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Blick auf die Anlandestation Nord Stream 2.

© IMAGO/Andre Gschweng

Details zu Nord Stream 2-Aufträgen: Chef der Klimastiftung vergab Millionenauftrag an seinen Bruder

Um Nord Stream 2 zu vollenden, hat die Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern Aufträge im Wert von 174 Millionen Euro an Dienstleister vergeben. Geld für die Stiftung kam vom Gazprom-Konzern.

Die Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern hat für die Fertigstellung der Ostseepipeline Nord Stream 2 119 Aufträge im Wert von 174 Millionen Euro an 80 Dienstleister vergeben. Nach einem lang andauernden Rechtsstreit hat die Stiftung der „Welt am Sonntag“ und der „Bild“ die Zahlen zur Verfügung gestellt.

Größter Profiteur war die Rokai GmbH mit Sitz in Rostock. Diese hatte im städtischen Hafen ein Logistikzentrum für das Projekt betrieben und erhielt einen Auftrag in Höhe von 36 Millionen Euro.

Geld stellte der Gazprom-Konzern zur Verfügung

Der „Welt am Sonntag“ zufolge hatte die Stiftung für die Arbeiten an der Pipeline einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (wG) eingerichtet, der nach Russlands Überfall auf die Ukraine abgewickelt worden ist. Die Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG (NS2) stellte dafür die Gelder.

Erwin Sellering, früherer Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und Vorstandsvorsitzender der Klimastiftung MV (Archivbild).
Erwin Sellering, früherer Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und Vorstandsvorsitzender der Klimastiftung MV (Archivbild).

© Foto: dpa/Jens Büttner

Außerdem erhielt die NS2 AG den zweithöchsten Auftrag mit einer Summe von über 31 Millionen Euro. Mit drei Aufträgen und 20 Millionen Euro folgt danach die italienische Stone Societa Cooperative. Die Stiftung kaufte von der Firma ein Spezialschiff für Schüttarbeiten in der Ostsee.

Die Informationen zur Vergabe der Aufträge hat die „Welt am Sonntag“ systematisch ausgewertet. Es wird vermutet, dass in mehreren Fällen die Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung missachtet wurden. Auch Interessenskonflikte sind teilweise offenkundig. Das wurde bereits von den Wirtschaftsprüfern der Stiftung in deren Bericht für das Geschäftsjahr 2021 festgestellt. Darin wurde auf „Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen“ hingewiesen.

Der Vorstandsvorsitzende der Klimastiftung, Erwin Sellering, beantwortete Fragen der „Welt am Sonntag“ zu den Geschäften nicht. Seine Aufgabe war es, den Chef des wGs, Steffen Petersen, zu kontrollieren. Seine vorherige Position als geschäftsführender Gesellschafter des Hamburger Beratungsunternehmens Cylad Consulting GmbH hatte er behalten.

Das Unternehmen bestreitet Vetternwirtschaft

Daher ist die Auftragsvergabe des wG der Klimastiftung an genau die Cylad mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Millionen Euro als kritisch zu betrachten. Das Unternehmen teilt in einer Stellungnahme mit: „Wir bitten um Verständnis, dass wir Tätigkeiten und Verträge, die sich nicht auf unser Unternehmen beziehen und/oder vereinbarten Geheimhaltungen unterliegen, nicht öffentlich kommentieren.“ Die Beziehungen der Cylad zur Stiftung hätten Compliance-Prüfungen standgehalten und seien von Wirtschaftsprüfern begutachtet worden: „Im Ergebnis wurde ausdrücklich festgehalten, dass es keinerlei Beanstandungen gibt.“

Als wG-Chef erteilte Petersen auch einen Auftrag in Höhe von 6,2 Millionen Euro an die Hamburger BOS Baustoff- und Off-Shore Service GmbH seines Bruders Lasse. Die Firma kletterte dadurch auf Platz 8 der Liste der größten Auftragnehmer. 2020 wies die Firma nach Berechnungen der Bonitätsagentur Creditreform nur eine Bilanzsumme von etwa 66.000 Euro auf.

Auf Anfrage der „Welt am Sonntag“ teilte das Unternehmen über einen Presseanwalt mit: „Wenn Sie in diesem Fall Vetternwirtschaft vermuten, dann sind Sie auf dem Holzweg.“ Die von Creditreform genannte Bilanzsumme sei höher, das von der Stiftung mitgeteilte Auftragsvolumen niedriger gewesen. Genaue Zahlen nannte er nicht. (Tsp)

Nachtrag: Die BOS Baustoff- und Off-Shore Service GmbH lässt ergänzend mitteilen, dass sie zu einem Zeitpunkt beauftragt worden sei, zu dem aufgrund der Sanktionsandrohungen durch die USA kein anderes Unternehmen bereit gewesen sei, die technische Zertifizierung auszuführen. Ein vorher zu höherer Vergütung beauftragtes Unternehmen hätte seinen Vertrag außerordentlich gekündigt, ein anderes Unternehmen sein Angebot zurückgezogen. Die Vergütung, die die BOS erhalten habe, habe unter der Vergütung gelegen, die die Wettbewerber angeboten hätten. Die Vergütung für die tatsächlich erbrachten technischen Zertifizierungsdienstleistungen wäre marktüblich gewesen. 

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