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Vorwürfe an die Trump-Regierung: US-Bürger verfolgen das TV-Duell von Kamala Harris und Mike Pence in San Diego.

© Reuters/Mike Blake

TV-Duell Pence contra Harris: „Diese Regierung hat das Recht auf eine Wiederwahl verwirkt“

Kamala Harris macht die Coronakrise zum Thema des Duells mit Mike Pence. Der sagt dazu Ungeheuerliches, und Trump ignoriert derweil die Vorgaben seiner Ärzte.

Kamala Harris braucht am Mittwoch keinen Anlauf, um ihre härteste Attacke an diesem Abend auszuführen. „Diese Regierung hat das Recht auf eine Wiederwahl verwirkt“, sagt sie bei der ersten und einzigen Debatte der Vizepräsidentschaftskandidaten in Salt Lake City (Utah). Und: „Das amerikanische Volk ist Zeuge des größten Versagens einer Regierung in der Geschichte unseres Landes geworden.“

Dann zählt sie dieses Versagen auf: mehr als 210.000 Tote, sieben Millionen Infizierte und 30 Millionen Menschen in Amerika, die ihren Job verloren haben. Mit diesem Einstieg setzt die Senatorin aus Kalifornien, die zusammen mit Joe Biden am 3. November die amerikanische Präsidentschaftswahl gewinnen will, den Ton – angesichts eines Präsidenten, der sich derzeit infiziert in Quarantäne befindet und dessen Weißes Haus sich zu einem Corona-Hotspot mit inzwischen bereits mehr als 30 Infizierten entwickelt hat, ist das der Treffer, den die ehemalige Staatsanwältin unbedingt landen muss.

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Der Konter ihres Kontrahenten fällt so aus wie erwartet: Vizepräsident Pence, der auch Leiter der Corona-Task-Force ist, verteidigt das Vorgehen der Regierung in allen Bereichen: Hätten sie nicht so schnell gehandelt und den Einreisestopp gegen China verhängt, wären vielleicht zehn Mal so viele Menschen gestorben. Nicht ein Hauch von Selbstkritik ist zu hören. Das hat aber wohl auch keiner wirklich erwartet.

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Gefragt, welches Beispiel sich die Amerikaner an dem „Superspreading-Event“ im Rosengarten nehmen sollten, auf das wohl die meisten Ansteckungen im Weißen Haus zurückgehen, vollbringt Pence das Kunststück, daraus eine Grundsatzfrage zu machen. Dies zeige, wie sehr sich der Ansatz der Republikaner von dem der Opposition unterscheide: Die Regierung habe großes Vertrauen in die Fähigkeit der Amerikaner, sich selbst richtig zu verhalten.

Dagegen wollten die Demokraten den Menschen immer nur vorschreiben, was sie zu tun hätten: zum Beispiel mit einem Maskenzwang. Er geht sogar so weit zu fordern, dass dem amerikanischen Volk Anerkennung gezollt werden müsse – wegen der großen Opfer, die es gebracht habe.

Trump meldet sich per Video aus dem Weißen Haus

Die ruhige Art und Weise, wie Pence solche Sätze vorträgt, macht sie nicht weniger ungeheuerlich. Aber es ist Wahlkampf-Endspurt, in 26 Tagen wird bereits gewählt. Das müssen selbst Katastrophen wie die Erkrankung des Präsidenten umgedeutet werden in Erfolge. Pence ist zudem bekannt für seine Lobeshymnen auf Trump.

In Washington ignoriert der US-Präsident derweil die Vorgaben seiner eigenen Experten und wird am Mittwoch sogar schon wieder im Oval Office gesehen – obwohl er gerade erst drei Tage im Krankenhaus behandelt wurde und weiterhin als extrem ansteckend gilt. Auch gibt er per Video-Aufzeichnung zu Protokoll, dass seine Erkrankung vielleicht sogar ein göttlicher Segen war. Denn er habe das Virus besiegt und wisse jetzt noch besser, wie damit umzugehen sei.

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Nach diesem Einstieg geht es in der restlichen Zeit der Debatte aber kaum noch um das Virus und seine Folgen, was angesichts der Dimension der Pandemie in den Vereinigten Staaten seltsam anmutet. Doch so sind die Regeln des TV-Duells, die von den beiden Lagern vorher ganz genau ausgehandelt worden sind.

Einer der Punkte, die bis zum Schluss umstritten waren, betrifft die Schutzmaßnahmen in der Kingsbury Hall der Universität von Utah, in der die Debatte stattfindet. So hatte sich das Pence-Lager lange dagegen gewehrt, dass Plexiglasscheiben die beiden Kontrahenten trennen sollen. Am Ende setzt sich das Harris-Team durch. Auch wird dieses Mal im Sitzen diskutiert – mit einem Abstand von vier Metern.

Schon dieses Setting trägt dazu bei, dass es deutlich zivilisierter zugeht als beim ersten TV-Duell von Trump und Biden am Dienstag vor einer Woche, als vor allem der Präsident seinen Herausforderer bei jeder Antwort unterbrach. Danach war das wohl am häufigsten geäußerte Fazit, dass es besser keine weitere solche Debatte geben sollte.

Mit der Covid-19-Erkrankung des Präsidenten, die in der Nacht zu Freitag bekannt wurde, sah es dann zunächst so aus, als ob es dazu auch nicht mehr kommt. Inzwischen hat Trump aber schon wieder erklärt, an den beiden noch geplanten Duellen festhalten zu wollen.

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Die Debatte der Vizekandidaten ist auch dank dieser Unsicherheiten im Vorfeld als eine der wichtigsten überhaupt bezeichnet worden. Denn Pence würde Präsident werden, sollte Trump ausfallen. Und Harris gilt ohnehin als Rückfalloption, falls Biden, der im Falle eines Wahlsiegs beim Amtsantritt 78 Jahre alt wäre, nicht die vollen vier Jahre durchregieren könnte.

Inhaltlich werden viele der Punkte gestreift, die eine Biden/Harris-Regierung von der jetzigen unterscheiden würde. Ob bei den Themen Klimawandel, Steuern, Krankenversicherung oder Abtreibung: Deutlich wird, wo die beiden Lager stehen. Allerdings zeigt vor allem Pence häufig wenig Lust, auf die Fragen der Moderatorin Susan Page einzugehen, sondern bringt lieber die Themen vor, von denen er glaubt, dass die Parteibasis sie hören will. Und der Republikaner überzieht auch ein ums andere Mal seine Redezeit. Die Moderatorin setzt dem wenig entgegen.

So bleibt vieles weiter unbeantwortet: etwa, warum die Todesrate durch Covid-19 in den USA höher ist als in den meisten anderen Ländern; ob Pence den Klimawandel wie Harris für „eine existenzielle Bedrohung“ hält; ob er in seinem Heimatstaat Indiana ein komplettes Abtreibungsverbot begrüßen würde, sollte der Supreme Court dafür mit einer gefestigten konservativen Mehrheit den Weg frei machen; ob Trump im Falle einer Niederlage das Feld räumen würde; oder ob es die amerikanischen Wähler nicht verdienten, genau über den Gesundheitszustand ihres Präsidenten Bescheid zu wissen. Beim letzten Punkt bedankt sich Pence lieber für die „große Anteilnahme“ am Schicksal des Präsidenten.

Aber auch Harris weicht Fragen immer mal wieder aus. Zum Beispiel solchen nach ihrer politischen Meinungsänderung bei dem vom linken Flügel ihrer Partei geforderten „Green New Deal“ oder ob sie mit Biden über eine mögliche Nachfolgeregelung gesprochen habe. Lieber redet sie über ihre persönliche Geschichte als erste Afroamerikanerin auf einem Präsidentschaftsticket, als erste Frau bei vielen ihrer Karriereschritte.

Moderatorin Susan Page von „USA Today“

© AFP/Justin Sullivan/Pool

Grundlegend ändern werden die Debatten nichts

Beiden Diskutanten ist anzumerken, dass sie lieber ihre wichtigsten politischen Punkte absetzen wollen, als sich einer wirklichen Diskussion zu stellen. Und beiden gelingt das an diesem Abend im Großen und Ganzen. Auch schaffen sie es fast durchgehend, ruhig und entspannt zu bleiben. Harris lächelt dazu fast die ganze Zeit – vor allem dann, wenn Pence sie kritisiert. Das Debatten-Training, das sie unter anderem mit dem ehemaligen Präsidentschaftsbewerber Pete Buttigieg absolviert hat, zahlt sich aus.

Welche Wirkung von diesem TV-Duell ausgeht, die zu einem Zeitpunkt stattfindet, als bereits mehr als vier Millionen Amerikaner gewählt haben, werden die Umfragen in den kommenden Tagen zeigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Debatte am Stand des Präsidentschaftsrennen fundamental etwas ändert, war allerdings schon vor Beginn nicht besonders groß. An diesem Eindruck haben die 90 Minuten wenig geändert. Das würde dann vor allem dem Lager des Herausforderers nutzen, der in Umfragen vorneliegt und diesen Vorsprung zuletzt sogar noch ausgebaut hat.

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