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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Exklusiv

„Es wird kein Schreiben geben“: Steinmeier verzichtet auf Glückwunsch an Putin

Vor sechs Jahren hatte der Bundespräsident Putin zur Wiederwahl schriftlich gratuliert. Diesmal verzichtet Frank-Walter Steinmeier darauf.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kein Gratulationsschreiben zu seiner weiteren Amtszeit übermitteln. „Es wird kein Schreiben an Putin geben“, teilte Steinmeiers Sprecherin Cerstin Gammelin am Sonntagabend auf Tagesspiegel-Anfrage mit.

Bereits zuvor ließ Steinmeier ein Statement verbreiten, in dem er erklärte: „Heute denke ich an die Menschen in Russland, die dort für Freiheit und Demokratie kämpfen und in ständiger Gefahr vor Putins Regime leben. Wir vergessen diese Mutigen nicht.“ Vor sechs Jahren hatte Steinmeier Putin zu seiner Wiederwahl gratuliert.

Steinmeier-Sprecherin Gammelin schrieb am Sonntag auf der Plattform X von „sogenannten Präsidentschaftswahlen in Russland“. Das deckt sich mit der Sprachregelung des Auswärtigen Amtes, das am Sonntag, ebenfalls auf X, schrieb: „Die Pseudowahlen in Russland sind weder frei noch fair, das Ergebnis überrascht niemanden.“ Die „Wahlen“ in den besetzten Gebieten der Ukraine seien „null und nichtig & ein weiterer Bruch des Völkerrechts“.

Es bringt nichts, die Legitimität der russischen Wahl anzuzweifeln 

Klaus Ernst (BSW)

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), warf der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) einen „konsequenten Kuschelkurs mit dem Kreml“ vor.

Er bezog sich dabei auf die Äußerungen von BSW-Gruppenvize Klaus Ernst, der im Tagesspiegel eine Anerkennung des Ergebnisses der russischen Wahl verlangt hatte. „Es bringt nichts, die Legitimität der russischen Wahl anzuzweifeln“, sagte Ernst. „Damit beraubt man sich nur eines eigenen Einflusses.“ Putin sei und bleibe Präsident, „es gibt in Russland keine Alternative zu ihm. Im Zweifel werden wir eines Tages wieder mit ihm verhandeln“, sagte Ernst. Man solle nicht so tun, als sei die Wahl „völlig bedeutungslos. Der Westen hat Russland immer wieder falsch eingeschätzt.“ Ernst sagte Putin ein „sehr gutes Ergebnis“ voraus.

Vier Jahre nach der Krim-Annexion gratulierte Steinmeier Putin noch zur Wiederwahl

Steinmeier hatte Putin nach der letzten Präsidentschaftswahl 2018, also vier Jahre nach der Annexion der Krim und dem Beginn der Destabilisierung in der Ost-Ukraine, gratuliert. Das deutsche Staatsoberhaupt schrieb damals seinem Amtskollegen: „Zur Wiederwahl gratuliere ich Ihnen und den Bürgerinnen und Bürgern der Russischen Föderation und wünsche Ihnen für Ihre neue Amtszeit eine glückliche Hand.“ Von dem Ziel einer „dauerhaften, kooperativen Friedensordnung auf unserem Kontinent“ sei man „heute beunruhigend weit entfernt“, hieß es in Steinmeiers Schreiben laut Pressemitteilung vom 19. März 2018: „Misstrauen, Aufrüstung und ein Klima der Unsicherheit tragen zur Instabilität bei.“

Er hoffe und wünsche sich, schrieb Steinmeier an Putin 2018, „dass es gelingen wird, der Entfremdung auf unserem Kontinent und zwischen den Menschen in Russland und Deutschland entgegenzuwirken, und dass Sie Ihre neue Amtszeit hierfür nutzen. Den Dialog hierzu sollten wir in vertrauensvollem Rahmen fortsetzen.“

Maas und Merkel reagierten distanzierter

Der damalige Außenminister Heiko Maas (SPD) äußerte sich 2018 deutlich kritischer als Steinmeier. „Von einem fairen politischen Wettbewerb, wie wir ihn kennen, kann sicherlich nicht in allen Punkten die Rede sein“, sagte Maas damals. Dass die Wahl auch auf der völkerrechtswidrig annektierten Krim stattgefunden habe, sei ebenfalls nicht akzeptabel. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schrieb Putin einen Tag nach Steinmeier. Zunächst hatte ihr Sprecher Steffen Seibert gesagt, die Kanzlerin habe den Ausgang der Abstimmung „zur Kenntnis genommen“.

Am Sonntagnachmittag standen Hunderte Menschen vor der russischen Botschaft in Berlin an, um ihre Stimme abzugeben. Die Schlange zog sich über die Straßen Unter den Linden, Glinkastraße und Behrenstraße. Diese Straßen rund um das Botschaftsgebäude waren von der Polizei abgesperrt. Bei winterlicher Kälte und Sonne mussten die Menschen stundenlang ausharren, um sich nur langsam dem Botschaftseingang zu nähern.

Vor der Botschaft Unter den Linden gab es Proteste gegen Putin, den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die fingierte Wahl. Die Witwe des Kremlkritikers Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, zählte zu den Wartenden in der Schlange. Mehrfach ertönten „Julia, Julia“-Jubelrufe. Nawalnaja winkte ihren Anhängern zu.

Am frühen Sonntagabend betrat sie die Botschaft, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur beobachtete. Nawalnaja äußerte sich vor der Stimmabgabe nicht zu ihren Beweggründen. Die russische Präsidentenwahl ist, wie schon 2018, von Betrugs- und Manipulationsvorwürfen überschattet. (mit dpa)

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