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Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) ist amtierender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz.

© dpa/Hannes P Albert

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Vor Spitzentreffen im Kanzleramt: Länder dringen auf Abschluss von Asylverfahren binnen drei Monaten

Am Freitagabend trifft sich der Kanzler mit Ländervertretern und dem Oppositionschef. Vorab einigten sich die Ministerpräsidenten auf mehrere Beschlüsse.

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Vor einem Spitzentreffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben sich die Länder auf mehrere Beschlüsse zur Migration geeinigt. Scholz will sich am Abend mit Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) als amtierender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil als SPD-Vertreter der Länder sowie Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz beraten. Bei dem Spitzentreffen geht es nach Einschätzung Rheins vor allem um Maßnahmen zur Begrenzung der Migration.

Die Länder wollen dem Beschluss ihrer Konferenz in Frankfurt am Main zufolge, dass Asylverfahren von Menschen mit geringer Bleibeperspektive künftig schneller abgewickelt werden. „Bund und Länder haben das gemeinsame Ziel, Asylverfahren für Angehörige von Staaten, für die die Anerkennungsquote weniger als fünf Prozent beträgt, zügiger als bisher rechtskräftig abzuschließen“, heißt es darin.

Erklärtes Ziel sei es, das Asylverfahren und das darauf häufig folgende Klageverfahren jeweils in drei Monaten abzuschließen. Sofern nötig, würden dafür die personellen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen.

Ermöglicht werden solle die Beschleunigung der Asylverfahren durch eine prioritäre Bearbeitung der Anträge von Menschen aus Staaten mit einer geringen Anerkennungsquote, erklärte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Das sei ein praktischer Schritt, der mehr bewirke als die seit Jahren geführte Debatte darüber, welche weiteren Länder als sogenannte sichere Herkunftsländer eingestuft werden sollten.

Wer das Asylrecht schützen will, muss die irreguläre Migration bekämpfen. Dazu gehören verstärkte Maßnahmen zur Sicherung der Grenzen.

Dietmar Woidke, Brandenburgs Ministerpräsident (SPD)

Die Länder dringen nach Angaben von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zudem auf eine schnelle und deutliche Senkung unerlaubter Einreisen von Flüchtlingen. „Wer das Asylrecht schützen will, muss die irreguläre Migration bekämpfen. Dazu gehören verstärkte Maßnahmen zur Sicherung der Grenzen“, teilte der SPD-Politiker am Freitag nach den Beratungen der Länderchefs in Frankfurt am Main mit. Die Zahl irregulärer Einreisen war zuletzt vor allem an der polnisch-deutschen Grenze nach Angaben aus Brandenburg gestiegen.

Rhein sagte, man wolle „zu einer Harmonisierung von Sozialleistungsstandards“ für Asylbewerber und Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union kommen. Er warnte hier jedoch unter Verweis auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz vor überzogenen Erwartungen.

Ländern fordern bundeseinheitliche Bezahlkarte

Die Ministerpräsidenten forderten die Bundesregierung auf, in enger Abstimmung mit den Ländern „zeitnah die Voraussetzungen zur Einführung einer bundesweit einheitliche Bezahlkarte zu schaffen und dabei die Umsetzbarkeit in den Kommunen sicherzustellen“. Die Bundesregierung solle zudem prüfen, ob Abschiebungen unmittelbar aus Einrichtungen des Bundes erfolgen könnten, etwa an größeren Flughäfen.

Weil betonte, in der Runde habe große Einigkeit geherrscht. Bremen hielt allerdings in einer Protokollerklärung zu dem Beschluss fest, man sei gegen „diskriminierende Maßnahmen wie etwa weitere, über die gegenwärtige Rechtslage hinausgehende, Arbeitspflichten oder Bezahlkarten, die keine Bargeldabhebungen ermöglichen“.

Auch Thüringen war mit einzelnen Punkten nicht einverstanden. Bayern wiederholte die Forderung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer „Integrationsgrenze“ bei der Asylzuwanderung und betonte, dafür seien „Rechtsänderungen auch verfassungsrechtlicher Art“ zu prüfen und zu diskutieren.

Vorbehalte gegenüber schnelleren Arbeitserlaubnissen

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) äußerte sich kritisch zum Vorhaben der Ampel-Koalition, Asylsuchenden in Deutschland schneller eine Erwerbsarbeit zu erlauben. Nur wenn die Menschen dauerhaft bleiben können, sollten sie auch arbeiten, sagte Wüst am Freitag im Deutschlandfunk. Ansonsten würden Menschen ohne Bleiberecht integriert, deren spätere Ausreise wiederum schwierig werde.

Wüst sagte, wichtig sei, dass die Asylverfahren schneller werden, die Menschen schneller Klarheit bekommen. „Und dann auch schneller in Arbeit integriert werden“, sagte der Ministerpräsident: „So klar muss man da schon noch unterscheiden.“

Warnung vor einem negativen Bild von Zuwanderung

Unterdessen beklagte der Paritätische Gesamtverband Ressentiments gegen die nach Deutschland kommenden Menschen. Die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer zeichneten „ein fast ausschließlich negatives Bild von Zuwanderung“, erklärte der Wohlfahrtsverband am Freitag. Humanitäre Grundsätze dürften nicht aufgegeben werden.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, nannte es „grausam, Abschiebungen nicht mehr ankündigen zu wollen“. Abgelehnte Asylbewerber blieben dann in ständiger Ungewissheit und lebten in Angst. Das sei nicht zumutbar.

Habeck verteidigt Regierungspläne

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die von der Regierung vorgelegten Pläne für schnellere Abschiebungen und einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende verteidigt. Es gehe darum, „Druck aus der Situation zu nehmen“, sagte Habeck am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“.

Vorwürfe, die Pläne zur schnelleren Integration in den Arbeitsmarkt für Asylsuchende stellten einen Anreiz für illegale Zuwanderung dar, wies der Minister zurück. Die Regelung werde nur „rückwirkend“ für jene greifen, die bis Dezember vergangenen Jahres nach Deutschland gekommen seien, sagte er.

Die Leute sollen selber ihr Geld verdienen.

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister

Eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt sei von Vorteil für alle Beteiligten. „Die Leute sollen selber ihr Geld verdienen“, sagte er. Mit Blick auf die Pläne für schnellere Abschiebungen von Geflüchteten ohne Bleiberecht sowie Straftätern räumte Habeck ein, das „Hauptproblem“ sei, dass die Herkunftsländer ihre Staatsbürger nicht zurücknähmen. Das lasse sich nur durch Abkommen lösen.

„Gleichzeitig sollten wir Lücken, die eine Rückführung verhindern, auch schließen.“ Dafür sei das Paket der Bundesregierung da. Es handele sich insgesamt um eine „sinnvolle Sache“.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Mittwoch ein sogenanntes Rückführungspaket vorgestellt. Der Gesetzentwurf sieht Maßnahmen für eine schnellere Abschiebung von Straftätern und Geflüchteten ohne Bleiberecht vor. Parallel einigten sich die Parteien der Ampel-Koalition darauf, Asylsuchenden schneller die Aufnahme einer Arbeit zu ermöglichen.

Lindner: Sozialstaat ist zu attraktiv

Finanzminister Christian Lindner will staatliche Leistungen für Asylbewerber auf den Prüfstand stellen. „Ich glaube, der deutsche Sozialstaat ist für viele zu attraktiv“, sagte der FDP-Chef am Freitag am Rande einer Tagung des Internationalen Währungsfonds in Marrakesch (Marokko).

Der Bund müsse darüber nachdenken, „ob unsere Absicherung insgesamt nicht im europäischen Vergleich zu hoch angesetzt ist“, betonte Lindner vor dem Spitzengespräch.

„Ich möchte, dass unser Arbeitsmarkt attraktiv ist und dass unser Einwanderungssystem gesteuert ist“, sagte der FDP-Chef. Einen Beitrag dazu leisteten der Wechsel auf Sachleistungen in den Ländern und eine schnellere Abschiebung von Ausreisepflichtigen. Das von der Bundesregierung in dieser Woche vorgelegte Migrationspaket solle das ermöglichen.

Zugleich aber müsse der Staat die Kosten in den Griff kriegen, sagte Lindner. „Dabei darf es kein Tabu geben, auch das Asylbewerberleistungsgesetz und die Standards und die Unterstützungshöhe dort kritisch zu hinterfragen, solange wir nicht generell auf Sachleistungen in den Ländern wechseln.“

Dabei darf es kein Tabu geben, auch das Asylbewerberleistungsgesetz und die Standards und die Unterstützungshöhe dort kritisch zu hinterfragen, solange wir nicht generell auf Sachleistungen in den Ländern wechseln.

Christian Lindner, Bundesfinanzminister

Eine Arbeitspflicht für Migranten sieht Lindner kritisch. „Was wir auf keinen Fall wollen können, ist, dass ein neuer Magnet für die illegale Einwanderung nach Deutschland eingeschaltet wird“, betonte er. 

Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich bei der Begrenzung irregulärer Zuwanderung einen Konsens zwischen der Ampel-Koalition und der Union als größter Oppositionskraft.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich 52 Prozent der Befragten für eine Zusammenarbeit von SPD, Grünen und FDP mit der Union bei dem Thema aus. Nur 33 Prozent meinen, die Zuwanderung nach Deutschland sollte von der Bundesregierung alleine geregelt werden. (dpa/epd/AFP)

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