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Eine Person (2.v.r.) wird von Polizisten aus einem Hubschrauber gebracht.

© dpa/Uli Deck

Schlag gegen Reichsbürger-Gruppe: Was die Chefs von BKA, Verfassungsschutz und der Generalbundesanwalt sagen

Der Verfassungsschutzpräsident warnt, dass es sich bei radikalisierten Mitgliedern von Bundeswehr und Sicherheitsbehörden um „mehr als Einzelfälle“ handelt.

Aus Sicht von Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang handelt es sich bei der Radikalisierung von Angehörigen von Bundeswehr und Sicherheitsbehörden um „mehr als Einzelfälle“.

„Aber auf jeden Fall gilt weiterhin, die große überwältigende Masse der Beschäftigten in Sicherheitsbehörden steht wirklich mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetzes“, sagte Haldenwang in den „Tagesthemen“ der ARD angesichts der bundesweiten Terror-Razzia am Mittwoch. Die zerschlagene Vereinigung besaß Verbindungen in die Bundeswehr.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz sprach sich dafür aus, obligatorische Sicherheitschecks bei Einstellungen einzuführen. Zudem sollten aus seiner Sicht Fortbildungen zum Umgang mit Rechtsextremismus in den eigenen Reihen verstärkt und die Meldepflichten verbessert werden.

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Am Mittwoch hatte die Polizei eine den „Reichsbürgern“ zugeordnete terroristische Gruppe zerschlagen, die einen politischen Umsturz in Deutschland geplant haben soll. 22 mutmaßliche Mitglieder der Gruppe sowie drei mutmaßliche Unterstützer wurden festgenommen.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums ist unter den Festgenommenen auch ein Mitglied des Kommandos Spezialkräfte (KSK). Insgesamt stünden drei Bundeswehrsoldaten unter Verdacht.

 Sicherheistbehörden hatten die Lage jederzeit unter Kontrolle.

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang

BKA-Präsident Holger Münch nannte am Mittwochabend im ZDF-„heute journal“ die Zahl von mittlerweile 54 Beschuldigten und sprach von mehr als 150 Durchsuchungen. Bei rund 50 Objekten seien auch Waffen festgestellt worden. Münch ging von weiteren Beschuldigten und Durchsuchungen in den nächsten Tagen aus. Rund 3000 Beamte waren am Mittwoch bei den Razzien im Einsatz.

Laut Haldenwang hatten die Sicherheitsbehörden die „Reichsbürger“-Gruppierung seit dem Frühjahr im Visier und einen recht klaren Überblick über deren Entwicklung und Pläne. Die Planungen seien dann immer konkreter geworden und es seien Waffen beschafft worden, sagte Haldenwang in einem ZDF-„Spezial“.

Genauer Zeitpunkt des geplanten Umsturzes bisher unklar

Er betonte: „Die deutschen Sicherheitsbehörden insgesamt hatten die Lage jederzeit unter Kontrolle. Doch wenn es nach dieser Gruppe gegangen wäre, dann war diese Gefahr schon recht real.“

BKA-Chef Münch sagte, man habe nicht bis zum letzten Moment warten, sondern genug Beweise sammeln wollen, dass es sich um eine terroristische Vereinigung handele. Über den Zeitpunkt des offenkundig geplanten Umsturzes gebe es noch keine Klarheit.

Der BKA-Präsident verwies aber auf einen „Rat“, der Beschlüsse treffe, und einen militärischen Arm, der auch Waffen beschaffe. „Da warten sie nicht bis zum letzten Augenblick. Sondern, wenn das dann klar ist, dann heißt es auch: Zuschlagen.“ Generalbundesanwalt Peter Frank verteidigte den Zeitpunkt der Razzien ebenfalls. Innerhalb der Vereinigung habe es Diskussionen gegeben, ob bestimmte Anlässe von außen nicht Grund zum Losschlagen hätten sein können, sagte Frank in einem ARD-„Brennpunkt“. „Wir gehen davon aus, dass die Personen in der Vereinigung fest entschlossen waren und auch sicher waren, etwas zu tun“, betonte er. Es sei richtig gewesen, jetzt im Dezember zuzugreifen und der Vereinigung ein Ende zu bereiten.

Wir müssen prüfen, wo Demokratie stabil und wehrhaft ist und wo sie es nicht ist.

Konfliktforscher Andreas Zick

Unterdessen forderte der Konfliktforscher Andreas Zick mehr Präventionsprogramme gegen Extremismus aus der „Reichsbürger“- und „Querdenker“-Szene. „Es braucht einen nationalen Strategieplan, der die verschwörungsorientierten Gruppen, 'Reichsbürger' und andere Szenen im Blick hat“, sagte Zick dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bielefeld.

Auch müsse die lokale Zivilgesellschaft gestärkt werden. Zudem mahnte der Konfliktforscher spezielle Ausstiegsprogramme an.

Die neuen extremistischen Szenen und ihre Allianzen müssten systematisch analysiert werden, sagte der Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. „Wir müssen prüfen, wo Demokratie stabil und wehrhaft ist und wo sie es nicht ist.“

Zick sagte, die „Reichsbürger“-Bewegung sei zwar eine radikale Splittergruppe, es gebe jedoch Allianzen bis in die Mitte der Gesellschaft. Auch wenn sie noch so klein seien, würden solche Gruppen „verzögert und unbewusst Einfluss nehmen“. Zudem würden sie an bestehende populäre Meinungen andocken.

Der Terrorismusforscher Peter R. Neumann sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“, die „Reichsbürger“ seien „fähig und willig“, schwere Terroranschläge gegen den Staat zu verüben. Die Entschlossenheit zu möglichen Terrorakten sei in dieser Bewegung durch die Corona-Pandemie so stark gewachsen wie bei keiner anderen Gruppe.

„Sie formulieren am deutlichsten Widerstandsnarrative und behaupten, Recht und Legitimation zu besitzen, um gegen den Staat bewaffneten Widerstand zu leisten“, sagte Neumann. „Und leider besitzen viele von ihnen auch Waffen oder wurden an ihnen trainiert.“

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