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Flüchtlinge erreichen die serbisch-ungarische Grenze in der Nähe von Röszke.

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Update

Flüchtlinge in Ungarn: "Die Polizei hat wohl überreagiert"

An der Grenze zu Serbien setzte die ungarische Polizei Tränengas gegen Flüchtlinge ein. Die Menschenrechtlerin Julia Ivan kritisiert den Einsatz.

Erst ging die Bereitschaftspolizei in Mazedonien mit Tränengas gegen die Flüchtlingsgruppe vor, jetzt waren die Migranten von einem ähnlichen Polizeieinsatz im südungarischen Röszke betroffen. In dem Ort an der Grenze zu Serbien setzte die Polizei am Mittwoch nach den Worten der Anwältin Julia Ivan von der Menschenrechtsorganisation Helsinki-Komitee in Budapest Tränengas gegen die Flüchtlinge ein. Die Migranten kämen zum Großteil aus Syrien und Afghanistan, sagte Julia Ivan dem Tagesspiegel. Es handele sich um dieselbe Gruppe, auf die vor wenigen Tagen an der mazedonisch-griechischen Grenze Tränengas abgefeuert worden sei, sagte sie. Nach der Schilderung der Anwältin sind in Röszke am Dienstag im Verlauf von 24 Stunden 2500 Flüchtlinge angekommen – so viel wie noch nie zuvor. Zur Flüchtlingsgruppe gehörten zahlreiche Familien mit kleinen Kindern, berichtete sie. Die Migranten, die zuvor lange an der griechisch-mazedonischen Grenze hatten ausharren müssen, seien „extrem erschöpft“. Bereits am Dienstagabend hatte sich die Lage in dem überfüllten Flüchtlingscamp Röszke nach ihren Worten zugespitzt, als einige der Flüchtlinge, die entweder unter freiem Himmel oder in einem Militärzelt schlafen sollten, ein festes Dach über dem Kopf gefordert hätten. Offenbar hätten der Polizei nicht genügend Decken zur Verfügung gestanden.

Flüchtlinge wollten sich nicht registrieren lassen

Die Migranten hätten wohl damit gerechnet, dass sie ähnlich wie in Mazedonien bei ihrer Weiterreise Richtung Norden einfach freies Geleit bekommen würden, sagte Ivan. Als am Mittwochvormittag einige Flüchtlinge versucht hätten, das Aufnahmelager zu verlassen, ohne sich registrieren zu lassen, hätten die Beamten sie durch den Einsatz von Tränengas aufhalten wollen. „Die Polizei hat wohl überreagiert“, sagte die Menschenrechtlerin und wies darauf hin, dass von der Flüchtlingsgruppe keine Gewalt zu befürchten gewesen sei. Polizeisprecher Szabolcs Szenti sagte zu dem Einsatz, die rund 200 Flüchtlinge hätten sich geweigert, ihre Fingerabdrücke abzugeben und versucht, das Aufnahmezentrum zu verlassen. Die Polizei versuche, "die Lage zu beruhigen", sagte Szenti und berichtete von "schreienden" Flüchtlingen.

Wie ein AFP-Reporter vor Ort berichtete, beruhigte sich die Lage gegen Mittag wieder. Offenbar wollten die Flüchtlinge das Zentrum verlassen, weil sich dort die Nachricht verbreitete, dass Deutschland die Regeln für die Aufnahme von Syrern nach dem Dublin-Verfahren gelockert hat. Es sieht vor, dass Asylsuchende in dem Land ihren Antrag stellen müssen, in dem sie als erstes die EU betreten. Das Zentrum in Röszke ist das derzeit wichtigste Aufnahmelager Ungarns.

Am Mittwoch kündigte der ungarische Landespolizeikommandant Karoly Papp in Budapest an, dass aus den Reihen der Polizei eine Truppe von 2100 Beamten gebildet werden soll. Mit der Truppe, die ab Mitte September einsatzbereit sein soll, wollen die Behörden den Zustrom der Migranten eindämmen. „Die Polizei ist überfordert“, sagte Ivan.

Flüchtlingscamps rund um den Budapester Bahnhof

Kritisch wird die Lage auch in Budapest, wo rund um den Hauptbahnhof mehrere provisorische Flüchtlingscamps entstanden sind. Dort überließen es die Behörden freiwilligen Helfern, die Flüchtlinge mit Decken und dem Nötigsten zu versorgen, sagte die Anwältin. Unklar sei, wie lange die rund um den Hauptbahnhof campierenden Flüchtlinge noch in der ungarischen Hauptstadt geduldet würden, fügte sie hinzu.

Ungarns Regierungspartei erwägt Einsatz von Militär

Die konservative ungarische Regierungspartei Fidesz will Flüchtlinge unterdessen durch Soldaten stoppen lassen. In der kommenden Woche solle das grüne Licht des Parlaments für einen möglichen Militäreinsatz an der Grenze zu Serbien beantragt werden, erklärte ein Fidesz-Führungsmitglied am Mittwoch in Budapest. Ungarn solle die Möglichkeit erhalten, "das Militär für Aufgaben einzusetzen, die mit der Verteidigung der Grenzen und der Einwanderung in Verbindung stehen", sagte Szilard Nemeth, Co-Vorsitzender des Parlamentsausschusses für nationale Sicherheit. (mit AFP)

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