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Hubert Aiwanger steht am Politischen Abend auf dem Herbstfest Steinbrünning mit Daniel Längst (l-r), Sabrina Stutz, Brigitte Rudholzer und Michael Koller, Land- und Bezirkstagkandidaten der Freien Wähler, zusammen. Die Freien Wähler präsentieren ihr Wahlprogramms und stellen die Land- und Bezirkstagskandidaten vor.

© dpa/Tobias C. Köhler

Update

„Bin weder Antisemit noch Extremist“: Aiwanger weist Vorwürfe zurück, Zentralrat der Juden kritisiert fehlende Einsicht

Ein Antisemit sei er nicht, aber dass in seiner Schulzeit Blätter in seiner Tasche gefunden worden seien, sei korrekt. Aiwangers Statement zum Skandal und wie die Freien Wähler zu ihm stehen.

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In der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten und auch trotz weiterer Vorwürfe stehen die Freien Wähler in Bayern geschlossen zu ihrem Vorsitzenden Hubert Aiwanger. Das sagten mehrere Mitglieder des Partei- und Fraktionsvorstandes am Mittwoch nach gemeinsamen Beratungen im Landtag in München. Aiwanger selbst hat sich als „Demokrat“ bezeichnet und Vorwürfe des Rechtsextremismus zurückgewiesen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, kritisierte Aiwanger und dessen Umgang mit den Vorwürfen. Der Freie-Wähler-Politiker lasse „auch Tage nach dem Bekanntwerden des antisemitischen Flugblattes aus seiner Schulzeit Einsicht und die Bereitschaft zur ehrlichen Auseinandersetzung vermissen“, sagte Schuster der „Bild“-Zeitung. „Es hätte eine schnelle Reaktion in diesem Sinne gebraucht.“ Nun gehe es um den Umgang mit den Vorwürfen, der „fast schon trotzig wirkt“.

Aiwanger betonte auf einer Veranstaltung am Mittwoch, er sei „kein Antisemit, kein Extremist“. Was „in Jugendzeiten hier diskutiert wird, wundert mich etwas“, fügte der Parteichef der Freien Wähler in Bayern und im Bund hinzu. „Aber es ist auf alle Fälle so, dass vielleicht in der Jugendzeit das eine oder andere so oder so interpretiert werden kann.“ Es sei korrekt, dass in seiner Schulzeit eine oder einige wenige Blätter in seiner Schultasche gefunden worden seien.

Freie Wähler betonen Geschlossenheit

Die Freien Wähler in Bayern stehen geschlossen hinter Aiwanger. Das betonten mehrere Mitglieder des Partei- und Fraktionsvorstands am Mittwoch nach gemeinsamen Beratungen im Landtag in München. „Und das werden wir auch weiter tun“, sagte Generalsekretärin Susann Enders.

Die Partei sieht sich einer steigenden Zahl von politischen Angriffen ausgesetzt.

Der Landesverband der Freien Wähler

Fraktionschef Florian Streibl betonte ebenfalls, man stehe geschlossen hinter Aiwanger. „Wir sind mit ihm solidarisch“, sagte er. Der bayerische Landesverband „wehrt sich gegen alle Diffamierungsversuche und Spekulationen“ rund um Aiwanger. Die Fortsetzung einer „bürgerlichen Koalition“ in Bayern sei seitens der Partei „nur gemeinsam mit“ Aiwanger möglich, erklärten die bayerischen Freien Wähler weiter.

Der Landesverband beklagte zudem, die Partei sehe sich einer „steigenden Zahl von politischen Angriffen ausgesetzt - derzeit massiv unter der Gürtellinie“. Die Partei sprach von einer „Kampagne aus Schmutzeleien“.

Streibl fügte in Reaktion auf Äußerungen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vom Dienstag hinzu: „Eine Botschaft müssen wir senden: Eine Koalition in Zukunft wird es auch nur mit Hubert Aiwanger geben.“ Auf Spekulationen, Aiwanger könnte in einer Art Rochade aus dem Ministeramt an die Spitze der Freie-Wähler-Fraktion wechseln, ging Streibl nicht ein. „Aiwanger wird immer irgendwie dabei sein“, betonte er lediglich. „Ohne wird's nicht gehen.“ Auch Fraktionsvize Bernhard Pohl sagte: „Für mich ist es völlig unvorstellbar, dass wir ohne Hubert Aiwanger weitermarschieren.“

Söder hatte am Dienstag gesagt, er wolle die Koalition fortsetzen. Koalitionen hingen aber „nicht an einer einzigen Person“, sagte Söder. „Es geht mit oder ohne eine Person im Staatsamt ganz genauso.“

Medienrummel und Unschuldsvermutung

Streibl kritisierte, dass jetzt das Leben eines 16-Jährigen „fein säuberlich in der Öffentlichkeit seziert“ werde. „Der Hubert Aiwanger, den ich kenne, ist nicht dieser 16-Jährige, der heute durch die Gazetten gezogen wird.“ Er nannte es auch gewagt, wenn Menschen, nach 35 oder 40 Jahren, Aiwanger anschwärzten. „Man hätte mit dieser Geschichte auch wesentlich früher kommen können, wenn sie denn so stimmt.“ Nun werde das Schicksal von Millionen Juden dazu instrumentalisiert, einen Politiker fertigzumachen, sagte Streibl.

Umweltminister Thorsten Glauber machte deutlich, dass er keine Grundlage für Söder sieht, Aiwanger aus dem Ministeramt zu entlassen. „Explizit ist hier nichts bewiesen.“ Und was nicht bewiesen sei, sei nicht justiziabel. Es gelte die Unschuldsvermutung, betonte er.

Aiwanger hatte am Samstagabend schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben.

Er wolle sich nun auf den Landtagswahlkampf konzentrieren, sagte Aiwanger am Mittwoch in Donauwörth. Er habe mit Söder zuvor „intensivst gesprochen“, die Situation sei „sehr ernst“. Von „den Menschen“ erhalte er dabei überwiegend die Rückmeldung, dass es sich um eine „Schmutzkampagne“ handle und er politisch und persönlich „zerstört“ werden solle. In Bayern wird in fünfeinhalb Wochen ein neuer Landtag gewählt.

Aiwanger muss Söder nun „zeitnah“ 25 Fragen beantworten. Zudem gibt es neue Vorwürfe: Der heute 52-Jährige soll beim Betreten des schon besetzten Klassenzimmers früher ab und zu „einen Hitlergruß gezeigt“ haben, wie ein Mitschüler dem ARD-Magazin „Report München“ sagte. Aiwanger und seine Sprecher reagierten auf Anfragen dazu nicht. (dpa, AFP)

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