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Markus Söder beim Politischen Aschermittwoch der CSU 2023 in der Dreilanderhalle in Passau.

© IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON / Bearbeitung Tagesspiegel

Politischer Aschermittwoch: Wer macht dabei eigentlich wen zum Gespött?

Jährliches Spektakel oder wichtiger Beitrag zur politischen Willensbildung. Ist der Politische Aschermittwoch noch zeitgemäß? Drei Meinungen.

Eingeübtes, auf die Dauer ermüdendes Ritual oder wichtiger Beitrag zur politischen Debatte in diesem Land? Über Sinn und Unsinn des jährlichen Spektakels namens Politischer Aschermittwoch streiten sich die Geister schon seit langem. Nichtdestotrotz werden auch diesen Mittwoch Spitzenpolitiker aller Parteien die eigene Basis in bayrischen Bierzelten aufsuchen und sich in ihren Redebeiträgen am politischen Gegner abarbeiten – selbst wenn sie mit ihm eine Koalition bilden.

Zwei Kabarettprofis und ein Politischer Korrespondent beantworten an dieser Stelle die Frage, wer sich dabei eigentlich wirklich zum Gespött macht. Alle anderen Teile unser Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.


Söder gegen Aiwanger könnte interessant werden, aber nicht intelligent

Selbst in der eigenen Partei hat man erkannt, dass Hubert Aiwangers offensichtlich angeborenes, rechtslastiges Körperwippen auf ein Umfallen hinauslaufen könnte! In seiner Rede wird er mit hochrotem Kopf, berauscht von seiner eigenen Rhetorik, kleingeistig den kleinen Mann befeuern und giftig gegen die Ampel hetzen. Intelligent wird die Rede sicher nicht werden, elegant schon gleich gar nicht, aber interessant! Ob er die Balance zwischen Populismus und Verantwortung schafft, ist fraglich.

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Markus Söder hingegen ist in der misslichen Situation, dass Aiwanger ihn mit seinem Erfolg dreist und frech herausfordert. Doch Söder braucht ihn zum Regieren. Es bleibt spannend, wie es in der Koalition weitergeht. Traut sich Söder seinem Koalitionspartner am Aschermittwoch den Fehdehandschuh hinzuschmeißen? Grund genug hätte er! Nötig wäre es auch! Ich fürchte aber, da wird sich Söder nicht trauen und ebenfalls nur fleißig gegen die Ampel schießen. Wenn nicht: Dann könnte es am Politischen Aschermittwoch richtig krachen. Höchste Zeit wäre es, dass sich Söder und die CSU klar gegen jede rechte Gesinnung bekennen und schon gleich gar nicht in der eigenen Koalition dulden.


Das Spektakel fördert eher politischen Unwillen

Aschermittwoch! Da verziehen sich unsere bezahlten Politikprofis in die bajuwarische Provinz. Viel Bier fließt. Während die Politiker behaupten, dem Wahlvolk reinen Wein einzuschenken.

Alle sind sie da. Selbst die regierende Splitterpartei FDP zündet ihre größte rhetorischen Granate: Marie-Agnes Strack-Zimmermann landet in Dingolfing! Die will nach der Europa-Wahl in Brüssel landen. Als fleischgewordene Eurofighterin. Platzhirsch Söder wird - wie schon im letzten Jahr - voll gegen die Ampel fahren. Nanu? Ist die Ampel nicht bereits kaputt? Davon zehrt ja die AfD! Jeder kennt doch die Regel: Wenn die Ampel kaputt ist, gilt Rechts vor Links. Nur eine Partei ist nicht dabei: „Die Partei“. Sie fordert ein AfD-Verbot. Aber auch ein Verbot der anderen Parteien. Damit sie freie Bahn hat. Sehr schlau!

Parteien werden von unseren Steuergeldern finanziert, weil sie bei der politischen Willensbildung mitwirken. Das Geld müsste ihnen entzogen werden. Parteien wirken eher daran mit, dass sich politischer Unwillen bildet. Vielleicht kommt eine ganz andere Herausforderung aus der Provinz: Der Bauer sucht Stau. Stehen wir vor neuen Bauernkriegen?


Mit diesem Ritual schadet sich die Politik nur selbst

Das Drehbuch beim Politischen Aschermittwoch ist strikt: Viel Bier, schlechte Luft und verbale Ohrfeigen. CDU-Chef Merz wird gegen den Kanzler austeilen, FDP-Chef Lindner gegen die Grünen sticheln und die CSU gegen alle in Berlin pöbeln. Je schärfer, desto lauter der Applaus.

Doch der Bierzelt-Zirkus geht am Puls der Republik vorbei. Bundesweit gehen Hunderttausende auf die Straßen, um für die Demokratie zu demonstrieren. Zu der gehört zweifelsfrei auch das rhetorische Gefecht. Doch wenn die Verhöhnung des politischen Mitbewerbers zum Selbstzweck wird, schadet die Politik ihrem eigenen Ruf. Im Bundestag bezeichnete Merz den Kanzler als „Klempner der Macht“. Scholz keilte zurück, Merz sei eine „Mimose“. Der Ton ist rau geworden, wieso braucht es da einen Aschermittwoch, wo auf Kommando über die Konkurrenz gelästert wird?

Die Krisen sind groß. Die deutsche Wirtschaft schwankt, der Ukraine droht eine Niederlage, die Erderwärmung schreitet ungebremst voran. Wem in dieser Zeit nichts Besseres einfällt, als im Bierzelt über Menschen herzuziehen, die nach politischen Lösungen suchen, macht am meisten sich selbst zum Gespött.

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