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US-Präsident Donald Trump spricht in Warschau vor dem Denkmal für die Kämpfer des Warschauer Aufstandes. Foto: Petr David Josek/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

© Petr David Josek, dpa

US-Präsident in Europa: Trump in Polen - das passt

Der US-Präsident wird in Warschau bejubelt, weil er sagt: "In Polen erkennen wir die Seele Europas". Das passt zur Geschichtspolitik der Kaczynski-Partei.

Auf diesen Propaganda-Erfolg hatte Jaroslaw Kaczynski lange gewartet. „Donald! Donald!“, skandierten seine Anhänger auf dem Warschauer Krasinski-Platz, kaum war die Limousine des US-Präsidenten vorgefahren. Hunderte von Anhängern der Kaczynski-Partei waren vor das Denkmal des Warschauer Aufstandes von 1944 gekarrt worden. Regierung und Parteispitze versammelte sich auf den Ehrenrängen, um Trump zuzuhören. Dieser legt zuerst einen Kranz für die Gefallenen des Aufstandes gegen die deutsche Besatzungsmacht nieder.

Dann allerdings ergreift überraschend die für einen solch tragischen Ort eher leicht und bunt gekleidete Melanie Trump das Wort. „Alle Bürger sollen ihr Leben ohne Angst leben können, egal wo sie leben. Dies will mein Ehemann“, sagt sie. Nicht der glücklich lächelnde Gastgeber und polnische Staatspräsident Andrzej Duda stellt das Präsidentenpaar vor, Trumps Gattin spielt den Conferencier. Kaczynskis Anhänger schweigen andächtig.

In der Bedeutungskrise

„Amerika liebt Polen, es liebt die Polen, wir danken euch!“, beginnt dieser mit einer Ladung Balsam für die geschändete polnische Seele. Unter der von Kaczynski eingesetzten Regierungschefin Beata Szydlo erlebt das Land gerade seine größte europäische Bedeutungskrise seit 1989. In der EU ist Polen mit seiner Weigerung, Rechtsstaatlichkeit und Beitrittsverträge zu achten, zum Buhmann geworden. Trump allerdings weiß genau, dass er hier vor dem schwierigen G-20-Treffen mit offenen Armen empfangen wird.

Die Rede am Denkmal für den Warschauer Aufstand ist deshalb eine taktisch geniale Entscheidung, auch wenn sie Proteste der jüdischen Gemeinde Polens provoziert hatte. Trump ist seit 1971 der erste US-Präsident, der keine Zeit für eine Kranzniederlegung am Denkmal des Warschauer Ghettoaufstandes von 1943 gefunden hatte. Dieser gilt auch der heutigen rechtspopulistischen Regierung eher als Nebenschauplatz.

Die ganze Geschichtspolitik der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) konzentriert sich auf den heldenhaften aber ebenso aussichtslosen Aufstand, der vor allem von der rechtskonservativen „Heimatarmee“ (AK) getragen wurde. Dass dabei auch jüdische Warschauer Aufständische von der AK erschossen wurden, wird weitgehend ausgeblendet. Um einen Skandal zu vermeiden, besucht Trump-Tochter Ivanka während der Rede ihres Vaters das Ghettodenkmal und das Jüdische Museum „Polin“.

Buh-Rufe für Walesa

Derweil findet Trump die Worte, die die versammelten Regierungsanhänger hören wollen. „Es ist für mich eine große Ehre, hier vor diesem Denkmal zu stehen und mich an jene Polen zu wenden, die über Generationen von einem sicheren, starken und freien Polen träumen“, sagt Trump. Dann der erste Ausrutscher. Trump dankt dem ebenso anwesenden ersten demokratisch gewählten Staatspräsidenten nach 1989, Lech Walesa – ein Buhen geht durch die Menge. Trump ist sichtlich erstaunt.

Offensichtlich hatte ihn niemand darüber aufgeklärt, dass der in den USA populäre Pole von der heutigen Regierung als Geheimdienstspitzel diffamiert wird – und in Zukunft wohl aus den rechtskonservativen Schulgeschichtsbüchern verschwinden soll. Walesa soll dort Platz für Lech Kaczynski machen, den im Smolensk 2010 abgestürzten Zwillingsbruder des heuten starken Mannes, Jaroslaw Kaczynski. Beide Brüder waren im Kommunismus Dissidenten aus der zweiten Reihe.

Doch Trump lässt sich nicht beirren. Hatte er am Vormittag bei der Pressekonferenz noch einen verschlafenen Eindruck hinterlassen, so läuft er jetzt auf dem sonnigen Krasinski-Platz zur Höchstform auf. „In Polen erkennen wir die Seele Europas“, leitet Trump zu Betrachtungen über die Gottesfürchtigkeit der Polen und Amerikaner über. Trump verweist auf den polnischen Papst Johannes-Paul II und den Komponisten Frederique Chopin. „Polen, Amerikaner und Europäer rufen ,Wir wollen Gott’“, erklärt Trump und erntet brausenden Applaus. Diese Nachricht gefällt den Kaczynski-Anhängern: Polen ist Europa.

Seitenhieb auf den Kreml

Und Polen könne – vereint mit Amerika – Europa retten. „Die Gefahr für unsere Sicherheit ist groß. Wir müssen unsere Grenzen vor dem Terrorismus und Extremismus verschließen“, sagt Trump und klingt wie Jaroslaw Kaczynski. Ein Seitenhieb auf den Kreml noch, der sich dem Kampf ebenfalls anschließen solle, statt die Ukraine zu destabilisieren, und schon ist Trump wieder in Fahrt. Wie erwartet, kommt der Amerikaner auf den Beistandsartikel der Nato zu sprechen, kommentiert die Rüstungshaushalte der Nato-Mitglieder und lobt Polen schließlich für seine hohen Verteidigungsausgaben sowie den gerade beschlossen Kauf von amerikanischen Patriot-Raketen. Der Kreis ist geschlossen. Applaus.

Dabei hatte Trumps knapp 14-stündiger Polenbesuch mit einer Überraschung begonnen. Ausgerechnet gegenüber seines Hotels hatten Greenpeace-Aktivisten eine Protestbotschaft an den stalinistischen Kulturpalast gebeamt. „No Trump! – Paris Yes!“, war da in grünen Lettern zu lesen.

Polen kauft Flüssiggas aus den USA

Paris steht für das Weltklimaprotokoll, das Trump gerade aufgekündigt hat. Auch die Treffen am Rande des von der PiS initiierten Gipfeltreffens der sogenannten „Drei-Meeres-Initiative“, einer neuen EU-Regionalgruppe von zwölf Ländern zwischen Bulgarien und Estland, sollen kaum Neues gebracht haben. Bisher kauft erst Polen von den USA Flüssiggas in größeren Mengen. Als noch imaginäre Regionalmacht möchte Warschau indes auch die anderen Drei-Meeres-Staaten dazu animieren, sich so von der energetischen Abhängigkeit von Russland zu befreien.

Von Russland distanzierte sich übrigens auch Trump, in dem er Moskau ein „destabilisierendes Verhalten“ in Syrien und der Ukraine sowie einen möglichen Hackerangriff während des US-Wahlkampfes vorwarf. Auf die Kontakte seines eigenen Wahlstabes mit hohen russischen Diplomaten ging er nicht ein. Trumps Signal Richtung USA: Polen ist Europa. Und Europa liebt mich.

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