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Angela Merkel dürften die jüngsten Wortmeldungen von Alexander Dobrindt nicht gerade gefallen.

© Maurizio Gambarini, AFP

Vor den Koalitionsverhandlungen: Dobrindt stichelt weiter gegen die SPD

Die Äußerung vom "Zwergenaufstand" sorgt für Groll in der SPD. Doch auch viele in der Union rätseln, warum er gerade jetzt auf die Sozialdemokraten losgeht.

Von Robert Birnbaum

Mit Ratschlägen an andere ist Alexander Dobrindt gerade sehr freigiebig. Am Dienstag sitzt der CSU-Landesgruppenchef vor dem Weißwursttopf, der unvermeidlich zum Pressestammtisch in der Bayern-Vertretung gehört, und teilt aus. „Mehr Mut und weniger Wackelpudding“, empfiehlt der CSU-Mann der SPD, fordert „Handschlagqualität“ im Umgang mit Sondierungsergebnissen ein und bescheinigt „dem einen oder anderen“ Sozialdemokraten, er wolle mit dem Kopf durch die Wand – bei manchem habe er sogar den Eindruck, „dass er’s ohne Kopf versucht“.

Wenn das Ratschläge sind, dann jedenfalls mehr mit Betonung auf „Schläge“. Dobrindt ist inzwischen bekannt für solche Töne. Während der Jamaika-Sondierungen schwang der Bayer derart die verbale Peitsche, dass viele drinnen wie draußen auf gezielte Sabotage tippten. Der Mann hatte schon als CSU-Generalsekretär die Grünen als Hauptkonkurrenten ausgemacht. Er ließ seither nichts unversucht, der Öko-Truppe die Zugehörigkeit zum Kreis der „bürgerlichen“ Parteien abzusprechen. Dass ihm eine Fortsetzung der großen Koalition weit besser in den Kram passen würde, zumal im Jahr der bayerischen Landtagswahl. Daraus machte er nie einen Hehl.

Selbst Seehofer geht auf Abstand

Um so unverständlicher wirkt das Feuer, das Dobrindt jetzt auf die SPD eröffnet. Seine Forderung an die SPD-Führung, den „Zwergenaufstand“ in den eigenen Reihen gefälligst in den Griff zu kriegen, sorgt dort schon seit Tagen für Groll und Unmut. Aber auch im Unionslager schütteln die meisten nur den Kopf. „Jeder einzelne Delegierte auf einem Parteitag hat die gleiche Stimme, und da gibt es keine Riesen und keine Zwerge“, mahnte der CDU-Vize und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. „Das sind Menschen, die entscheiden für ihre Partei - und das sollte man auch respektieren.“

Selbst CSU-Chef Horst Seehofer wollte sich die Wortwahl seines Berliner Statthalters nicht zu eigen machen, sondern bekundete im Gegenteil Verständnis für die Entscheidungsnöte der SPD. Seehofer weiß schließlich gut, wie schnell eine Parteitagsbasis auf Befehlston und Beschimpfung bockig reagiert.

In dem Punkt immerhin verhält sich Dobrindt basisartig. „Ich schüre gar nix!“ verteidigt er sich, auf das Z-Wort angesprochen. Er wiederholt es aber nicht: „Ich wollte mit meinem Wortbeitrag der SPD eigentlich Mut zusprechen.“ Deren eigene Fraktionschefin Andrea Nahles habe doch selbst den SPD-Kritikerin vorgeworfen, dass sie das Ergebnis der Sondierung „mutwillig schlecht reden“ würden. Und außerdem: Lese er nicht in der Presse ständig davon, dass die SPD eine „Partei auf der Couch“ sei und zum Psychiater müsse? Was er gesagt habe, „ist letztlich eine Beschreibung, was da stattfindet“.

Ein kleiner Rufmord

Nun ergibt es aber einen Riesenunterschied, ob SPD-Leute und Leitartikler die SPD ermahnen oder ob ein Christsozialer den zögernden Koalitionspartner – nun ja, „beschreibt“. Dobrindt steht im Ruf, ein gewiefter Stratege zu sein. Dass ihm dieser Unterschied nicht selber klar sein sollte, darf man ausschließen. Deshalb stellten sich schon bei der „Zwergenaufstand“-Rüpelei in Union wie SPD viele die Frage, ob der alerte 51-jährige hinter seiner schwarzen Nerd-Brille nicht längst einen eigenen Plan verfolgt, zu dem es passen würde, wenn diese Koalition auch platzt. Dann wären Martin Schulz weg, sein geschwächter Gönner Seehofer erledigt und Angela Merkel zumindest wankend – Bahn frei für Jüngere.

Dobrindt weist das als „Überinterpretationen“ weit von sich. Aber wer zu Verschwörungstheorien neigt, findet durchaus Indizien. Schon aus den Jamaika-Runden berichteten CDU-Leute über auffällig regen SMS-Verkehr zwischen Dobrindt und dem CDU-Jungstar Jens Spahn oder mit dem FDP-Chef Christian Lindner. Dobrindt hat dessen Rückzug nie kritisiert, völlig anders als Seehofer.

Am Dienstag lobt Dobrindt außerdem die SPD-Kollegin Nahles über alles („nicht nur in den Sondierungen, sondern auch in den Tagen danach die beste Figur gemacht“) und zeigt zugleich, was er von Schulz hält: Nach der langen Nacht habe Seehofer mehr sozialdemokratische Erfolge aufgezählt als der SPD- Chef. Das stimmt, nur wird aus dem Mund des CSU-Manns auch aus dieser Beschreibung ein kleiner Rufmord.

Zwischen Verschwörung und Kraftmeierei

Wenn das kein geheimer Plan ist – was dann? Er versuche, versucht Dobrindt zu erläutern, die „ausgewogene Balance“ zu halten gegen Vorwürfe aus der SPD, dass die CSU in den Sondierungen getrickst habe. Er wäre also der Ralf Stegner der CSU. Den kampftwitternden SPD-Vize hat die „Bild“-Zeitung gerade erst zum „GroKotz“ ernannt.

Aber womöglich liegt die Erklärung auf halber Strecke zwischen Verschwörung und Kraftmeierei. „Ich bin mir über das Ergebnis sehr sicher“, sagt Dobrindt über den SPD-Parteitag am Sonntag. „Die SPD wird der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zustimmen.“ Zur Not könnete er ja selbst in Bonn reden, um die Delegierten zu überzeugen.

Das ist natürlich nur ein schaler Scherz. Aber selbst der enthält eine verdeckte Schuldzuschreibung: Wenn es schief geht, dann weil bei der SPD welche versagt haben. Welchen Anteil ein CSU- Provokateur daran hätte – wer würde noch danach fragen? „Wir können jetzt nicht die SPD in Sänften in die Koalition tragen“, ätzt Dobrindt. Ins Strategisch-Zynische übersetzt heißt das: Egal wie es ausgeht – ich will dabei gewinnen.

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