindert werden?

Im Visier der deutschen Behörden sind vor allem die IS-Rückkehrer aus dem Kampfgebieten in Syrien und Irak. Sie haben dort eine massive Brutalität erlebt, die sie oftmals völlig enthemmt hat. Auch nach ihrer Rückkehr sind sie meist aggressiv und äußern radikale Ansichten. Anders als etwa die sogenannten Schläfer der Hamburger Terrorzelle, die unauffällig in Deutschland lebten, bevor sie sich an den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA beteiligten, versuchen die IS-Rückkehrer nicht, sich zu tarnen. Für eine permanente Überwachung der Rückkehrer fehlen den Sicherheitsbehörden jedoch schlicht die Kapazitäten. Auch die Pariser Attentäter galten als gefährlich, wurden aber nicht rund um die Uhr überwacht. Aus Deutschland sollen bislang mehr als 550 Salafisten in Syrien oder dem Irak gewesen sein, etwa 180 sind von dort wieder in die Bundesrepublik zurückgekehrt. Die Bundesanwaltschaft führt, Stand Dezember 2014, bereits 46 Verfahren gegen insgesamt 83 Beschuldigte, die sich mutmaßlich in den syrischen oder den irakischen Bürgerkrieg begeben haben oder zumindest als Unterstützer für terroristische Gruppierungen dort tätig geworden sein sollen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière kündigte am Sonntag außerdem ein Gesetz an, das die rechtliche Voraussetzung schaffen soll, um potenziellen deutschen Dschihadisten den Personalausweis zu entziehen und sie so an einer Ausreise in die Kampfgebiete zu hindern.

Gibt es eine internationale Koordination?

Die Innenminister der EU wollen sich in den kommenden Tagen zu einem Krisengipfel treffen. Bereits am Sonntag berieten sie gemeinsam mit ihren Kollegen aus den USA und Kanada in Paris. „Wir beginnen den Kampf gegen den islamistischen Terror nicht erst seit heute“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Viele Maßnahmen seien bereits vereinbart worden. Dennoch forderte er, mehr Informationen auszutauschen. Das gelte gerade für die Geheimdienste. Er forderte auch das Europaparlament auf, die Blockade des europäischen Fluggastdaten- Abkommens zu beenden. „Wer jetzt ein europäisches Fluggastdaten-Abkommen ablehnt, weiß nicht, was die Stunde geschlagen hat.“ Der Vorschlag sieht vor, Sicherheitsbehörden den Zugriff auf Daten von Fluggästen zu erlauben, die in die EU hinein- oder aus der Union ausreisen. Spanien plädiert außerdem dafür, die Grenzkontrollen in der EU teilweise wiedereinzuführen, um zu verhindern, dass sich gewaltbereite Islamisten frei in der EU bewegen können.

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