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Hinter einem abgelassenen Karpfenteich steigt Wasserdampf aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde.

© picture alliance/dpa/Patrick Pleul

Erklärung von breitem Bündnis: Verbände fordern Einhaltung von Klimazielen

Regierung müsse Erreichen der Vorgaben sicherstellen, so die 42 Organisationen. Linke-Chefin Wissler schließt sich Expertenrat-Kritik an. Widerspruch von Ampel-Sprecher Büchner.

Nach scharfer Kritik aus der Wissenschaft an der Klimapolitik der Ampel-Koalition hat ein breites Bündnis von 42 Verbänden die Regierung aufgefordert, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um doch noch „die deutschen Klimaziele bis 2030 zu erreichen“. Wichtig sei dabei auch „eine sozial gerechte Umsetzung der Transformation“, hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Erklärung.

Konkret fordern die Verbände „verbindliche jahresgenaue Energieeinsparziele für die einzelnen Sektoren“. Verknüpft werden müsse dies mit einem Monitoring sowie Sanktionsmechanismen bei Verstößen. Solche verbindlichen Sektorziele gibt es derzeit für den CO₂-Ausstoß, die Ampel-Koalition ist jedoch gerade im Begriff, diese abzuschaffen.

Verlangt werden außerdem ein bundesweiter Kohleausstieg bis 2030 sowie die zügige Ausweisung von mehr Flächen für Windkraftanlagen. Bei Neubau, Umbau und Sanierung solle ein Standard für Solaranlagen gesetzlich festgeschrieben werden, ebenso bei Parkplatzüberdachungen und anderen baulichen Anlagen wie Lärmschutzwänden.

Verbände fordern Tempolimit

Im Verkehr dringen die Verbände auf ein generelles Tempolimit von 80 Stundenkilometern auf Landstraßen und 120 Stundenkilometern auf Autobahnen. Klimaschädliche Subventionen wie Entfernungspauschale und Dienstwagenprivileg sollen entfallen, der Kauf von Elektroautos steuerlich begünstigt werden. Die Kfz-Steuer soll stärker den CO₂-Ausstoß berücksichtigen, Verkehrsinfrastruktur „konsequent nach Umwelt- und Klimakriterien ausgerichtet“ werden.

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Im Gebäudebereich soll eine „Steigerung der energetischen Sanierungsrate auf mindestens drei Prozent pro Jahr“ erreicht werden. Der Gebäudebestand soll so bis 2045 durchschnittlich den Effizienzhaus-55-Standard erreichen. Klimafreundliches Bauen und auch das Dämmen von Gebäuden sollen stärker gefördert, in Mietshäusern die Kosten nach dem Drittelmodell zwischen Mieterinnen und Mietern, Vermieterinnen und Vermietern und Staat geteilt werden. Ab 2045 soll nur noch erneuerbar geheizt werden, Ölheizungen ab sofort und Gasheizungen ab 2025 nicht mehr eingebaut werden.

Weitere Forderungen betreffen die Bereiche Industrie und Landwirtschaft. Die CO₂-Bepreisung soll schneller als bisher geplant ausgebaut werden, jedoch „ab spätestens 2024 zwingend mit der Einführung eines Klimageldes einhergehen“.

Hintergrund der Erklärung ist die Stellungnahme des Expertenrats für Klimafragen vom Dienstag, der das Klimaschutzprogramm der Regierung als unzureichend und nicht im Einklang mit dem Klimaschutzgesetz eingestuft hatte.

Unterstützt wird die Erklärung von den Dachverbänden Deutscher Naturschutzring (DNR) und Klima-Allianz, den Umweltverbänden Nabu, BUND, Greenpeace, Germanwatch, WWF und zahlreichen weiteren Umweltverbänden, dem Verkehrsclub Deutschland (VCD), kirchlichen Institutionen sowie der Arbeiterwohlfahrt und weiteren Sozialverbänden.

Die Linken-Chefin Janine Wissler hat der Ampelkoalition unterdessen vorgeworfen, ihre Klimaziele aufgegeben zu haben. Anders lasse sich die Einschätzung des unabhängigen Expertenrats für Klimafragen aus dieser Woche nicht interpretieren, erklärte Wissler am Mittwoch. Sie sprach von einer „vernichtenden Kritik“ der von der Regierung selbst eingesetzten Experten.

Wissler: „Klimapolitische Arbeitsverweigerung“

Mit der Aufgabe von Zielen für einzelne Sektoren durch die Regierung werde „die klimapolitische Arbeitsverweigerung einzelner Minister ausdrücklich hingenommen“, erklärte Wissler. So richte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) „seine Arbeit weiterhin an einer Auto-Ideologie aus dem letzten Jahrhundert aus“.

Wissler forderte neben dem Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel auch die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen wie das Dienstwagenprivileg und die Steuerbefreiung für Kerosin.

Regierungssprecher kontert Kritik

Die Bundesregierung hingegen gibt sich trotz der deutlichen Kritik von Experten zuversichtlich, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. „An dem großen Ziel wird sehr entschlossen gearbeitet“, sagte Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Mittwoch in Berlin. Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP handele und setze ihre geplanten Maßnahmen auch um.

Ein Sprecher des Grünen-geführten Wirtschaftsministeriums ergänzte, zusätzliche Maßnahmen seien nötig, um die noch bestehende Lücke zu den Klimazielen zu schließen. Ziel sei es, Strafzahlungen wegen Verstößen gegen Klimaauflagen zu vermeiden. Hier sei die gesamte Bundesregierung in der Pflicht.

Ein Sprecher des FDP-geführten Verkehrsministeriums sagte, Klimaschutz bleibe eine Daueraufgabe. Es sei in dem Sektor, der seinen Klimazielen am stärksten hinterherhinkt, bereits ein Programm aufgelegt worden, um den Ausstoß von 132 Millionen Tonnen CO₂ zu vermeiden. „Das ist ein enormer Schritt.“

Expertenberichten vom Dienstag zufolge ist Deutschland auf dem Weg, seine gesetzlich vorgeschriebenen Klimaziele bis 2030 klar zu reißen. Auch das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, ist auf Basis der jetzigen Erkenntnisse nicht erreichbar. Laut Umweltbundesamt klafft bis 2030 eine Lücke von einzusparenden Treibhausgasemissionen von bis zu 331 Millionen Tonnen (AFP, Reuters)

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