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Grausame Geschichte. Als die Roten Khmer in Phnom Penh einrücken, jubeln die Menschen. Dann begann der Terror.

© AFP

Rote Khmer in Kambodscha: Ein Prozess rechnet mit den verbliebenen Vertretern des Terrorregimes ab

Heute vor 40 Jahren rückten die Roten Khmer in die Hauptstadt Phnom Penh ein. Dort läuft ein Prozess gegen die letzten lebenden Vertreter des Terrorregimes, das von Pol Pot geführt wurde.

Ein Gerichtsaal in Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas: Zwei sehr alte Männer sitzen hier zwei-, manchmal dreimal in der Woche auf der Anklagebank, hinter PC-Bildschirmen und meist mit Kopfhörern auf den Ohren. Dass sie sich moderner Technik bedienen, um ihrem Prozess zu folgen, wirkt fast wie ein Treppenwitz der Geschichte, denn Nuon Chea (88) und Khieu Samphan (83) waren Teil des Terrorregimes der Roten Khmer, die jeden technischen Fortschritt strikt ablehnten und Kambodscha ins Mittelalter zurückwarfen. Am 17. April 1975 marschierten die Roten Khmer mit ihrem Anführer Pol Pot in Phnom Penh ein, vertrieben die USA-freundliche Regierung und regierten genau drei Jahre, acht Monate und 20 Tage. Es war eine Zeit des Schreckens, die am ehesten noch mit dem Terror des „Islamischen Staates“ im Nahen Osten zu vergleichen ist.

Bis zu zwei Millionen Menschen kamen zwischen April 1975 und Januar 1979 durch Gewalt, Hunger und Krankheiten ums Leben. Pol Pot, auch Bruder Nummer eins genannt, wollte Kambodscha in einen Bauernstaat verwandeln, in dem es weder Geld noch Bildung gab. Er ließ die Städte räumen und zwang die Bewohner zur Feldarbeit aufs Land. Jeder, der auch nur über die rudimentärste Bildung verfügte, galt als verdächtig. Hunderttausende landeten in Folterzentren und endeten auf den Killing Fields, wo sogar Babys brutal ermordet wurden. Als vietnamesische Truppen dem Horror ein Ende machten und die Roten Khmer entmachteten, war rund ein Viertel der Bevölkerung Kambodschas ausgelöscht.

Nach ihrer Vertreibung aus Phnom Penh überzogen die Roten Khmer das Land noch fast zwei Jahrzehnte mit einem blutigen Guerillakrieg. Erst danach kam Kambodscha allmählich zur Ruhe. 2006 begann die juristische Aufarbeitung. Ein Sondertribunal mit kambodschanischen und interantionalen Richtern und Ermittlern, die „Außerordentlichen Kammern in den Gerichten Kambodschas“, wurde eingerichtet. Es soll die letzten noch lebenden Hauptverantwortlichen des Terrorregimes zur Rechenschaft ziehen. Doch die Zeit wird knapp. Der Ex-Außenminister der Roten Khmer, Ieng Sary, starb im Gefängnis, seine Frau, die einstige Sozialministerin Ieng Thirith, musste wegen fortschreitender Demenz aus der Haft entlassen werden. Pol Pot starb bereits 1998.

Nachdem der Kommandant des berüchtigten Phnom Penher Foltergefängnisses S-21 nach einem ersten Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, konzentriert sich nun alles auf Bruder Nummer zwei, Nuon Chea, und Ex-Staatschef Khieu Samphan. Wegen der Fülle der Anschuldigungen und auch weil man fürchtet, sie könnten das Prozessende nicht mehr erleben, wurde das Verfahren gegen die beiden in zwei Teile aufgegliedert. Im vergangenen Jahr wurden sie in einem ersten Prozess bereits zu lebenslänglicher Haft verurteilt, gingen aber in Berufung.

Die Kambodschaner verfolgten die Verfahren noch immer mit großem Interesse, sagt Vanessa Hager. Sie arbeitet an einem Projekt des Forschungs- und Dokumentationszentrums für Kriegsverbrecherprozesse der Universität Marburg mit und war als Prozessbeobachterin in Kambodscha. „Auch aus den Provinzen kommen regelmäßig Besucher ins Gericht“, sagt sie. Insgesamt hätten bisher rund 200 000 Kambodschaner an den Verhandlungen teilgenommen. Mehrere Tausend hätten sich zudem als Nebenkläger registrieren lassen. „Für die Opfer ist es nicht nur wichtig, dass die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden, sondern auch, dass sie als Opfer anerkannt werden.“

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