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Sachsens AfD-Chef Jörg Urban im März 2018 bei einer Kundgebung seiner Partei in Görlitz.

© Monika Skolimowska/dpa

AfD vor der Landtagswahl: Ultrarechte fordern Sachsens CDU-Regierungschef heraus

"Der Flügel"-Mann Jörg Urban soll die AfD-Liste für die Sachsen-Wahl anführen. Sein Kontrahent Tino Chrupalla bleibt potenzieller Ministerpräsidenten-Kandidat.

Von Matthias Meisner

Der Machtkampf in der AfD Sachsen um die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl ist bis auf weiteres vertagt. Nach Informationen der "Freien Presse", die sich auf Parteikreise beruft, soll Landes- und Fraktionschef Jörg Urban, auf dem Listenparteitag am Wochenende in Markneukirchen im Vogtland auf Platz eins der Landesliste gesetzt werden und dabei voraussichtlich keinen Gegenkandidaten haben. Urban ist auch AfD-Direktkandidat in Bautzen für die am 1. September stattfindende Wahl.

Sein innerparteilicher Konkurrent Tino Chrupalla, stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion, ist damit aber noch nicht aus dem Rennen als Bewerber für das Amt des Ministerpräsidenten. Die Entscheidung darüber solle von der Nominierung für Listenplatzes eins gelöst und erst sechs bis acht Wochen vor der Wahl von den Parteigremien entschieden werden, schreibt die in Chemnitz erscheinende Zeitung weiter. Chrupalla hatte ebenfalls Ambitionen auf die Spitzenkandidatur - und damit die Rolle des Herausforderers von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) - gezeigt.

Weder von der Landespartei noch von Chrupalla wurde die Einigung am Donnerstag bestätigt. Der Listenparteitag beginnt an diesem Freitag und soll bis zum Sonntag dauern.

So oder so werden im Wahlkampf von der AfD radikale Töne zu hören sein: Urban gehört zur rechten Parteigruppierung "Der Flügel", die erst kürzlich vom Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" eingestuft wurde - anders als die Gesamtpartei, die einem Gutachten des Geheimdienstes zufolge nur "Prüffall" ist.

Ende Januar war Urban - neben den Landesvorsitzenden aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Andreas Kalbitz und Martin Reichardt, Teilnehmer beim "Sachsenstreffen" des "Flügels" in einem Dorf bei Meißen. Auf diesem beschwor der thüringische AfD-Chef Björn Höcke das Wir-Gefühl des extrem rechten Flügels der Partei: Die AfD sei die Partei des gesunden Menschenverstandes, sagte Höcke dort einem auf Facebook zufolge veröffentlichten Video zufolge. Presse war bei der "Flügel"-Versammlung nicht zugelassen. Gemeinschaft sei wichtig, sagte Höcke: "Sonderlinge und egomanische Abspaltungsversuche können wir nicht gebrauchen." Der ultrarechte Dresdner AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier wurde auf dem Konvent zum sächsischen Obmann des "Flügels" ernannt.

Allianz mit Pegida beim "Trauermarsch" in Chemnitz

Zuvor hatte Urban andere rechte Allianzen geschmiedet: Anfang September vergangenen Jahres führte er einen "Trauermarsch" in Chemnitz gemeinsam mit Höcke und Kalbitz an, nicht weit entfernt damals auch Pegida-Anführer Lutz Bachmann. Der von der Führung der Bundespartei lange Zeit nicht gewollte Schulterschluss von AfD und fremdenfeindlicher Pegida-Bewegung wird von Urban mit vorangetrieben.

Chrupallas - nun zunächst ausstehende - Nominierung als Ministerpräsidenten-Kandidat hätte höhere Symbolik als die Aufstellung von Urban für diese Rolle. Denn bei der Bundestagswahl 2017 gewann Chrupalla gegen den damaligen CDU-Generalsekretär und heutigen Regierungschef und CDU-Landesvorsitzenden Kretschmer das Direktmandat. Landesweit kam die AfD damals auf 27 Prozent der Stimmen. Mit einem Vorsprung von 0,1 Prozentpunkten vor der CDU wurde sie damals zur stärksten Partei in Sachsen. In der CDU gilt Chrupalla im Vergleich zu Urban als der gefährlichere Gegner.

Der gelernte Malermeister Chrupalla versuchte in der Vergangenheit zwar immer wieder, im Vergleich zu seinen in Sachsen extrem rechten Parteifreunden moderat zu erscheinen. Er zeigte sich sogar offen für eine Koalition mit der CDU in Sachsen, obwohl deren Führung diese, wenigstens vor der Wahl, strikt ausschließt. Auch die Nominierung des Politikwissenschaftlers Werner Patzelt als Ko-Autor des CDU-Landeswahlprogramms wollte die CDU nicht als Signal für eine schwarz-blaue Koalition gewertet wissen, obwohl Patzelt zuvor mehrfach der AfD zu Diensten war.

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Die Rolle des "gemäßigten" AfD-Politikers hielt Chrupalla allerdings nicht wirklich durch. Erst vergangene Woche sorgte er für Aufsehen, als er nach kritischen Texten über die AfD in der "Sächsischen Zeitung" ankündigte, eine schwarze Liste mit den Namen von "unseriösen" Journalisten aufstellen zu wollen. In einem Rundbrief an die Mitglieder des Görlitzer AfD-Kreisverbandes forderte er seine Parteifreunde auf, ihm "Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten" zu liefern.

Von Parteifreunden wurde er dafür gelobt: Der Leipziger AfD-Bundestagsabgeordnete Siegbert Droese schrieb auf Facebook: "Kann man nur beipflichten. (...) Wir neigen halt dazu, Vertreter der Schund- und Schmutzpresse - so nannte man die Qualitätsmedien des Westens unter Honecker - von Informationen aus erster Hand auszuschließen. So what."

"Wählerauftrag gegen Moscheen und Minarette"

Diese Woche gab Chrupalla der "Lausitzer Rundschau" ein Interview, in dem er eine harte Anti-Asyl-Politik forderte. Er verteidigte seine Aussage, dass in der Lausitz "Wohnghettos" geschaffen würden, um Migranten anzusiedeln. Und sagte: "Die Ansiedelung von Migranten löst keine Probleme vor Ort, sondern schafft neue. Und ich habe einen Wählerauftrag, der besteht auch darin, zu verhindern, dass es eines Tages Moscheen und Minarette im Landkreis Görlitz geben wird."

Im Gutachten des Verfassungsschutzes zum "Prüffall" AfD werden sowohl Urban als auch Chrupalla erwähnt. Der Geheimdienst attestiert Urban einen ethnisch-kulturellen Volksbegriff. Er habe gesagt: "Ein Volk kann nur die eigene Einigkeit und Freiheit bewahren, wenn es weitgehend homogen bleibt." Chrupalla wiederum wird vorgehalten, dass er 2018 dem Berliner Rechtsextremisten Nikolai N. für dessen Video-Kanal "Der Volkslehrer" ein Interview gab - und das war keine Zufallsbegegnung, wie der Verfassungsschutz analysierte.

Auch die frühere AfD-Chefin Frauke Petry, nach ihrem Parteiaustritt inzwischen sowohl im Bundestag als auch im sächsischen Landtag fraktionslos, stellte dieser Tage ihrer früheren Partei ein vernichtendes Zeugnis aus. In einer Debatte im Dresdner Landtag sagte sie, sie beobachte in der Sachsen-AfD die Förderung "menschlich und politisch kaum erträglicher Personalien". Das Politikniveau im Landesverband sei "desaströs", die Parteistruktur "kaputt". Die AfD gehe nicht konsequent gegen eigene extremistische Strömungen und Personen vor. Petry erklärte: "Es tut weh zu sehen, was aus einer ehemalig konservativ-liberalen Partei geworden ist."

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