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Bundeskanzler Olaf Scholz mit Robert Habeck und Christian Lindner.

© dpa/Kay Nietfeld

Scholz’ Dreisatz zur Ukraine: Der Bundeskanzler setzt jetzt auf die Ampel-Versöhnung

Der Kanzler will die Ukraine so lange wie nötig unterstützen, nicht selbst Kriegspartei werden und keinen Diktatfrieden akzeptieren. Doch ganz zukleben lassen sich die Wunden der Taurus-Debatte damit nicht.

So viel vorweg: Die Regierungserklärung von Olaf Scholz zum EU-Gipfel sowie die Reaktionen darauf bleiben an diesem Mittwoch ohne einen weiteren Ampel-Eklat. Das allein scheint in diesen Tagen schon eine Nachricht.

Die tiefen Wunden der Debatte um die Lieferung der Langstrecken-Rakete Taurus sind längst nicht geheilt. Der ernsthafte, auch persönlich verletzende Streit um ein mögliches „Einfrieren“ des Krieges im Osten scheint wenigstens dies: für einen Moment eingefroren.

Besonders bei den Grünen scheinen ernsthafte Zweifel zu bestehen an der Ernsthaftigkeit der Beteuerungen aus der SPD, dass man der Ukraine so lange wie notwendig beistehen wolle.

Die Situation in der Ukraine ist zu ernst für Sticheleien und Schuldzuweisungen.

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte den Sozialdemokraten so schon am Dienstagabend bei einem Empfang zum 50-jährigen Jubiläum des Seeheimer Kreises in der Bundestagsfraktion Vorhaltungen gemacht. Es war ein bemerkenswerter Auftritt, zumal als Gast auf einer Jubiläumsfeier.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sprach am Mittwoch nach Scholz im Bundestag. Sie verteidigte die heftig geführte Debatte, die Scholz selbst noch tags zuvor als lächerlich und peinlich bezeichnet hatte. Daran sei überhaupt nichts lächerlich, sagte Dröge. Das sei keine Debatte, die man an irgendeiner Stelle beenden könne.

Grünen-Fraktionschefin gegen das Kanzlermachtwort

Man müsse stattdessen mehr tun für die Ukraine, forderte Dröge. „Das ist am Ende das Mandat, das mich und uns hier verpflichtet, das Richtige zu tun in außenpolitischen Fragen, das Richtige am Ende auch zu tun für den Schutz unseres eigenen Landes“, sagte die Grünen-Politikerin. Ein Parlamentsmachtwort gegen das Kanzlermachtwort.

Scholz hatte zuvor in seiner Rede versucht, die Wogen zu glätten. In einer Art Dreisatz erklärte der Bundeskanzler die deutsche und aus seiner Sicht auch europäische Sichtweise auf das Engagement gegen den russischen Angriffskrieg. Erstens werde man die Ukraine so lange wie nötig unterstützen, zweitens nicht selbst zur Kriegspartei werden und drittens auch keinen russischen Diktatfrieden akzeptieren. Da sei er sich mit seinem „Freund Emmanuel“, dem französischen Präsidenten, einig. Gelächter in der Union, die Zwietracht zwischen den beiden war vielen noch gut im Kopf.

Eine Falschnachricht sorgt für weiteren Ärger

Ist der Bundeskanzler zur Erkenntnis gelangt, dass der erbitterte, öffentliche Ampelstreit am Ende allen Partnern schadet? Dass der Zwist wohl für Amüsement im Kreml sorgen dürfte? Oder spielt die SPD mit verteilten Rollen?

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, warf der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann noch am Morgen „niveaulose und bösartige“ Angriffe vor. In der SPD-Fraktion hatte sich zuvor herumgesprochen, dass Strack-Zimmermann Fraktionschef Mützenich zuvor mit Björn Höcke verglichen hatte, eine mindestens verzerrende Darstellung eines Interviews, das die FDP-Frau gegeben hatte.

Noch am Vorabend hatte Scholz selbst, ebenfalls auf dem Empfang des Seeheimer Kreises, von der Geschlossenheit seiner Partei geschwärmt. „Und deshalb ist schon mein ausdrücklicher Wunsch, dass für die Zusammenarbeit in der Regierung diese Erkenntnisse auch gelten.“ Scholz warb dafür, den „Spirit für die ganze Regierung“ noch einmal neu zu zünden, wie er sagte. Ein Feuerwerk ließ sich am Mittwoch im Bundestag dennoch nicht ausmachen, weder argumentativ noch atmosphärisch.

Grünen-Chefin Ricarda Lang versucht den Ordnungsruf

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang versuchte es am Nachmittag deshalb mit einem Ordnungsruf: „Die Situation in der Ukraine ist zu ernst für Sticheleien und Schuldzuweisungen. Es geht hier nicht um uns und unsere Wahlkämpfe“, schrieb sie auf der Kurznachrichtenplattform X. „Wir unterstützen die Ukraine und müssen Kurs halten, statt uns in Streitereien zu verlieren – um Frieden und Sicherheit in Europa zu schützen.“ Auch im Parlament ist mancher genervt: „Ich verzweifle an diesem Kindergarten“, sagte ein junger SPD-Abgeordneter dem Tagesspiegel.

Scholz fährt also als Kanzler einer zersprengten Koalition nach Brüssel. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) nutzte das am Mittwoch, dankbar für so viel Angriffsfläche. „Wer aber als Bundeskanzler im eigenen Land nicht in der Lage ist, eine Regierung zusammenzuhalten und zu führen, der kann auch die Führungsverantwortung nicht wahrnehmen, die in der Europäischen Union eigentlich von einem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu Recht erwartet wird“, sagte Merz.

Muss nur abwarten: CDU-Chef Friedrich Merz hat leichtes Spiel mit der Ampel-Koalition.
Muss nur abwarten: CDU-Chef Friedrich Merz hat leichtes Spiel mit der Ampel-Koalition.

© Imago/Political-Moments

Erwartet wird bei dem EU-Gipfel eine Debatte unter den Staats- und Regierungschefs darüber, ob die Zinsgewinne eingefrorener russischer Konten für die militärische Unterstützung verwendet werden können. Man hoffe auf eine baldige Einigung unter den 27 EU-Staaten in diesem Punkt, um der Ukraine „sehr schnell“ zusätzliche Unterstützung leisten zu können, hieß es am Mittwoch aus Regierungskreisen in Berlin.

Die russischen Vermögenswerte in Höhe von insgesamt rund 200 Milliarden Euro waren nach dem Beginn des Überfalls auf die Ukraine auf europäischen Konten eingefroren worden. Allerdings wird eine Verwendung der Zinsgewinne aus diesem Vermögen für die Militärhilfe der Ukraine in EU-Mitgliedsstaaten wie Ungarn und der Slowakei skeptisch gesehen. Für einen EU-Beschluss wird Einstimmigkeit benötigt. Aber zumindest das ist Olaf Scholz ja aus Berlin gewohnt: Er wird hart dafür kämpfen müssen.

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