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Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer verlässt am Mittwoch nach dem Gespräch mit dem Bundespräsidenten das Schloss Bellevue in Berlin.

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Seehofers großer Tag: CSU unter Spannung

CSU-Chef Seehofer will sich an diesem Donnerstag erklären – dabei geht es auch um seine Nachfolge. Wer hat welche Chancen? Ein Überblick über die Bewerber.

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Horst Seehofer

Horst Seehofer gilt in Bayern als „a Hund“ mit den sieben Leben einer Katze. Er war schon mal abgemeldet in der CSU und Jahre später ihr Retter, stand nach der Bundestagswahl auf Abschuss und kehrt als Held der Jamaika-Sondierung nach München zurück. Die Konstante in alledem ist die Fähigkeit, sich auch in sumpfigstem Gelände Schritt um Schritt wieder auf festen Grund vorzuarbeiten. Wenn seine Gegner zur gleichen Zeit im Morast umhertapsen – umso besser.

Am Donnerstag in der Landtagsfraktion wird er also gern berichten, wie die CSU in Berlin unter seiner Führung keine Kernforderungen geopfert und trotzdem die Grünen so gut wie bündnisreif verhandelt hat. Dazu wird es ein paar zornige Seitenbemerkungen an die Adresse all derer geben, die die vereinbarte Friedenspflicht zur Zukunft der Partei gebrochen haben.

Ob die Fraktion es damit bewenden lässt, ist offen. Sie ist Markus Söders Bastion. Etliche Abgeordneten müssen bei der Landtagswahl im Herbst um ihre Sitze fürchten. Allerdings können sie den Spitzenkandidaten nicht nominieren, sondern nur hinterher zum Regierungschef wählen. Das Vorschlagsrecht für Spitzenämter liegt beim Parteivorstand, dem Seehofer am Abend seinen Zukunftsplan erläutern will. Dort ist die Zahl der Söder-Freunde überschaubar.

Die Wetten gingen dahin, dass sich der 68-Jährige beim CSU-Parteitag im Dezember erneut um den Vorsitz bewerben will – die Ungewissheiten in Berlin kommen ihm als Grund gerade recht – und für die Spitzenkandidatur keine Kandidaten, sondern ein Verfahren vorschlägt. Allerdings würde selbst ein Basis-Votum über mehrere Anwärter nicht alle Probleme lösen. Siegt Söder, bleiben seine Gegner trotzdem da; verliert er, bleibt dem Sieger der Söder.

Markus Söder

Jeder weiß, dass er will, der Franke Markus Söder hat das aber noch nie offen ausgesprochen. Seine Ambitionen hat der gelernte Radiojournalist immer nur in mal witzigen, mal bösen Randbemerkungen deutlich gemacht. Den Rest besorgten seine Unterstützer. Horst Seehofer hat den Dauer-Brutus wegen „Schmutzeleien“ abgemahnt, was dem aber wurscht war. Legendär sind die Scheinfriedensschlüsse in der Staatskanzlei zwischen dem Chef und dem Heimat- und Finanzminister. Zuletzt ließ Markus Söder durchstechen, dass er auf den Parteivorsitz verzichten könne, ihm reiche die Spitzenkandidatur – mithin das wichtigere Amt. Seit dem miserablen Ergebnis der Bundestagswahl war der 50-Jährige bester Hoffnung. Das Jamaika-Scheitern passt ihm dagegen schlecht ins Konzept, weil es Seehofer Gründe liefert zu bleiben. Söder kann sich stark auf die Landtagsfraktion stützen, hat aber im ganzen Land neben einer Schar scharfer Gegner eine beachtliche Anhängerschaft. Das wurde zuletzt bei der Jungen Union deutlich. Eine gewisse Dreistigkeit hat in Bayern ja noch keinem geschadet, sondern gilt in der CSU-Folklore im Gegenteil als Ausweis von Durchsetzungsfähigkeit. Allerdings muss der Guerillakämpfer irgendwann wohl auf das offene Schlachtfeld treten, will er nicht als ewiger Heckenschütze abgestempelt werden.

Ilse Aigner

Warum nicht eine Landesmutter? Politisch nicht unbedingt ein Schwergewicht, kann die 52-jährige Ilse Aigner neben bayerischem Charme noch mit einem weiteren Pfund wuchern: Sie ist Chefin des mitgliederstärksten CSU-Bezirksverbands Oberbayern. 2013 holte Horst Seehofer die Bundesministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz nach Bayern – um sie dort gegen seinen allzu resolut gewordenen Rivalen Markus Söder aufzubauen. Was nicht so ganz klappte: Unter ihrem übermächtigen Chef fehlte der Wirtschaftsministerin der Raum zur Profilierung. Umso überraschender, dass Ilse Aigner sich nun selber als mögliche Regierungschefin ins Spiel bringt. Um gegen den gut vernetzten Söder eine Chance zu haben, schlug sie nie da Gewesenes vor: ein Mitgliedervotum. Die Idee ist so raffiniert, dass sie von Seehofer stammen könnte. Das Söder-Lager reagierte entsprechend gereizt. Brüskierung der Landtagsfraktion, lautete der Vorwurf. Und parteischädigendes Verhalten – „weil nicht irgendwelche Möchtegerns Ministerpräsident werden können“. Angst vor der Basis macht sich für eine Partei, die mehr Bürgerbeteiligung einfordert, allerdings nicht so gut.

Alexander Dobrindt

Dass er jetzt schon als Parteichef gehandelt wird, findet der Oberbayer Alexander Dobrindt bestimmt nicht ehrenrührig. Vom Generalsekretär über den Bundesmautminister bis zum CSU-Landesgruppenchef hat es der 47-Jährige ja schon gebracht. Der Vorsitz der Abgeordneten im Bundestag gilt oft als schönstes Amt der CSU – eine Idealkombination aus Macht und Freiheit. Aber Chef ist noch mehr Macht. Alexander Dobrindt hat früh und richtig kalkuliert, dass Horst Seehofer seinen Amtsverzicht für 2018 nicht ernst meinte, und fest auf seinen alten Förderer gesetzt. Seine Berserker-Auftritte gegen die Grünen während der Sondierungen schürten allerdings den Verdacht, dass er sich daheim als harter Hund empfehlen wollte – und zwar gegebenenfalls auch für eine Zeit nach Seehofer. Trotzdem ist der Mann mit der gelegentlichen Vorliebe für sehr modische Sakko-Kombis in Bayern noch nicht so prominent, dass der Vorsitz der Quasi- Staatspartei auf ihn zulaufen würde. Andere haben ältere Rechte; Chancen hätte er nur im Bündnis mit Konkurrierenden. Strategisch und taktisch denken kann der studierte Soziologe. Aber noch gilt er nur als Mitspieler, nicht als Hauptfigur.

Manfred Weber

Der 45-Jährige Manfred Weber ist der Anti-Söder schlechthin. Sachorientiert, unaufgeregt, vielleicht sogar ein bisschen langweilig – was auch daran liegen mag, dass der Niederbayer mit dem schütteren Haar das spröde und für CSU- Karrieren bislang wenig förderliche Thema Europa beackert. Allerdings ist in der Partei seit der vergeigten Europawahl der Hohn über die „EU-Flaschen“ verstummt – und Manfred Weber im EU-Parlament zum Politstar aufgestiegen. Als EVP-Chef führt er dort seit drei Jahren die stärkste Fraktion. Und hält auch zu Hause schon mal gegen. Als sein Parteifreund Alexander Dobrindt den EZB-Chef als „Falschmünzer“ beschimpfte, fühlte er sich an die FPÖ erinnert. Als sie in der CSU über die Flüchtlingskanzlerin herfielen, gab er den Merkel-Versteher. Weber könnte Parteichef werden. Doch ginge das von Brüssel aus? Ist er für die CSU dort nicht zu wichtig, um ihn abzuziehen? Hat er für einen Parteichef nicht zu wenig Schmackes? Und will er überhaupt? Er fühle sich in seinem Job momentan sehr wohl, sagt der Vielgelobte. Aber man solle „niemals nie sagen“. Was man sich freilich kaum vorzustellen vermag: Dass er in einer Doppelspitze mit Söder könnte.

Joachim Herrmann

Der Gemütsriese Joachim Herrmann ist so etwas wie der Dauer-Joker der pragmatischen Fraktion der CSU. Als langjähriger Fraktionschef und Landesinnenminister bekannt und geachtet bildet der 61-jährige Franke den charakterlichen Gegenpol zu seinem Landsmann Markus Söder. Dazu passte die unauffällige Art, mit der er seine Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl wahrnahm, die im besten Fall in einen Bundesinnenminister Joachim Herrmann münden sollte. Als bedachter Ministerpräsident gäbe er aber schon auch ein passables Bild ab, das an die durchaus nicht unglückliche Ära Max Streibl erinnern würde. Der natürliche Kandidat wäre er aber nicht. Gegen Seehofer träte er eh nicht an, wenn der die Spitzenkandidatur selbst beanspruchen sollte. Bei einem Mitgliedervotum könnte ihm aber eine zentrale Rolle zufallen. Denn als dritter Kandidat neben der Oberbayerin Ilse Aigner und Markus Söder könnte er viele Stimmen aus Franken auf sich ziehen, die sonst aus landsmannschaftlicher Solidarität dem Nürnberger Söder zufallen würden. Dem dürfte solch ein Szenario kaum schmecken. Es erinnert nämlich an ein SPD-Mitgliedervotum vor vielen Jahren. Rudolf Scharping wurde dort lachender Dritter gegen den Favoriten Gerhard Schröder.

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