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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier 2018, als der Bundespräsident ihr die Ernennungsurkunde für ihre vierte Amtszeit überreicht.

© Davids/Sven Darmer

Update

Höchster Orden für Angela Merkel: Für Steinmeier ist die Ehrung der Altkanzlerin durchaus heikel

Angela Merkel erhält am Montag vom Bundespräsidenten das Großkreuz in besonderer Ausführung. Die Verleihung ist alles andere als ein Routineakt.

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Man könnte es für einen gewöhnlichen Vorgang halten: Der Bundespräsident verleiht der Altkanzlerin eine Auszeichnung für ihre Verdienste. Doch wenn am Montagabend Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue Angela Merkel das Großkreuz in besonderer Ausführung verleiht, dann ist das kein Routineakt. Es ist, im Gegenteil, eine delikate Angelegenheit.

Das Großkreuz in besonderer Ausführung ist die höchste Stufe des Verdienstordens, die es in Deutschland für Regierungschefs und Altkanzler gibt. Überhaupt erst zwei Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wurde sie vergeben. Wenn jetzt Steinmeier Merkel diese Ehrung zuteilwerden lässt, wird nicht nur über Merkels politisches Erbe gesprochen werden, sondern auch über das von Steinmeier.

Zum ersten Mal vergeben wurde das Großkreuz in besonderer Ausführung im Januar 1954. Bundespräsident Theodor Heuss ehrte damit Bundeskanzler Konrad Adenauer. Das war bereits zu Beginn zu dessen zweiter Amtszeit. Weil schon mehrere Minister der damaligen Bundesregierung mit dem Großkreuz ausgezeichnet worden waren, sollte der Regierungschef herausgehobener geehrt werden als die Kabinettsmitglieder.

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Es entstand das Großkreuz in besonderer Ausführung. Das Besondere: Das Kreuz ist mit einem Lorbeerkranz verziert. Der zweite Bundeskanzler, der es erhielt, war Helmut Kohl. Am Ende seiner 16-jährigen Amtszeit im Jahr 1998 bekam er es von Roman Herzog überreicht. „Unter ihrer Führung, Herr Bundeskanzler, hat sich die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes vollendet. Sie haben damit das von Konrad Adenauer begonnene Werk zu Ende gebracht“, sagte Herzog damals.

Nun hat Steinmeier entschieden, es auch Merkel zu verleihen. Er stellt sie damit eine Reihe mit Adenauer und Kohl. Auch wenn in der CDU betont wird, für Merkels Lebenswerk sei das angemessen, gibt es einzelne Zweifler. In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel bezeichnete der Chef der CDU-Grundwertekommission, Andreas Rödder, die Verleihung an Merkel als einen Fehler – als Grund nannte er ihre Russlandpolitik, ihre Migrationspolitik und den Atomausstieg.

Auch Merkels langjähriger Minister Wolfgang Schäuble sagte kürzlich dem „Handelsblatt“, es sei noch zu früh abschließend zu beurteilen, ob Merkel unter den großen Kanzlern wie Adenauer, Kohl oder Willy Brandt einzuordnen sei.

Vor allem die Russlandpolitik überschattet seit Beginn des Krieges in der Ukraine Merkels Erbe. Doch für Fehler entschuldigen will sie sich nach wie vor nicht. Sie teile nicht die Haltung ihrer Kritiker, sagte sie zuletzt in der „Zeit“. „Sich dem einfach zu beugen, nur weil es erwartet wird, hielte ich für wohlfeil“, erklärte Merkel.

Sie habe sich so viele Gedanken gemacht. „Es wäre doch geradezu ein Armutszeugnis, wenn ich jetzt, nur um meine Ruhe zu haben und ohne wirklich so zu denken, einfach sagen würde: Ach, stimmt, jetzt fällt’s mir auch auf, das war falsch.“ Man konnte das auch als indirekte Kritik an Steinmeier lesen.

Heikel ist die Frage der Selbstkritik

Steinmeier war von 2005 bis 2009 und von 2013 bis 2017 Außenminister unter Merkel. Er hatte sich im vergangenen Jahr deutlich selbstkritischer geäußert: Er habe Putin falsch eingeschätzt, auch sein Festhalten an Nord Stream 2 sei ein Fehler gewesen, erklärte er. Steinmeier steht wie kaum ein anderer für die deutsche Russlandpolitik.

Wenn Steinmeier nun seiner ehemaligen Chefin Merkel das Großkreuz in besonderer Ausführung verleiht, wird an dieser Stelle besonders genau hingehört werden: Geht Steinmeier auf die Frage der Selbstkritik ein oder darüber hinweg? Interessant wird aber auch die Frage sein: Was stellt Steinmeier als die großen Verdienste der Altkanzlerin heraus?

Die CDU-Politikerin konnte 20 Gäste zu dem kleinen Festakt mit Abendessen einladen. Was auffällt: Niemand aus der aktuellen CDU-Führung steht auf der Gästeliste.

Eingeladen hat Merkel Familienangehörige und eine Reihe von Weggefährten, darunter:

  • Helge Braun (Ex-Kanzleramtsminister)
  • Thomas de Maizière (Ex-Innenminister)
  • Peter Altmaier (Ex-Wirtschaftsminister)
  • Ursula von der Leyen (EU-Kommissionspräsidentin)
  • Annette Schavan (Ex-Bildungsministerin)
  • Beate Baumann (Ex-Büroleiterin)
  • Steffen Seibert (Ex-Regierungssprecher)
  • Eva Christiansen (Ex-Medienberaterin)
  • Jürgen Klinsmann (Ex-Bundestrainer)
  • Rainer Eppelmann (DDR-Bürgerrechtler)

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz wird dabei sein, wenn Merkel das Großkreuz in besonderer Ausführung verliehen wird. Für Merkel kann die hohe Ehrung, mehr als ein Jahr nach dem Ende ihrer Amtszeit, ein Schlusspunkt sein.

Die Reaktionen aus der Politik auf Merkels bevorstehende Auszeichnung fallen unterdessen gemischt aus. „Am Ende ihrer Amtszeit war unser Land in keinem guten Zustand“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „16 Jahre Einsatz im wichtigsten Staatsamt verdienen dennoch Respekt, aber historische Größe lässt sich in der Politik erfahrungsgemäß erst mit weiterem zeitlichen Abstand erkennen.“

Auch aus ihrer eigenen Partei gibt es deutliche Kritik. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann sagte am Montag in der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv, es sei offenkundig, dass Merkel „große Verdienste hat, gerade international“. Sie habe aber natürlich „auch Fehler gemacht, sogar eklatante“.

Es müsse angesprochen werden, dass der Ausstieg aus der Kernkraft nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima „in der Form damals ein Fehler war“, sagte Linnemann. Auch in der Flüchtlingskrise seien „eklatante Fehler“ gemacht worden, weil „wir die Grenzen nicht geschützt haben. Das gehört genau so offen angesprochen, wie das Positive.“

Skepsis äußerte auch Linken-Parteichef Martin Schirdewan. „Merkels Bilanz ist zwiespältig und bedarf eher einer kritischen Aufarbeitung als einer Auszeichnung“, sagte er dem RND.

SPD-Chefin Saskia Esken würdigt Merkel hingegen für ihre „Integrität, Humor und diplomatisches Geschick“. Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sagte, Merkel habe „unser Land mit ihrer Kanzlerschaft wie nur wenige andere“ geprägt. „Man muss nicht mit ihrem gesamten Wirken einverstanden sein, um ihre großen Verdienste anzuerkennen.“

Auch SPD-Chef Lars Klingbeil hält die Auszeichnung für gerechtfertigt. „Sie stand 16 Jahre lang an der Spitze des Landes, hat in schwierigen Zeiten auch das Land geführt“, sagte Klingbeil am Montag am Rande der Hannover Messe. Die Union scheine derzeit vieles aus Merkels Regierungszeit zu bereuen, in seinen Augen habe Merkel aber gerade in Krisenzeiten viel richtig gemacht.

Ähnlich äußert sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. „Ich finde es schon einigermaßen absurd, dass derzeit gerade vor allem Sozialdemokraten die Verdienste von Angela Merkel in Erinnerung rufen“, sagte der SPD-Politiker. Er habe über Jahre in Krisenzeiten mit Merkel zusammengearbeitet. „Wir haben allen Grund, ihr dafür dankbar zu sein“, sagte Weil. (mit dpa)

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