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Ein blaues Herz und der Schriftzug AfD sind mit Kreide auf eine Straße gemalt am Tag der Stichwahl des Landrats im Landkreis Sonneberg.

© dpa/Martin Schutt

Umfrage unter Ostdeutschen: Die Sehnsucht nach der „autoritären Herrschaft“

Hitler-Verehrung und DDR-Nostalgie, der Glaube an die Diktatur als bessere Staatsform, antisemitische Einstellungen. Eine Leipziger Studie alarmiert – eine gute Nachricht gibt es immerhin.

Die AfD erzielt bundesweit Rekordwerte, am Wochenende ist im thüringischen Sonneberg der erste AfD-Landrat gewählt worden. Auch die Ergebnisse der am Mittwoch vorgestellten Studie des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts der Universität Leipzig zu rechtsextremen Einstellungen in den ostdeutschen Ländern sind alarmierend.

Doch erstmal die gute Nachricht vorweg: Laut der Studie sind die rechtsextremen Einstellungen in Ostdeutschland nicht angestiegen. Die schlechte: Sie bleiben seit etwa 20 Jahren konstant, also weiterhin hoch.

3564 Personen aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Ost-Berlin haben Wissenschaftler für die Studie im Zeitraum von Mai bis September 2022 persönlich befragt. Das Fazit:

  • Antisemitische Ressentiments sind weit verbreitet
  • Ausländerfeindliche Aussagen werden von vielen akzeptiert
  • Der Wunsch nach einer autoritären Herrschaft ist ausgeprägt
  • Die Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen ist stark ausgeprägt

Mehr als 3500 Menschen wurden befragt

8,6 Prozent der Befragten stimmen der Aussage „Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform“ vollumfänglich zu, etwa 22,1 Prozent befürworten diese zumindest teilweise.

Knapp 70 Prozent der Befragten stimmten der Aussage „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ voll oder in Teilen zu. 10,5 Prozent der Befragten finden, dass „Deutsche anderen Völkern eigentlich von Natur aus überlegen seien“, 21,1 Prozent gehen bei dieser Aussage zumindest teilweise mit.

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Prozent der Ostdeutschen haben ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild.

Die Juden arbeiteten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen. 8,9 Prozent würden diese antisemitische Aussage voll und ganz unterschreiben, 19,2 Prozent zumindest in Teilen.

11,2 Prozent erachten den Einfluss der Juden weltweit als zu groß. Mehr als 20 Prozent halten die Aussage für zutreffend, dass man Hitler ohne die Vernichtung der Juden als großen Staatsmann ansehen würde (sieben Prozent komplett).

Antisemitische Ressentiments weit verbreitet

Sieben Prozent der Ostdeutschen haben laut der Studie ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild. Von diesen sieben Prozent haben 62,7 Prozent vor, an demokratischen Wahlen teilzunehmen, 57,8 Prozent sind entschlossen, der AfD ihre Stimme zu geben.

Dies sei eine nicht „zu unterschätzende Herausforderung für die Demokratie“, erklärten die Autoren der Studie. Vor allem unter den Nichtwählern könne die AfD noch viele Wählerstimmen gewinnen.

Besonders ausgeprägt ist die Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, vergleichsweise niedrig fällt sie in Ost-Berlin aus. So stimmt fast ein Drittel der Befragten in Sachsen mit den gegen Ausländer gerichteten Aussagen überein.

Mehr als zehn Prozent der Befragten in Sachsen befürworten eine Diktatur

Im Vergleich der östlichen Bundesländer befürworten in Sachsen-Anhalt die meisten der Befragten eine Diktatur (10,7 Prozent), die höchsten Zustimmungswerte zu antisemitischen Aussagen (acht Prozent) gibt es in Thüringen.

Zwei Drittel der Befragten halten es für sinnlos, sich politisch zu engagieren, und kaum jemand glaubt, einen Einfluss auf die Regierung zu haben. Knapp 60 Prozent identifizieren sich als ehemalige Bürger der DDR.

Der Wunsch nach Autorität gehe in der Regel mit rechtsextremen Einstellungen einher, erklärte einer der Autoren, Oliver Decker. „Es geht außerdem um die Suche nach einer erhöhten Gruppenidentität“.

„Es geht darum, den Selbstwert zu erhöhen – durch Abwertung anderer Gruppen.“ Transformationsprozesse, die Globalisierung, der Klimawandel: In Ostdeutschland stecke man das schlechter weg als in Westdeutschland. „In den ostdeutschen Bundesländern gibt es seit 30 Jahren Transformationsprozesse, das ist nicht leicht zu verkraften.“

Der Osten fühle sich noch immer entwertet. Der erste Schock sei es gewesen, als es keine neue Verfassung gegeben habe nach der Wende. „Im Osten gibt es viel weniger Vermögen als im Westen, es wird weniger vererbt. Und diese Lücke schließt sich nicht, im Gegenteil, sie ist auf Dauer angelegt. Da ist viel Wut, enttäuschte Hoffnung, es ist ein Trauma, das bleibt.“

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