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Viele Erinnerungslücken - im August gab Olaf Scholz vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss nur sehr begrenzt Auskunft.

© Christian Charisius/dpa

Olaf Scholz gibt Geheimprotokoll frei: Der Streit um die Kanzlerworte zu Cum-Ex

Die politischen Gegner sehen Olaf Scholz der Lüge überführt, seine SPD keinen Widerspruch zu Aussagen vor dem U-Ausschuss. Was hat der Kanzler gesagt?

Lange war das Dokument Verschlusssache. Diese Woche nun ist das Protokoll dessen, was am 1. Juli 2020 in der Sitzung des Finanzausschusses des Bundestags besprochen wurde, an die Parlamentarier verschickt worden und damit zugänglich. Und die politische Auseinandersetzung über die richtige Deutung des Gesagten tobt bereits.

Auf der Tagesordnung stand vor zweieinhalb Jahren einzig ein „Gespräch mit dem Bundesminister der Finanzen, Herrn Olaf Scholz, zum Umgang mit Steuerrückforderungen / Cum-Ex-Geschäften“, wie es in dem Papier heißt.

Es geht um die Betrügereien mit fälschlicherweise zurückerstatteten Kapitalertragssteuern, die den Staat Milliarden kosteten. In Scholz’ Fall soll er die Frage beantworten, ob er als Hamburger Bürgermeister die Finanzverwaltung zum Verzicht auf eine nachträgliche Steuereintreibung in Höhe von 47 Millionen Euro bei der Warburg Bank gedrängt hat. Treffen mit deren Chef Christian Olearius stehen im Zentrum des Interesses.

Angeblich schon immer für eine Veröffentlichung

Der heutige Kanzler gab am 1. Juli 2020 bereitwilliger Auskunft als in seiner ersten Befragung vom März 2020 - wegen der geheimen Einstufung, um die Scholz gebeten hatte, weil das Steuergeheimnis der Bank berührt sei.

Auf Transparenz drang die Opposition bereits kurz nach der Sitzung. Zuletzt holte der Finanzausschussvorsitzende Alois Rainer (CSU) die Zustimmung aller Personen ein, auch die der Banker. Offenbar der Meinung, dass ihn das Protokoll entlasten könne, widersprach auch Scholz nicht. Man könne dies, so ein Regierungssprecher gegenüber dem Tagesspiegel, hinsichtlich der Person des Bundeskanzlers bestätigen. Im Kanzleramt wird es zudem so dargestellt, dass die Geheimniskrämerei nur dem Steuergeheimnis anderer geschuldet war und Scholz von Anfang eine Veröffentlichung befürwortete.

Tatsächlich sind dem Protokoll keine neuen Enthüllungen in der Sache zu entnehmen. So will Scholz die Cum-Ex-Geschäfte „von Anfang an“ für rechtswidrig gehalten und später im Bundesfinanzministerium Steuerrückforderungen „hohe Priorität“ eingeräumt haben. Dass die Finanzbehörde an seiner früheren Wirkungsstätte das Verfahren erst verjähren zu lassen schien, lag Scholz zufolge nur an der Meinungsverschiedenheit, „ob die Tatsachen für eine Verjährungsunterbrechung ausreichen würden“.

Und der Bankchef habe bei den Treffen natürlich „keine Auskünfte über seine Einschätzung“ bekommen: „Er habe sich lediglich die Sicht der Dinge von Christian Olearius angehört.“ Daher gab es laut Scholz auch keinen Druck auf die Finanzbehörde, sondern „eine knallharte Trennung“.

47
Millionen Euro betrug die Steuerschuld der Warburg Bank, die Hamburg erst auf Druck aus Berlin hin eingetrieben hat

Heikel ist dagegen der Vergleich mit den Aussagen des Kanzlers vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss Mitte August. „Das Protokoll der Geheimsitzung“, so der CDU-Finanzpolitiker Olav Gutting, „zeigt ganz klar, dass sich Olaf Scholz damals sowohl an die Treffen wie auch deren Inhalt erinnerte.“ Dies stehe im eklatanten Widerspruch zu seinen Erinnerungslücken vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss.“ Das gipfelt im Vorwurf der „Falschaussage“.

Von „Falschaussage“ bis „kein Widerspruch“

Der SPD-Abgeordnete Michael Schrodi liest das Protokoll ganz anders und sieht keinen Widerspruch zu den Kanzlerworten in Hamburg. „Olaf Scholz gibt wieder, was Presse über Treffen berichtet“, so der Abgeordnete, der damals ebenfalls an der Sitzung teilnahm: „Aber nicht, dass er Treffen oder Inhalt erinnert.“ Tatsächlich existieren Stellen wie jene, dass Olearius’ Sichtweise und dessen Tagebucheinträge zu den Treffen inzwischen „pressebekannt“ seien.

Das wiederum glaubt Fabio de Masi widerlegen zu können. Damals als Linken-Bundestagsabgeordneter einer der Hauptwidersacher von Scholz verweist er auf eine Passage, in der Scholz ohne vorangegangenen Presseverweis damit zitiert wird, dass mit Olearius „über viele Dinge gesprochen“ worden sei und er dessen Tagebucheinträgen nichts hinzufügen könne: „Dies entspreche seinem Wissen in dieser Frage.“

So kommt auch de Masi zum klaren Urteil: „Wie in der CDU-Spendenaffäre Helmut Kohl müsste jetzt auch Olaf Scholz von der Staatsanwaltschaft vorgeladen werden, da er im Hamburger Untersuchungsausschuss behauptete keine Erinnerungen mehr zu haben, im Bundestag aber konkrete Erinnerungen an ein Gespräch schilderte.“

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