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Die einen essen mit goldenem Besteck, die anderen hungern. Das ist zu viel Ungleichheit für eine Welt, die nach Demokratie strebt.

© picture alliance / dpa

Globalisierung: Ungleichheit und Demokratie? Entweder oder!

Superreich oder superarm, supermächtig oder einflusslos? Immer mehr Menschen werden fordern, was ihnen zusteht. Die Klagen gegen Kik oder RWE sind erst ein Anfang. Eine Kolumne

Nicht selten sind es Menschen weit weg von den Unternehmenssitzen, die von den Handlungen dieser Unternehmen und deren Auswirkungen betroffen sind. Und ihr Weg zu Recht und Abhilfe ist mindestens ebenso weit weg. Das Landgericht Dortmund hat im vergangenen Jahr die Klage von Überlebenden und Hinterbliebenen des abgebrannten Fabrikgebäudes von Ali Enterprise in Pakistan gegen den deutschen Hauptabnehmer dieser Fabrik, den Textildiscounter KiK, zugelassen. Das war ein Novum in Deutschland und eine Rarität im Umgang mit wirtschaftsbedingten Menschenrechtsopfern in der Welt. Nun hat es eine weitere Klage aus dem Ausland vor deutsche Gerichte geschafft: Das Oberlandesgericht Hamm gab der Klage des peruanischen Bauern Lliuya gegen RWE statt. Das Energieunternehmen sei durch den Beitrag seiner Kohlekraftwerke zum Klimawandel mit verantwortlich, dass ein Gletscher in Peru schmelze und das Haus des Bauern zu überfluten drohe.

Solche Fälle und auch die radikal ungleiche Verteilung von Reichtum in der Welt verweisen darauf, wie eine globale Struktur an Legitimität verliert, die sich in Ungleichheit eingerichtet hat: Acht Menschen gehört die Hälfte des Reichtums der Welt. Das besagt eine Studie von Oxfam International. Die Geschäftsführerin Winnie Byanyima betonte letzte Woche beim UN-Forum Wirtschaft und Menschenrechte, dass Ungleichheit und Demokratie sich langfristig ausschließen würden und dass Unternehmen im Herzen dieses Konflikts stünden.

Unternehmen können die Konflikte verschärfen - aber sie müssen nicht

Immer mehr Menschen werden fordern, was ihnen zusteht. Gleichzeitig werden die Bedingungen ihres Überlebens sich zunehmend erschweren, etwa durch den Klimawandel. Die Glaubwürdigkeit vieler Staaten, deren Repräsentanten oft und gerne von demokratischen Werten sprechen, gerät ins Wanken – wie Deutschland oder Kanada. Diese Klagen, also der Zugang von Betroffenen aus dem Ausland zu deutschen Gerichten, sind ein Zeichen der Rechtsstaatlichkeit. Aber Gerichte kommen (wenn überhaupt) erst zum Zug, wenn der Schaden bereits vorliegt. Oder lautet das demokratische Versprechen etwa: Wir richten Schaden an, aber ausnahmsweise (mit viel Unterstützung) bekommt ihr Klagemöglichkeiten?

Byanyima hat recht, einen tiefgreifenden Konflikt gibt es: zwischen dem weltweit erwachenden Bewusstsein der Menschen für ihre Rechte und ihre Würde und einer strukturellen und permanenten Benachteiligung der einen für eine Privilegierung der anderen. Unternehmen können diesen Konflikt verschärfen durch lobbyistische Einflussnahme auf Politik und dadurch auf die nationale und internationale rechtliche Architektur, die Investitionsschutz über den Menschenrechtsschutz stellt. Sie können durch Steuervermeidung der Gesellschaft Ressourcen entziehen, die diese dringend braucht – für Gesundheit, Wohnen, etc. Auf diese Weise schwächen sie demokratische Kräfte, weil diese an Glaubwürdigkeit und Effektivität verlieren, und sie stärken autoritäre Tendenzen, die dem erwachenden Selbstbewusstsein vieler Gruppen entgegenwirken: so machen Staaten für den Schutz von Unternehmensaktivitäten nicht selten Gebrauch von ihrem Gewaltmonopol. Unternehmerische Entscheidungsträger haben aber die Möglichkeit, anders zu handeln – und es gibt Beispiele dafür. Es mag sein, dass der Marktpreis das sanktioniert oder dass die Branche Druck ausübt, aber hinter jedem Geschäft steckt jemand, der oder die Verantwortung übernehmen kann. Und wie immer sich RWE gegen den Bauern aus Peru anstrengen mag, er kämpft am Ende für uns alle, sogar für RWE.

Deniz Utlu

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