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Unterschiedliche Ansätze für Nahost. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (links) und Kanzler Olaf Scholz Anfang des Monats in Hamburg.

© AFP/LUDOVIC MARIN

Kompromisssuche im Nahost-Konflikt: Die EU könnte zum ernsthaften Vermittler werden

Deutschland hält zu Recht an seiner Staatsräson und der Unterstützung Israels fest. Aber es ist auch gut, dass es in der EU noch andere Sichtweisen auf den Nahost-Krieg gibt.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Die Sicherheit Israels gehört zur deutschen Staatsräson. Aber was ist mit anderen EU-Ländern, die dem Selbstverteidigungsrecht Israels engere Grenzen setzen? Die europäische Debatte der letzten Tage, die vor allem auf dem EU-Gipfel geführt wurde, hat eines gezeigt: Deutschland befindet sich mit seiner Nahost-Politik in der Gemeinschaft in einer Minderheitenposition.

Tagelang wurde für die Erklärung des Gipfels über einzelne Wörter, selbst über Buchstaben gestritten. Am Ende stimmte Kanzler Olaf Scholz einer Formulierung zu, der zufolge kurzzeitige Feuerpausen im Gazastreifen unterstützt werden. Während die Waffen schweigen, so die papierene Forderung, sollen Nahrung, Wasser, Medikamente und Treibstoff in den Gazastreifen gelangen.

Die Bundesregierung hätte es lieber gesehen, wenn die EU eindeutiger Position zu Gunsten Israels ergriffen hätte, das sich jetzt mit aller Härte gegen den barbarischen Terror der Hamas zur Wehr setzen will. Scholz hat beim Gipfel in dankenswerter Klarheit deutlich gemacht, dass an einer Einhaltung des Völkerrechts durch Israel – wohlgemerkt einer Demokratie – kein Zweifel bestehen sollte.

Enge Verbindung Österreichs mit Israel seit der Ära Vranitzky

Ähnlich sehen dies in der EU nur drei andere Staaten – Österreich, Tschechien und Ungarn. Die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson erklärt sich aus den Gräueltaten der Nationalsozialisten. Im Fall Österreichs ist es seit der Amtszeit des früheren Bundeskanzlers Franz Vranitzky zu einer immer engeren Verbindung zwischen Wien und der israelischen Regierung gekommen, vor allem in der Ära von Sebastian Kurz wurden die Kontakte intensiviert. Auf Tschechien wiederum kann sich Israel seit Jahrzehnten verlassen, wenn es darum geht, bei den Vereinten Nationen pro-palästinensische Resolutionen abzulehnen. Ähnliches gilt für Ungarn.

Am anderen Ende des Spektrums in der EU stehen Länder wie Spanien, Irland, Belgien und Luxemburg, die sich eher für die Belange der Palästinenser einsetzen. Und schließlich gibt es noch die große Gruppe derer, die Äquidistanz zwischen Israel und den Palästinensern anstrebt – allen voran Frankreich, dessen Nahost-Politik allerdings zuletzt wegen des islamistischen Terrors im eigenen Land zunehmend die Nähe Israels gesucht hat. Dennoch versuchte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei seinem jüngsten Besuch in Nahost einen Balanceakt: Erst traf er sich mit Angehörigen der von der Hamas verschleppten Geiseln, dann den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas.

Deutschland kann auf Grund seiner Geschichte den Grundsatz der Sicherheit Israels als Staatsräson nicht aufgeben. Es ist gut, dass es bei diesem Grundsatz bleibt, selbst wenn Deutschland mit seiner Haltung in der EU keine Mehrheit findet. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Macron, kaum war der Brüsseler Gipfel vorbei, erneut eine länger anhaltende Waffenruhe forderte. Eine längere Feuerpause würde der Hamas lediglich eine Atempause und eine Möglichkeit zur Neugruppierung verschaffen.

Palästinensiche Extremisten schließen sich einer Trauerfeier für zwei Männer an, die im Westjordanland bei einem israelischen Angriff getötet wurden.
Palästinensiche Extremisten schließen sich einer Trauerfeier für zwei Männer an, die im Westjordanland bei einem israelischen Angriff getötet wurden.

© AFP/ZAIN JAAFAR

Die Hamas vertritt ohnehin nicht die Sache der Palästinenser. Dass deren territoriale Ansprüche nicht unter die Räder geraten, ist aber sehr wohl ein Verdienst von EU-Vertretern wie Macron. Bei seiner jüngsten Nahost-Visite forderte Frankreichs Staatschef eine Zwei-Staaten-Lösung. Ähnlich wie Macron machte sich auch der EU-Gipfel für eine internationale Friedenskonferenz stark.

Allein schon der Gedanke an eine solche Friedenskonferenz mag angesichts der bevorstehenden israelischen Bodenoffensive schwer fallen. Mag auch sein, dass eine Zwei-Staaten-Lösung inzwischen aus der Zeit gefallen ist. Und doch gibt es gute Gründe für ein verstärktes diplomatisches Auftreten der Europäer. Denn die USA, die entscheidende Ordnungsmacht in der Region, sind letztlich mit ihrer Nahost-Politik gescheitert.

Washington setzte sich zuletzt für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten ein. Jetzt ist der Nahost-Konflikt wieder in seinem Kern entflammt – dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern.

Es wäre wünschenswert, dass die Europäer – gerade wegen ihrer unterschiedlichen Positionierung in dem Konflikt – gemeinsam in der Region zum ernsthaften Vermittler werden. Wenn damit am Ende die Sicherheit Israels gewährleistet würde, wäre allen gedient.  

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