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Ökonom mit Zuhörern. Guntram Wolff leitet das Forscherteam des Bruegel-Instituts. Der Deutsche löste 2013 den Gründungsdirektor Jean Pisani-Ferry ab.

© photos vivianhertz.be

Brüsseler Denkfabrik Bruegel: Konzepte für die Kassenwarte

Die Denkfabrik Bruegel hat sich einen Ruf als unabhängiger Ratgeber in Finanzfragen aufgebaut – auch über die EU-Hauptstadt hinaus.

In dieser Woche hat Guntram Wolff wieder einmal seinen Auftritt vor den EU-Finanzministern. Wolff soll beim informellen Treffen von Wolfgang Schäuble, Yanis Varoufakis und Co. am Samstag in Riga erklären, was er von der geplanten europäischen Kapitalmarktunion hält, mit der demnächst mehr privates Kapital in Investitionsprojekte geschleust werden soll. Der deutsche Ökonom Wolff hat schon Übung darin, den Kassenwarten seine Sicht auf Europas Wirtschaftspolitik darzulegen. So sprach er vor den Finanzministern im vergangenen September in Mailand über eine EU-weite Arbeitslosenversicherung.

Guntram Wolff ist Direktor des Bruegel-Instituts, das seinen Sitz am Rande des Brüsseler Europaviertels hat. Die Wortschöpfung Bruegel, die an den flämischen Maler erinnert, steht für „Brussels European and Global Economic Laboratory“. Aber es ist nicht das hübsche Wortspiel, das der wirtschaftswissenschaftlichen Denkfabrik eine besondere Stellung unter den mehr als 50 wichtigsten Thinktanks in der EU-Hauptstadt eingebracht hat. Wenn die Finanzminister und andere Entscheider Guntram Wolff zuhören, dann liegt das vor allem am Ruf der Unabhängigkeit, den das Institut genießt.

Hinter manchen Brüsseler Denkfabriken verstecken sich nämlich knallharte Lobbyisten, und von diesen schwarzen Schafen versucht sich das Bruegel-Institut nach Kräften abzusetzen. „Unsere Aufgabe ist es, unabhängige Politikempfehlungen zu geben“, sagt Wolff.

Transparenz bei Geldgebern

Wenn es darum geht, die Geldgeber zu nennen, dann ist das Bruegel-Institut um Transparenz bemüht wie nur wenige Denkfabriken. Im Jahresbericht für 2013 lässt sich nachlesen, dass die jährlichen Gesamteinnahmen des Instituts knapp unter vier Millionen Euro lagen. Detailliert werden die Finanzquellen aufgelistet, zu denen auch Großunternehmen wie die Deutsche Bank, die Deutsche Telekom, Ebay und der französische Stromriese EDF gehören. Diese Mitglieder zahlen einen jährlichen Beitrag von je 50 000 Euro. Seine Unabhängigkeit verdankt das Bruegel-Institut aber einem Mix aus öffentlichen und privaten Zuwendungen. Deutschland zahlte im vergangenen Jahr einen Beitrag von 199 218 Euro, genauso viel wie Frankreich. Die Beiträge der Staaten machen knapp die Hälfte der Einkünfte des Instituts aus. Dennoch ist Bruegel alles andere als ein Sprachrohr von Mitgliedsländern. Häufig gehen die Analysen der Denkfabrik mit ihrem festen Stamm von 15 Leuten und mehr als 40 zusätzlichen Forschern mit der in den Regierungszentralen formulierten EU-Politik sehr kritisch um. So forderte der Thinktank schon Ende 2010 einen Schuldenschnitt für Hellas. Damals wollte Wolfgang Schäuble noch nichts davon wissen. Der Schuldenschnitt für private Gläubiger kam aber trotzdem, im Jahr 2012. „Da wurde viel Zeit vergeudet“, kommentiert Wolff.

Ökonom Pisani-Ferry wirkte als Gründungsdirektor

Dass die Expertise von Bruegel auch über Brüssel hinaus wahrgenommen wird, ist nicht zuletzt dem Franzosen Jean Pisani-Ferry zu verdanken, der das Forscherteam nach der Gründung des Instituts im Jahr 2004 bis 2013 leitete, bevor ihm sein damaliger Vize Wolff als Direktor nachfolgte. Der Ökonom Pisani- Ferry, der heute die französische Regierung berät, etablierte das Institut als einen Ort, der lebhafte interne Debatten zulässt. So wurde Bruegel zu einem Platz, wo sowohl die Verfechter eines Sparkurses als auch die Freunde von Konjunkturprogrammen zu Wort kommen. Zudem haben Wolff und sein Forscherteam nicht nur das große Ganze der europäischen Wirtschaftspolitik im Blick, sondern auch die Feinheiten des Brüsseler Räderwerks. So belegte vergangene Woche eine Studie des Instituts, dass es vor allem Deutsche sind, die an den Schaltstellen in der EU-Kommission sitzen.

Allerdings hat der Einfluss von Bruegel auf die Tagespolitik auch klare Grenzen. Zum Dauerbrenner Griechenland haben die EU-Finanzminister noch nie einen Experten einer Denkfabrik während eines Treffens der Ressortchefs hinzugebeten. „Beim Thema Griechenland geht es um eine politische Debatte, da braucht man keinen wissenschaftlichen Input“, heißt es im Umfeld der Euro-Gruppe. Wolff sieht das etwas anders. „Die Politik hat in Griechenland signifikante Fehler gemacht“, sagt der 40-Jährige, „deshalb kann man auch argumentieren, dass akademische Ratschläge auch in diesem Punkt sinnvoll sind.“

Dieser Text erschien in Agenda, dem Politik-Journal des Tagesspiegels.

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