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Am Mittag geht US-Präsident Barack Obama vor dem Brandenburger Tor ein paar Schritte zu Fuß. "Nicht schlecht, die Sonne" ruft er den Journalisten zu.

© AFP

Abschiedsbesuch des US-Präsidenten: Für Barack Obama schließt sich in Berlin der Kreis

2008 war Barack Obama das erste Mal in Berlin – mitten im Wahlkampf sprach er vor mehr als 200.000 Menschen. Nun beschließt der scheidende US-Präsident hier seine Abschiedstour durch Europa.

Zum Abschluss noch einmal Berlin: Für Barack Obama ist das wie ein „Homecoming“. Die Stadt hat ihm bei seinem ersten Besuch vor achteinhalb Jahren geholfen, den Weg ins Weiße Haus zu ebnen. Mehr als 200.000 Menschen kamen an die Siegessäule – mehr als drei Mal so viel wie zu seiner größten Wahlkampfkundgebung in den USA in jenem Jahr. Nun verabschiedet er sich von den europäischen Staats- und Regierungschefs – mit einer Verbeugung vor der Gastgeberin in Berlin. Was für eine „herausragende Partnerin“ Angela Merkel für die USA gewesen sei, bekräftigt Obama einmal mehr in der gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstagabend. Wenn er Deutscher wäre, würde er sie bei der Bundestagswahl unterstützen.

Die Kanzlerin dagegen ist zurückhaltender mit grundsätzlichem Lob für Obama, beschränkt sich darauf, die gemeinsamen Kooperationsfelder hervorzuheben: die notwendige Zusammenarbeit der Geheimdienste, die noch nicht abgeschlossenen TTIP-Verhandlungen, die Erfolge beim Klimaschutz, der Einsatz für Afrika und der gemeinsame Kampf gegen den IS. Und verknüpft es mit der Hoffnung, dass eine Kooperation auch künftig möglich sei. Sie werde auch „mit dem neugewählten Präsidenten dann gut zusammenarbeiten“. Dessen Hinweis auf mehr europäisches Engagement im Nato-Bündnis habe sie verstanden.

Über die Beziehung Merkel/Obama ist in der Vergangenheit viel spekuliert worden. Sie ist sehr eng, das lässt sich 2016 nicht übersehen. Obama hofiert sie geradezu, verbal – „die wichtigste internationale Verbündete“ – , aber auch durch die viele Zeit, die er ihr widmet. Fast drei Tage hält er sich in Berlin auf.

Schon von den Äußerlichkeiten gleicht manches den Juli-Tagen 2008, als er das erste Mal in Berlin war. Obama ist auch diesmal ohne Ehefrau Michelle gekommen, wohnt wieder im Hotel Adlon, und die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm. Damals löste ein verdächtiges Päckchen Bombenalarm aus; es enthielt, wie sich herausstellte, nur ein Buch. 2016 darf der Noch-Präsident zunächst nicht einmal die 150 Meter zur nahen US-Botschaft laufen, wo er die Angestellten trifft und anschließend mit Botschafter John Emerson zu Mittag isst. Er muss mit dem kugelsicheren Auto fahren. Schlangen bilden sich an den Sicherheitskontrollen vor dem Adlon, den „normalen“ Gästen versüßt die Hotelleitung die Wartezeit mit Kaffee und Schampus.

Nach dem Lunch ist die Sonne herausgekommen; und nun sind offenbar auch die Sicherheitsleute nicht mehr so streng. Obama geht zu Fuß zum Brandenburger Tor, vor dem er 2008 als Präsidentschaftskandidat keine Rede halten durfte, und von dort zum Hotel. „Nicht schlecht, die Sonne“, ruft er den Journalisten zu.

2008 ließ sich die Amerikabegeisterung der Berliner neu entflammen

Denkt er jetzt an die nachgeholte Rede hier auf dem Pariser Platz vor dem Tor an einem sonnigen Junitag 2013? Im Rückblick wirkt sie wie ein Zwischenglied zwischen der alten und der neuen Zeit. 2008 ließ sich die Amerikabegeisterung der Berliner nach den Bush-Jahren durch diesen charismatischen Hoffnungsträger neu entflammen. 2013 war ein Jahr der Abkühlung, vor allem wegen der NSA-Abhöraffäre. Da zeigte sich aber auch die Enttäuschung, dass Obamas Außen- und Sicherheitspolitik mehr Kontinuität als Wandel zeigte. Obama versuchte es mit einem lockeren Auftreten: In der Sommerhitze zog er sein Jacket auf dem Weg zum Rednerpult aus und forderte die Umstehenden auf, mitzutun. Die Kanzlerin behielt ihres aber an – man könnte sagen: Sie hielt sich bedeckt.

Mitte November 2016 haben sich die geopolitischen Aussichten weiter verdüstert. Russland hat den Krim-Konflikt in der Ostukraine verschärft. Der Abzug aus Afghanistan und Irak – ein Wahlversprechen Obamas – hat dort neue Instabilität geschaffen. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ wurde zu einer existenziellen Bedrohung im Nahen Osten. Und nun haben die US-Bürger nicht Hillary Clinton gewählt, die Kontinuität versprochen hatte, sondern Donald Trump. „Ich hoffe, dass der künftige Präsident einen konstruktiven Ansatz mit Russland findet“ und nicht einfach nur Deals mache, warnt Obama.

Die Beziehung zu Merkel hat sich in dieser unruhigen Zeit dagegen stabilisiert. Nicht ohne Grund beschließt er seine Abschiedstour durch Europa in Berlin. Nach der Ankunft aus Athen am Mittwoch haben sich die beiden zu einem privaten Abendessen zurückgezogen. Am Donnerstag sind der offizielle Besuch im Kanzleramt und die Pressekonferenz mit Merkel die herausragenden Termine, dazu das offizielle Dinner mit prominenten Gästen wie Fußballtrainer Jürgen Klinsmann, für den die USA zur zweiten Heimat wurden, dem Dirigenten Daniel Barenboim, dem Gründungsdirektor des Jüdischen Museums, Michael Blumenthal, den Astronauten Thomas Reiter und Alexander Gerst.

Am Freitag folgt die Begegnung mit den Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien – mit Merkel in der Gastgeberrolle. Was ist von Trump zu erwarten? Diese Frage bewegt viele. Und Obama hat kürzlich immerhin 90 Minuten mit ihm gesprochen, kann also Hinweise geben, was im Kopf des künftigen Präsidenten vorgeht. Obama möchte beruhigen. „Ich bin guten Mutes, dass sich die Verpflichtungen gegenüber der Nato nicht verändern und dass auch er die Nato als Basis der internationalen Sicherheit empfindet“, sagt er auf der Pressekonferenz.

Barack Obama und Berlin – bei aller Herzlichkeit war dies eine Beziehung der Ungleichzeitigkeit. „It takes two to tango“, das Sprachbild erinnert daran, dass die Beteiligten den gemeinsamen Willen zum Gelingen mitbringen müssen. Das reicht aber nicht. Sie müssen es auch zum selben Zeitpunkt wollen. 2008 hätte er gerne am Brandenburger Tor gesprochen. Aber Angela Merkel ließ ihn nicht. Sie wollte den symbolträchtigen Ort nicht zu einem „Backdrop“, einer Hintergrundkulisse des amerikanischen Wahlkampfs werden lassen.

Wir bleiben in Kontakt - US-Präsident Barack Obama gestikuliert während der gemeinsamen Pressekonferenz mit Angela Merkel.
Wir bleiben in Kontakt - US-Präsident Barack Obama gestikuliert während der gemeinsamen Pressekonferenz mit Angela Merkel.

© REUTERS

Für Obama wurde der Besuch dennoch zum Beginn einer wunderbaren Beziehung mit der Stadt. „It’s been a pretty good rally“, sagte er später mit breitem Grinsen über diesen Besuch. Auch wenn er damals nicht am Tor sprechen durfte, der Besuch in Berlin 2008 half ihm mehr als erwartet. Ihm fehlte die außen- und sicherheitspolitische Kompetenz, als er sich 2008 mit 46 Jahren um die Präsidentschaft bewarb. Sein Gegner John McCain, damals 72 Jahre alt, Vietnam-Veteran und seit 21 Jahren Senator, galt ihm da als haushoch überlegen. So nahm sich Obama zehn Tage Zeit, um US-Truppen in Afghanistan und im Irak sowie in Israel, Palästina und Europa zu besuchen.

„Ein warmes Willkommen für Obama in Berlin“, lautete die Schlagzeile der „Washington Post“. Die „New York Times“ analysierte: „Europa öffnet das Ohr für Obama“. Wie die deutschen Medien stellten auch die US-Journalisten die Parabel von den fallenden Mauern ins Zentrum: So wie 1989 die Mauer in Berlin fiel, wolle Obama nun die Mauern der Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und ihren Verbündeten aus den Bush-Jahren niederreißen. Aber eine andere Redepassage lieferte Diskussionsstoff für den Wahlkampf daheim. Obama übte Kritik an den USA, begleitet von lautem Beifall der Zuhörer in Berlin: „Ich weiß, mein Land ist nicht perfekt. Wir haben auch unsere Fehler gemacht, und es gab Zeiten, in denen unsere Handlungen rund um die Welt nicht in Einklang mit unseren besten Absichten standen.“ Das löste in den USA auch Stirnrunzeln aus. Der Kandidat der Demokraten spricht im Ausland schlecht über sein Land, und die Europäer jubeln dazu.

Dann wurde er Präsident und kam in den ersten Monaten gleich zwei Mal nach Deutschland, aber nicht nach Berlin. In Kehl und Straßburg feierte er mit den Nato-Verbündeten den 60. Geburtstag der Allianz. Im August besuchte er Dresden und Buchenwald; ein Onkel war bei der Befreiung des KZ-Außenlagers Ohrdruf dabei gewesen. Der Besuch war ein gezieltes Signal an Israel und die jüdischen Amerikaner: Obama kam gerade aus Kairo, wo er die Rede an die Muslime gehalten und ihnen eine neue Partnerschaft angeboten hatte. Er vergesse den Holocaust aber nicht, sollte das heißen.

Die Aufmerksamkeit der USA verlagerte sich nach Asien und in die arabische Welt

Dann folgte eine lange Pause, in der sich die Aufmerksamkeit der USA in andere Regionen verlagerte, nach Asien und in die arabische Welt. Erst der vierte Deutschlandbesuch 2013 führte Obama erneut nach Berlin.

Inzwischen hatte sich sein Bild aber gewandelt. Die ersten beiden Regierungsjahre, in die alle seine größeren Erfolge fielen, weil er noch Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses hatte, waren aus dem Kurzzeitgedächtnis gefallen. Die Republikaner dominierten nun das Parlament, blockierten Obama nach Kräften, und er war nicht in der Lage, diese politische Spaltung zu überwinden. Obamas Amerika bedeutete nun: Stillstand. Parallel litt das bilaterale Verhältnis unter der NSA-Affäre und dem aufflammenden Streit in Deutschland um das geplante Wirtschaftsabkommen TTIP.

Der fünfte und sechste Deutschlandbesuch fand wieder ohne Berlin statt. Obama und Merkel trafen sich beim G-7-Gipfel 2015 im bayrischen Elmau und im April 2016 auf der Hannovermesse. Der letzte gilt abermals Berlin. Dort wo seine Beziehung mit Deutschland begann, schließt sich der Kreis. Anders als Obama stammt die Familie des Nachfolgers aus Deutschland: Donald Trumps Großvater kam aus Kallstadt in der Pfalz in die USA. Das allein reicht nicht für eine gute Beziehung. Besserung ist aber zumindest möglich.

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