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Mehr Stimmen als erwartet bekam Sergio Mattarella.

© Paolo Giandotti/EPA/dpa

Neuer Staatspräsident Italiens: Der stille Sizilianer

Sergio Mattarella ist Italiens neuer Staatspräsident - und Ministerpräsident Matteo Renzi kann einen Sieg feiern: Sein Kandidat erhielt deutlich mehr Stimmen als Renzis Lager umfasst.

Es war kurz vor 13 Uhr am Samstag im italienischen Parlament, als bei der öffentlichen Stimmenauszählung der Countdown in den Reihen der Sozialdemokraten immer lauter wird: „Fünf, vier, drei, zwei, eins“ – stehender Applaus vier Minuten lang: Sie haben es geschafft. Sergio Mattarella hat die absolute Mehrheit erreicht; Italien hat einen neuen Staatspräsidenten. Und das auf einmal so schmerzlos. Fast alle sind glücklich.

Der Regisseur dieses seltenen Ereignisses bleibt einstweilen ungewöhnlich still im Hintergrund. Nur eine SMS schickt Regierungschef Matteo Renzi an seine Sozialdemokraten, noch während die Auszählung läuft: „Danke für eure Ernsthaftigkeit. Wir sind stolz.“ Und er twittert in alle Welt: „Viel Erfolg, Präsident Mattarella. Es lebe Italien!“

Es ist diesem Jungen mit List und Druck und Taktik ja viel mehr gelungen als zu erwarten war: 665 Stimmen hat sein Kandidat in den vereinigten Parlamentskammern erreicht, 220 Stimmen mehr als Renzi an eigenen Abgeordneten aufbieten kann. Eigentlich muss man noch einmal bis zu 130 Stimmen dazurechnen, denn in diesem Bereich bewegten sich die Dissidenten in der eigenen Partei, die Renzi erst mit der überraschenden Nominierung Mattarellas schlagartig auf seine Linie gebracht hat.

Selbst Renzis rechte Koalitionspartner, die Berlusconi-Abtrünnigen um Innenminister Angelino Alfano, auch sie kamen letztlich an Sergio Mattarella nicht vorbei. „Dessen Person ist über jeden Zweifel erhaben“, sagen sie knurrend: „Aber für die Art und Weise, mit der man ihn uns diktiert hat, knüpfen wir uns Renzi die nächsten Tage mal vor.“

Sergio Mattarella, der 73-jährige Verfassungsrichter, ist Balsam für die Seele der sozialdemokratischen Partei (PD), in der linkskatholische Reste der untergegangenen Democrazia Cristiana mit Ex-Kommunisten nur mühsam zusammenleben. Mattarella kommt aus der Christdemokratie und hat dann das Gründungsmanifest der Sozialdemokraten mitverfasst. In sich vereinigt er beide Welten. Selbst ein Silvio Berlusconi, der Mattarella nicht wollte, anerkennt dessen Autorität.

Leise spricht Mattarella, als still gilt er, der reine Gegensatz zur Renzi. Bei der Archivsuche hat selbst die italienische Haupt-Nachrichtenagentur ANSA nur 29 Meldungen über ihn gefunden, dafür aber – für die letzten drei Jahre – 63 Entscheidungen des Verfassungsgerichts, die Mattarella ausgearbeitet hat.

Dabei hat der gebürtige Palermitaner Mattarella die Politik schon im Säuglingsalter mit aufgesogen: Sein Vater war mehrfach Minister. Er selbst wäre lieber Jura-Professor geblieben. Dann aber kam jener 6. Januar 1980, an dem ein Killer der Cosa Nostra seinen Bruder Piersanti erschoss, der damals Ministerpräsident von Sizilien war; er starb buchstäblich in Sergios Armen. Von da an habe es zu einer politischen Laufbahn keine Alternative mehr gegeben, sagte er einmal.

So konnte Renzi seinen Kandidaten, den ersten Sizilianer im Amt des italienischen Staatspräsidenten, auch als Kämpfer gegen die Mafia bewerben, als einen Menschen mit unbeugsamem Rückgrat im Einsatz für Recht und Gerechtigkeit, „der im Bedarfsfall sogar denen ,Nein’ sagen wird, die ihn gewählt haben“ – was Mattarella noch mehr Stimmen brachte.

Beim Aufstieg des Fernsehmagnaten Berlusconi 1990 war Mattarella als Schulminister einer Regierung Andreotti zurückgetreten, weil er deren Gesetz zur nachträglichen Legalisierung von Berlusconis TV-Netzen für Unrecht hielt. Und heute, da sich Berlusconis Abstieg offenbar nicht mehr aufhalten lässt, er als verurteilter Steuerbetrüger selbst in den Stunden der Präsidentenwahl seinen Sozialdienst ableisten muss und ihm die eigene Partei zwischen den Fingern zerrinnt – genau in diesem Moment steigt derselbe Mattarella ins höchste Staatsamt auf. Berlusconi hatte seine Leute im Parlament angewiesen, leere Stimmzettel abzugeben; mehr als ein Drittel hat sich dennoch auf die Seite Mattarellas geschlagen.

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