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Zwei Modelle beim Finanzausgleich.

© dpa

Reform des Finanzausgleichs: Der nächste Versuch

Bund und Länder unternehmen an diesem Donnerstag einen neuen Anlauf, um den Finanzausgleich neu zu gestalten. Wie hoch sind die Aussichten auf Erfolg?

In der vorigen Woche haben sie es nicht geschafft. An diesem Donnerstag versuchen sie es wieder. Gelingt es jetzt? Die Kanzlerin und ihr Finanzminister einerseits, die Ministerpräsidenten andererseits, im Beisein von SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der Fraktionsspitzen und der zuständigen Fachleute aus dem Bundestag – sie wollen endlich ein Ergebnis erreichen in den fast schon ewig währenden Verhandlungen über einen neuen Bund-Länder-Finanzausgleich. Am frühen Nachmittag soll eine kleiner Runde auslosten, ob man zusammenkommt. Dann treffen sich, sollte Konsenswille bestehen, alle Ministerpräsidenten, um sich abzustimmen. Und am Abend könnte es eine Runde aller mit allen und mit Angela Merkel geben. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) schloss am Mittwoch eine Einigung nicht aus, aber festlegen wollte er sich auch nicht: „Alle Beteiligten sollten ein Interesse daran haben, dieses schwierige Thema jetzt auch zu klären.“

Das Problem ist, aus zwei nicht ganz kompatiblen Modellen eines zu machen. Die Ministerpräsidenten hatten sich im vorigen Dezember geeinigt, aus dem bisherigen vierstufigen Verfahren eines mit drei Stufen zu machen. Der Ausgleich zwischen den Ländern würde demnach nur noch über die Umsatzsteuerverteilung untereinander geregelt (das war bisher die zweite Stufe), den Länderfinanzausgleich im engeren Sinne hingegen, die bisherige dritte Stufe, gäbe es nicht mehr. Er lief über die Landesetats und war oft Anlass für Streitereien zwischen Zahler- und Nehmerländern. Vor allem Bayern wollte hier eine Minderung seiner Zahlungen. Schäuble freilich hält das Länder-Modell für zu wenig transparent und hat im Frühjahr einen Gegenvorschlag gemacht, ebenfalls dreistufig, nur eben umgekehrt: Länderfinanzausgleich statt Umsatzsteuer. Die Länder wiesen das zurück.

Schäuble ging auf Länder zu

In der Vorwoche ging der Bundesfinanzminister jedoch auf die Länder zu. Zwar will er nun wieder vier Stufen, orientiert sich also am Status quo, aber der Umsatzsteuerausgleich soll deutlich größer ausfallen als der Länderfinanzausgleich. Dafür hat Schäuble die Anrechnung der Finanzkraft der Kommunen aus der dritten in die zweite Stufe geschoben, zudem würde er einen größeren Umsatzsteueranteil des Bundes an die Länder abtreten (7,9 Milliarden statt vier Milliarden Euro im Länder-Modell). Zwar sieht er (in der vierten Stufe des Ausgleichssystems) deutlich geringere zusätzliche Bundeszuweisungen vor als die Länder es tun, dafür aber rechnet er die Fortführung der so genannten Entflechtungsmittel (Ersatz für frühere Bundesbeteiligungen etwa im Wohnungsbau und der Hochschulpolitik) als Bundesleistung hinzu.

Insgesamt ergibt das einen zusätzlichen Bundeszuschuss von 8,5 Milliarden Euro, während die Länder 9,5 Milliarden verlangt hatten. Freilich ist das Geld nicht das entscheidende Problem – zumal der Bund mittlerweile die Einnahmen aus dem „Soli“ größtenteils für sich vereinnahmen kann, weil die Zuschüsse an die Ost-Länder stark gesunken sind. Entscheidend ist letztlich wohl, wie weit Schäuble bereit ist, den Umsatzsteuerausgleich im Sinne der Länder auszuweiten. Und ob er bereit ist, die Summe des Bundes mit der Zeit ansteigen zu lassen - entsprechend dem Wachstum der Haushalte, also der Steuereinnahmen. Bisher bietet er nur einen Festbetrag an, die LÄnder würden also mit der Zeit schrittweise schlechter gestellt.

Wie reagieren Bayern, NRW, der Osten?

Wichtig ist auch, wie weit die Verhandlungsziele vor allem von drei Beteiligten erfüllt werden: Bayern, der Osten, NRW. Das ist aus Schäubles Sicht schon in seinem Modell der Fall. Bayern etwa schneidet im Vergleich zum bisherigen Ausgleich um 1,4 Milliarden Euro besser ab – wobei die Zahlungen im Länderfinanzausgleich 0,8 Milliarden Euro geringer wären als jetzt. Auch die Ost-Länder könnten zufrieden sein: Nach Berechnungen der Leipziger Finanzwissenschaftlers Thomas Lenk und Philipp Glinka schneiden sie bei Schäuble etwas besser ab als im Länder-Modell, weil sie weniger abhängig wären von direkten Bundeszuschüssen. Die Zuflüsse wären ab 2020, wenn der neue Finanzausgleich einsetzen soll, nicht gravierend geringer als 2019 (wenn der Solidarpakt ausläuft).

Bleibt Nordrhein-Westfalen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wollte erreichen, dass ihr Land künftig stärker dasteht als bisher. Das gelingt im Länder-Modell, wenn auch nur sehr knapp und nicht nachhaltig, jedoch bleibt NRW in Schäubles Vorschlag Nehmerland im Länderfinanzausgleich. Allerdings rechnete Schäuble vor, dass der Gesamtgewinn in seinem Vorschlag mit 1,5 Milliarden Euro etwas höher wäre als im Ländermodell. Der Düsseldorfer Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) pocht zwar auf das Ländermodell. "Über alle Parteiengrenzen hinweg haben sich die Länder damit auf eine fairere und zugleich solidarische Verteilung der Mittel nach 2019 geeinigt", sagte er dem Tagesspiegel. "Wir sind zuversichtlich, dass die erzielten Ergebnisse eine entscheidende Rolle in den Gesprächen spielen werden." Was Spielraum für Veränderungen andeutet.

Schäubles Giftliste

Je mehr Schäuble und die Verantwortlichen in Bundesregierung und Bundestag den Ländern beim Finanzausgleichsmodell entgegenkommen, umso mehr wollen sie "Kompensation". Dafür hat Schäuble schon in seinem Vorschlag vom Frühjahr eine Reihe von Forderungen erhoben, die allesamt auf eine stärkere Zentralisierung des Bunddesstaats hinauslaufen. Nun hat er sie zwar von seinem neuen Modell abtrennt, aber die 15-Punkte-Liste liegt dennoch auf dem Tisch. Ganz oben steht der Wunsch des Bundes nach einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft - ein Nebenhaushalt, in den nicht zuletzt die Mauteinnahmen fließen sollen, die aber auch die Planung und Verwaltung der Bundesstraßen, inklusive der Autobahnen, übernehmen soll, bisher eine Aufgabe der Länderverwaltungen. Die Verkehrsminister der Länder lehnen das ab, ob die Ministerpräsidenten es auch tun, ist unklar. Im Gespräch ist aber auch eine weitere Lockerung der Regel, wonach sich der Bund nicht in die Bildungspolitik der Länder und Kommunen einmischen soll. Daneben will Schäuble mehr Kontrollrechte es Bundes bei der Schuldenbremse und bei der Mitfinanzierung von Länderaufgaben durch den Bund. Allerdings will er den Ländern auch mehr Spielraum in der Sozialgesetzgebung geben, etwa bei der Kinder- und Jugendhilfe. Merkel dämpfte vor den Treffen die Erwartungen: Sie hoffe, "dass wir einen Schritt vorankommen. Aber es ist viel Arbeit.“

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