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Treffen von Palmer und Wagenknecht am 18.9.2023 in Berlin, dokumentiert bei Instagram.

© Instagram/Screenshot: Tagesspiegel

Palmer über Treffen mit Wagenknecht: „Ich trete jetzt bestimmt nicht gleich der nächsten Partei bei“

Mitten in Berlin trafen sich Sahra Wagenknecht und Boris Palmer. Wie kam es dazu? Und was denkt der Tübinger OB und Ex-Grüne über eine mögliche neue Partei der Linken-Politikerin? Ein Gespräch.

Herr Palmer, Sie haben sich am Montag im Berliner Café Einstein mit Sahra Wagenknecht getroffen. Wie kam es dazu?
Wir haben schon seit Jahren versucht, miteinander zu sprechen. Wir sind uns zwar ein paar Mal begegnet, aber ein persönliches Gespräch hat sich noch nie ergeben. Jetzt war mein Besuch in Berlin eine passende Gelegenheit und ich habe einfach in ihrem Büro angefragt. 

Frau Wagenknecht erwägt, eine neue Partei zu gründen. Haben Sie darüber gesprochen.
Wir haben Vertraulichkeit vereinbart. Ich kann sagen, dass wir ausschließlich über politische Themen gesprochen haben, etwa wie wir den Zustand der deutschen Politik im Herbst 2023 bewerten.

Wie blicken Sie denn aktuell auf das Land?
Finanziell stehen wir vor schweren Zeiten, ganz besonders die kommunalen Haushalte fahren gegen eine Wand. Viele unserer Systeme sind bis an die Grenze belastet oder schon überlastet, und das meine ich nicht nur mit Blick auf die Migration.

Der Wohnungsbau ist kollabiert, eine überbordende Bürokratie lähmt uns, es fehlen Kita- und Schulplätze und viele Ausländerbehörden stehen angesichts des Flüchtlingszustroms vor dem Kollaps. Vor manchen wird schon campiert, damit man einen Termin bekommt.

Sie sprachen nach Ihrem Treffen mit Frau Wagenknecht von einer „klugen Gesprächspartnerin“. Meinen Sie damit etwa ihre Haltung zu Wladimir Putin?
Bei der Frage der Waffenlieferung trennen uns Welten. Vor allem bei der Migrations- und der Identitätspolitik sehen wir die gleichen Probleme.

Ich muss aber mit meinen Gesprächspartnern doch nicht politisch immer übereinstimmen. Wenn ich etwas an Sahra Wagenknecht besonders gut finde, dann, dass sie ihre Standpunkte schlüssig und klar vortragen kann und stets auf Argumente stützt.

Das macht eine sachliche Auseinandersetzung spannend. Inhaltlich kann ich ja trotzdem Quatsch finden, was Frau Wagenknecht fordert. Demokratie braucht diesen Streit der Auffassungen. Wir schaden uns, wenn wir alles moralisieren und Politik ins Religiöse treiben.

Ich sehe eine Lücke im Parteiensystem, allerdings an einer anderen Stelle als Sahra Wagenknecht.

Boris Palmer, Ex-Grüner und jetzt parteilos

Welches Potenzial würden Sie einer Partei von Wagenknecht zutrauen?
Ich lese auch nur die Umfragen, in denen von einem zweistelligen Potenzial die Rede ist. Die Partei von Wagenknecht ist noch ein ungelegtes Ei. Es kommt darauf an, welches Programm eine solche Partei hätte und wer neben Sahra Wagenknecht noch mitmachen würde. 

Hat Frau Wagenknecht Sie gefragt?
Wir haben über die Frage nicht gesprochen. 

Würde Sie das reizen?
Ich war 27 Jahre Mitglied bei den Grünen. Die Trennung war wohl nicht mehr zu vermeiden, aber ich trete jetzt bestimmt nicht gleich der nächsten Partei bei. Ich sehe eine Lücke im Parteiensystem, allerdings an einer anderen Stelle als Sahra Wagenknecht.

Wie in der Schweiz könnte es auch hier zwei Grüne-Parteien geben: Grün-Links und Grün-Liberal beziehungsweise Grün-Konservativ. Da wäre ich dann zu Hause.

Ich wünsche mir aber keine zweite Grüne-Partei, denn das würde den Kampf für die Ökologie schwächen. Und für mich stehen Ökologie und Klimaschutz einfach an erster Stelle. 

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