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Pressekonferenz im November: Stephan Weil, Olaf Scholz und Boris Rhein nach den Beratungen im Kanzleramt. 

© dpa/Flashpic/Jens Krick

Kanzler, Länderchefs, Geflüchtete: Olaf Scholz bestimmt die Agenda

Mit der Ministerpräsidentenkonferenz redet der Kanzler am Mittwoch über Flüchtlinge. Das Ansinnen der Union, einen Wirtschaftsgipfel daraus zu machen, hat er abgelehnt.

Der Kanzler hat einiges um die Ohren. In der Koalition beginnt das große Geldverteilen für den Haushaltsplan 2025, in dem noch ein riesiges Loch klafft – 20 bis 35 Milliarden Euro müssen irgendwie aufgetrieben werden.

Der Ukraine-Krieg geht in eine neue Phase, Olaf Scholz ist wegen der von ihm abgelehnten Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern unter Druck. Am Wochenende ist mit der Veröffentlichung eines abgehörten Gesprächs von Bundeswehrgenerälen durch den Kreml zusätzlich Dramatik in das Thema gekommen.

Ist es da noch wichtig, dass Scholz am Mittwoch einen Termin im Kalender stehen hat, der ihm derzeit wohl wenig bedeutet? Zwei Stunden hat der Kanzler der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) eingeräumt. Er kommt sogar zu den Länderchefs, die sich in der hessischen Landesvertretung in Berlin treffen. Das Thema: Migrationspolitik.

Eigentlich sollte es um deutlich mehr gehen als um Flüchtlinge. Nicht zuletzt die Union wollte, dass Scholz sich auf eine wirtschaftspolitische Gipfelbegegnung mit der MPK einlässt. Das Wachstum lahmt, die Ampel ist uneins beim Etat, es geht das Wort vom „kranken Mann Europas“ um – so sollten Maßnahmen zur Abhilfe die Agenda mit dem Kanzler bestimmen.

Scholz wollte nicht

Auch aus der SPD hatte es Mahnungen gegeben, die Koalition müsse hier in die Puschen kommen. Aber Scholz wollte nicht. Wirtschaftspolitik ist nicht das Feld, wo er sich ausgerechnet von den nicht zuständigen Ministerpräsidenten Empfehlungen geben lassen will. So redet die MPK nun unter sich über das Thema.

Der Kanzler ist ohnehin etwas sperrig, was den Umgang mit dem Fähnlein der Ministerpräsidenten angeht. Dabei hat er ihm als Hamburger Bürgermeister einmal angehört, er war in den Verhandlungen für einen neuen Finanzausgleich sogar der Fähnleinführer.

Aber das ist lange her. Seit er 2017 ins Bundesfinanzministerium einzog und 2021 dann ins Kanzleramt, ist die Länderriege für ihn eher ein Ort der Nebenbeschäftigung geworden.

Im Bund-Länder-Verhältnis hat es auch eine Art Zeitenwende gegeben. Scholz Vorgängerin Angela Merkel nutzte die MPK als Instrument des Regierens im Bund, erst in der Flüchtlingskrise, dann in der Pandemie. Es gab einiges zu klären und zu koordinieren zwischen Bund und Ländern in jenen Phasen, ohne die Ministerpräsidenten ging wenig. Ihre Macht war selten einmal größer.

Wir werden sicher über den Zwischenstand in der Migrationspolitik reden.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) klingt vor dem Gespräch mit Scholz eher defensiv.

Die Zeiten sind vorbei. Das wird sich beim Treffen am Mittwoch einmal mehr zeigen. Migrationspolitik war schon das große Thema beim Bund-Länder-Gipfel Anfang November, als es eine Einigung bei den Flüchtlingskosten gab und strittige Punkte geklärt wurden, allen voran die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber. Weil hier nun auch die Grünen eingelenkt haben, ist die Luft aus diesem Thema raus.

Die Union hat damit einen Punkt weniger auf ihrer Klageliste, die sie in den Mittwoch hinein zusammenstellen will. Auf der stehen weiterhin die Frage, ob und wie die Bundesregierung auf europäischer Ebene auf Asylverfahren in Drittstaaten hinwirkt. Oder welche weiteren Staaten als sichere Herkunftsländer eingestuft werden sollen. Auch um Rückführungsabkommen soll es gehen – alles mit dem Ziel, dem Kanzler Untätigkeit vorhalten zu können.

In der SPD-Länderriege werden einige Anliegen durchaus geteilt, etwa die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf Nordafrika. Aber Stephan Weil, Ministerpräsident in Niedersachsen und immer wieder einer, der Scholz zu mehr Engagement gedrängt hat, klingt vor dem Gespräch am Mittwoch eher defensiv. „Wir werden sicher über den Zwischenstand in der Migrationspolitik reden“, sagte er dem „Handelsblatt“. In Richtung Union appellierte er, auf Gemeinsamkeiten zu verweisen und nicht zu polarisieren.

Stark ist die MPK nur, wenn sich die schwarzen und die roten Länderchefs einigermaßen einig gegen den Bund sind. Das muss Scholz aktuell nicht fürchten. Die Agenda, so scheint es, wird vor allem im Kanzleramt bestimmt.

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