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RECORD DATE NOT STATED Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, 4.7.2023 Berlin Berlin GER *** Secretary General of the FDP, Bijan Djir Sarai Secretary General of the FDP, Bijan Djir Sarai, 4 7 2023 Berlin Berlin GER

© IMAGO/Bernd Elmenthaler

Reaktion auf EU-Tunesien-Deal : FDP begrüßt Migrationsabkommen – Grüne sind kritisch

Das Abkommen zwischen der EU und Tunesien zur Begrenzung der irregulären Migration stößt in Deutschland auf geteiltes Echo. 

Im Bundestag hat eine Regierungsfraktion dezidiert positiv auf das EU-Tunesien-Abkommen reagiert. „Wir brauchen mehr Migrationsabkommen“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem Tagesspiegel. „Für Deutschland, Europa und Tunesien ist das eine Win-win-Situation. Für uns erhöht es die Chance, die irreguläre Migration zu reduzieren und nicht bleibeberechtigte Personen schneller zurückzuführen“, sagte er.

Die FDP setzt stärker als ihre Koalitionspartner Grüne und SPD auf einen härteren Kurs in der Migrationspolitik. Im Koalitionsvertrag hatten die Regierungsfraktionen eine „Rückführungsoffensive“ vereinbart, um mehr Menschen abzuschieben. Das Vorhaben aber scheitert bislang oft an den Herkunftsstaaten der Migranten, die wenig Interesse daran haben, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen.

Die Grünen hadern mit dem Kurs der Bundesregierung, sie kritisierten den EU-Tunesien-Deal scharf. Der sieht vor, dass Tunesien härter gegen Schlepperbanden vorgeht. Doch der tunesischen Regierung wird immer wieder vorgeworfen, Menschenrechtsverletzungen zu begehen.

Grüne sehen den Deal mit Tunesien besonders kritisch

„Reine Abschottungsmaßnahmen, die rechtsstaatliche Verfahren und Menschenrechte missachten, sind nicht zielführend“, sagte der Obmann im Innenausschuss der Partei, Marcel Emmerich, dem Tagesspiegel. Die Einhaltung der Menschenrechte müsse „oberste Priorität“ haben, es sei aber „zweifelhaft“, ob die tunesische Regierung das berücksichtige. „Nach allem, was man hört, ist das eher ein Abschottungsabkommen als ein Migrationsabkommen“.

Berichten zufolge hatten tunesische Sicherheitsbehörden in den vergangenen Wochen Menschen aus afrikanischen Ländern im tunesisch-libyschen Grenzgebiet ohne Wasser oder Sonnenschutz in der Wüste ausgesetzt. Sie wurden von der libyschen Grenzpolizei gerettet. Es gebe „keine Folgeabschätzung für die Grundrechte“, kritisierte der EU-Abgeordnete Erik Marquardt (Grüne) den Deal, man könne nur von einem „schmutzigen Deal“ ausgehen.

126.000
Asylbewerber kamen zwischen Januar und Mai 2023 nach Deutschland.

Der Europaausschuss-Vorsitzende Anton Hofreiter kritisierte die Kooperation mit dem tunesischen Präsidenten Kais Saied, der in der Vergangenheit mit rassistischen Äußerungen Hass auf Migranten und Flüchtlinge geschürt hatte. „Mit so einem Herrscher ein Abkommen zu schließen, das sowohl humanitär als auch geostrategisch nicht klug ist“, sagte Hofreiter der „Welt“.

Tobias Bacherle, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, kritisierte das Abkommen ebenfalls scharf. „Dass der tunesische Präsident Kais Saied rechtsstaatliche Institutionen aushöhlt und durch rassistische Hetze Menschen zur Flucht zwingt, sollten ein Alarmsignal sein, das ihn als verlässlichen Partner disqualifiziert“, schrieb er in einer Pressemitteilung

Bundesregierung begrüßt Abkommen

Große Folgen dürfte der Protest der Grünen auf das Abkommen nicht haben. Denn die Bundesregierung begrüßte das Abkommen trotz der Bedenken aus der Fraktion der Grünen. Es gebe dafür „volle Unterstützung“, erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Man verbinde damit die Hoffnung, gemeinsam mit Tunesien irreguläre Migration zurückzudrängen.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) war Mitte Juni nach Tunesien gereist, um mit der Regierung vor Ort über ein Migrationsabkommen zu verhandeln. Zwischen Januar und Mai kamen rund 126.000 Asylbewerber nach Deutschland, viel mehr als im Vorjahreszeitraum; 2022 beantragten insgesamt etwa 218.000 Menschen Asyl in Deutschland. Außerdem leben gut eine Million Ukrainer in Deutschland. Die Kommunen sind an ihrer Belastungsgrenze.

Tunesien ist ein wichtiges Transitland für Migranten, die die Überfahrt über das Mittelmeer wagen. In Italien wurde in diesem Jahr bereits die Ankunft von rund 75.000 Flüchtlingen und Migranten registriert, nach weniger als der Hälfte im Vorjahreszeitraum. Mehr als 44.000 von ihnen stachen von Tunesien aus in See. Der Vereinbarung mit der EU zufolge soll Tunesien nun stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen, was Europa mit rund 100 Millionen Euro unterstützen will. Insgesamt stellt die EU im Rahmen der Vereinbarung Finanzhilfen im Umfang von etwa 900 Millionen Euro in Aussicht, die die wirtschaftliche Entwicklung stützen sollen. (mit Agenturen)

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