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Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz macht die Bundesregierung für das AfD-Umfragehoch verantwortlich (Archivbild).

© IMAGO/Bernd Elmenthaler

Update

„Kontakt zur Bevölkerung verloren“: CDU-Chef Merz macht Bundesregierung für AfD-Hoch verantwortlich

Die AfD ist in Umfragen zweitstärkste Partei. Nun rückt Merz von seiner 2019 getroffenen Aussage ab, er traue sich zu, als CDU-Chef die Wählerschaft der AfD halbieren zu können.

| Update:

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat seinem Generalsekretär Mario Czaja den Rücken gestärkt. Zu Spekulationen über eine mögliche Ablösung Czajas sagte Merz dem Nachrichtenportal „t-online“: „Das wird nicht passieren. Er macht sehr gute Arbeit.“ Der Parteichef riet: „Hören Sie ihm zu, er hat viel zu sagen.“

Mit Blick auf die Schlagkraft der Parteizentrale betonte Merz: „Ich will aus dem Konrad-Adenauer-Haus nicht hören, wogegen wir sind.“ Er wolle nur noch hören, wofür die Partei sei. „Wir sind für einen Klimaschutz, der Wohlstand schafft. Wir sind für eine technologieoffene und sozialverträgliche Wärmewende und wir sind für mehr Chancengerechtigkeit für Kinder, gerade für solche, die es schwerer haben.“

Die Union ist in Umfragen derzeit deutlich stärkste Kraft. Von der Unzufriedenheit vieler Menschen mit der Arbeit der Ampel-Koalition profitiert derzeit vor allem die AfD, die steigende Umfragewerte verzeichnet. Sie steht hier bei 18 bis 20 Prozent und ist damit ähnlich stark wie die Regierungspartei SPD.

Wenn die Politik der Bundesregierung die AfD jetzt eher wieder stärkt, dann kann die Opposition sie nicht halbieren.

CDU-Vorsitzender Friedrich Merz

Für das Umfragehoch der AfD machte Merz die Bundesregierung verantwortlich. „Wenn die Politik der Bundesregierung die AfD jetzt eher wieder stärkt, dann kann die Opposition sie nicht halbieren“, sagte der Unionsfraktionsvorsitzende. Teile der Regierung würden die Stimmung in der Bevölkerung nicht mehr richtig wahrnehmen und hätten „den Kontakt zur Bevölkerung weitgehend verloren“, kritisierte Merz.

Im November 2018 hatte der damalige Bewerber auf den CDU-Vorsitz gesagt: „Das traue ich mir zu, die AfD zu halbieren – das geht.“ Diese Formulierung würde er heute nicht mehr wiederholen, sagte Merz im „t-online“-Interview.

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„Eine ,Zauberformel’ war das nie, sondern eine Einschätzung vor vier Jahren“, sagte der CDU-Chef. Seinen Anspruch habe er damals unter völlig anderen Umständen formuliert – und seit vier Jahren nicht mehr wiederholt: „Das ist die Lage heute – und ich habe keine Freude daran“, betonte der CDU-Vorsitzende.

Der AfD will Merz mit einem „klaren Kurs mit Maß und Mitte“ entgegentreten. „Wir treten in keinen Überbietungswettbewerb mit anderen, und wir sind auch keine Fundamentalopposition“, sagte er.

Um die Stärke der AfD ging es auch bei einem Treffen von Merz mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, am Donnerstag. Es seien „Sorgen über die steigenden Umfragewerte der AfD und die Notwendigkeit einer starken Brandmauer diskutiert“ worden, teilte der Zentralrat am Donnerstagabend auf Twitter mit.

Schuster und Merz seien sich einig gewesen, „dass es von großer Bedeutung ist, demokratische Werte zu verteidigen und sich gegen jede Form von Extremismus zu stellen“.

SPD-Chef Klingbeil kritisiert Streit der Ampel

SPD-Chef Lars Klingbeil hat den Streit innerhalb der Ampel-Koalition mitverantwortlich für das AfD-Hoch gemacht. „Das ist ein Ausdruck dessen, dass die Menschen verunsichert sind, dass sie besorgt sind, uns auch ein Signal geben wollen. Und natürlich hat der wochenlange Streit in der Ampel damit auch zu tun“, sagte der Co-Vorsitzende der Sozialdemokraten am Freitag im RTL/ntv-„Frühstart“ mit Blick auf neue Umfrageergebnisse, die die AfD bei 19 Prozent sehen.

„Wir haben Unsicherheiten verstärkt und wir haben mit dem öffentlichen Bild dafür gesorgt, dass sich Menschen von uns abgewandt haben.“

Unsicherheit und Empörung über die Politik in Berlin seien aber keine Gründe, eine rechtsextreme Partei zu wählen, sagte Klingbeil. „Das ist kein Ausdruck von Protest, wenn man auf einmal Rechtsextreme wählt, das sind Dinge, die kann man dann nicht mehr schnell korrigieren“, warnte er.

Soziologe Nasseh kann sich Zusammenarbeit von CDU und AfD vorstellen

Jeder müsse sich bewusst machen, dass die AfD Deutschland schade. Sie sei eine „inhaltlich leere Partei“ ohne Ideen für Rente oder Klima, die zudem suggeriere, dass alles bleiben könne, wie es ist. Deutschland müsse sich aber verändern, damit es ein starkes Land bleibe und besser werde.

Der Soziologe Armin Nassehi hält eine Zusammenarbeit von Union und AfD nicht für ausgeschlossen. „Es wird auch eine Frage der Machtchancen sein“, sagte er der in Oberursel erscheinenden Monatszeitschrift „Publik-Forum“.

Dann kommt man vielleicht irgendwann nicht mehr um die AfD herum.

Armin Nassehi, Soziologe

Bislang fehle der CDU eine Machtoption nach rechts, wie sie etwa die SPD mit Grünen und Linken nach links habe, erklärte Nassehi. Dieser Versuchung sei die CDU unter Merz bislang zwar noch nicht erlegen. „Aber vor Ort sieht das anders aus“, sagte er.

Im Osten Deutschlands wählten die Nachbarn oft die AfD: „Das normalisiert sich dann über Alltagsroutinen, und dann kommt man vielleicht irgendwann nicht mehr um die AfD herum.“

Die Gründe für das aktuelle Umfragehoch der AfD sieht Nassehi unter anderem in einer undifferenzierten Elitenkritik. Es sei „ein blindes Misstrauen“ entstanden. Die AfD bestehe zum einen aus Faschisten und Kryptofaschisten, zum anderen aus Leuten, „die ihre Unzufriedenheit als Ressource pflegen“.

Es gehe auch um Bequemlichkeit. Die Welt sei voller Zumutungen, sagte der Soziologe: „Um die Erderwärmung in den Griff zu kriegen, soll man auf Konsum verzichten und mehr Geld fürs Heizen zahlen. All das sind Entscheidungen oder Forderungen, die man den Eliten zurechnen kann, wenn man es sich einfach machen will.“

Elitenkritikern könne man gar nichts recht machen, erläuterte Nassehi. „Diskutiert man mit ihnen, versucht, Sachfragen zu erklären, bestätigt man ihr Weltbild: ‘Ihr wollt uns die Welt nach euren Maßstäben erklären!’“, sagte er. Das habe man in der Corona-Pandemie erlebt, das erlebe man nun bei der Klimadebatte. (dpa, epd)

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