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Harald Martenstein

© Britta Pedersen/dpa

Harald Martenstein: Wie gut ist das Deutsch der Schulsenatorin Sandra Scheeres?

Die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres hat an alle Eltern von Vorschulkindern einen Brief geschickt, der vor Fehlern und unverständlichen Sätzen nur so strotzt. Was sagt uns das? Eine Glosse.

Eine Glosse von Harald Martenstein

In Berlin gibt es Vorschulkinder, die wenig oder gar nicht Deutsch sprechen. Sie sollen gefördert werden. Um darüber zu informieren, wie wichtig es ist, Deutsch zu lernen, hat die Bildungssenatorin Sandra Scheeres an alle Eltern von Vorschulkindern einen Brief plus Merkblatt geschickt. Die Zahl der Stilblüten, Grammatikfehler und der auch für Biodeutsche unverständlichen Sätze in diesem Schreiben ist geradezu überwältigend. Eine vollständige Dokumentation würde den Rahmen sprengen. Hier eine stark gekürzte Fassung im O-Ton.

„Ihr Kind hat in der Kindertageseinrichtung sein Sprachlerntagebuch erhalten, mit dem vor allem die Beobachtung seiner sprachlichen Entwicklung dokumentiert und mit Ihnen regelmäßig über die Fortschritte Ihres Kindes gesprochen wird. Wenn Sie es wünschen, erhalten selbstverständlich eine Kopie. Mit dem Erhebungsbogen der ,Quasta’ auf der Grundlage des Sprachlerntagebuches wird im Sinne des Gesetzes zu dem vorgegebenen Zeitpunkt der Sprachstand für Kinder ab einem Alter von vier Jahren festgestellt. Es ist zu dringend zu empfehlen, die weitere Förderung zu sichern.“

Mischung aus Bürokratenchinesisch und Gagadeutsch

Diese Mischung aus Bürokratenchinesisch, Gagadeutsch und Fantasy im Harry-Potter-Stil (ein sprechendes Buch!) ist nicht ohne literarischen Reiz. Und eines ist klar, Fehler machen alle, auch der Autor dieses Textes. In jeder Zeitung stehen Fehler. Allerdings handelt es sich hier um den ohne Zeitdruck entstandenen Brief einer Bildungsbehörde, der bei Eltern, die kaum Deutsch sprechen, für Deutschunterricht werben soll. Deshalb halte ich die Unverständlichkeit dieses Textes für ein größeres Problem als seine Fehler. Ob die Eltern begreifen können, was da steht: egal. Ob der Brief den Kindern etwas nützt: egal. Korrektes Deutsch: erst recht egal. Ich traue der Bildungssenatorin zu, dass sie in dem Satz „Wenn Sie wünschen, erhalten eine Kopie“ den Fehler findet. Aber es scheint ihr egal zu sein.

Erst vor ein paar Tagen hat sich wieder einmal die Wirtschaft gemeldet. 2000 deutsche Unternehmen wurden befragt, nur noch 47 Prozent sind mit der Qualifikation von Uni-Absolventen zufrieden, die den Bachelor besitzen. 2007 waren es 67 Prozent. Das Image der Abiturienten sieht ähnlich aus. Ziel der Bildungspolitik ist ein Land, in dem 90 Prozent der Menschen Abitur machen und 70 Prozent studieren. Es funktioniert so ähnlich wie Planwirtschaft. Hauptsache, die Produktionszahlen stimmen, ob das Produkt tatsächlich etwas taugt, ist egal.

Wenn es so weitergeht, kann kaum jemand noch einen geraden Satz schreiben oder einen klaren Gedanken fassen. Daran sind weder Schüler noch Lehrer schuld. Es liegt an einer Bildungspolitik, die Wissen als elitär verachtet und solche Briefe als ihre Visitenkarte in die Welt schickt.

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