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"Und erlöse uns von allen Üblen" #76: Das Treffen auf dem Golfplatz

Verleger Schwarzkoff steht im Mittelpunkt der Ermittlungen im Mordfall Freypen. Die Polizei will mehr erfahren. Ein Fortsetzungsroman, Teil 76.

Was bisher geschah: Verleger Schwarzkoff fühlt sich nach dem Mord an Freypen und dem Tod des Ermittlers Lawerenz in Gefahr. Er ist als letzter der alten Freunde übrig.

In 100 Teilen bis zur Bundestagswahl 2017 erscheint der Politkrimi "Und erlöse uns von allen Üblen" online als Fortsetzungsroman im Tagesspiegel. Hier Folge 76 vom 30. August.

Seit jener Nacht, in der sie ihn laut hatte stöhnen hören, kommt Jens-Peter Schwarzkoff seiner Frau merkwürdig zerrissen und geistesabwesend vor. Sie ahnt, dass es mit dem Tod von Joachim Freypen zu tun haben musste. Die waren zwar Freunde gewesen, doch traut sie ein Gefühl wie tiefen Schmerz ihrem Mann nicht zu. Der hatte keine Gefühle oberhalb seiner Gürtellinie, davon war sie bisher überzeugt. Nun ist sie nicht mehr so sicher. Selbst seine sonst so kalten hellblauen Augen lebten plötzlich, allerdings zeigten die nicht etwa einen Abglanz seiner Seele. Vor seinem mitunter Kinski-haft wahnsinnigen Blick konnte man im Gegenteil sogar Angst bekommen. Sie natürlich nicht. Sie hat keine Angst mehr vor ihm. Sie hasst ihn nur. Es hat lange gedauert, bis sie diesen Hass als ihr Überlebensmittel entdeckte. Nun wärmt er sie. So wie andere Menschen die Liebe.

Julia Moser war neunzehn Jahre alt, als sie bei einem Semesterabschlussball im Münchner Regina-Hotel zum ersten Mal diesen großen, blendend aussehenden Typen traf, der sich ihr als Jens-Peter Schwarzkoff vorstellte. Schon in dieser Nacht schlief sie mit ihm. Er war ihr Märchenprinz und der Mann ihres Lebens, der erste und der letzte. Heute würde sie, aus Erahrung zynisch und deshalb klug, diese Jungmädchenschwärmerei ein wenig variieren, aber nur ein einziges Wort verändern: Jens-Peter Schwarzkoff war der erste und das letzte. Der reiche Jurastudent, der kurz vor dem Abschluss stand, spiegelte sich vor allem in ihrer bedingungslosen Anbetung, aber auch er zeigte sich damals hingerissen von ihr. Sie besaß die durchsichtige Schönheit einer italienischen Gräfin, was gar nicht so kitschig weit hergeholt war, denn Julias früh verstorbene Mutter stammte aus Mailand.

Die beiden durchliebten einen unendlich scheinenden Münchner Sommer und danach hatte Jens-Peter Schwarzkoff genug von ihr. Bevor er aber den richtigen Moment für seinen Absprung fand, was ihm nie schwergefallen war in seinen bisherigen Affären, starb sein Vater. Er musste zurück nach Hamburg und als knapp 24-jähriger Erbe die Abendpost übernehmen. Julias Familie gehörte der Adalbert-Stifter-Verlag, und der wiederum passte ideal zur Abendpost. Deshalb passte auch seine eigentlich schon abgehakte Geliebte wieder in Schwarzkoffs Pläne.

Statt sich von ihr zu trennen, was Julia Moser damals das Herz gebrochen, aber ein Leben an seiner Seite erspart hätte, heirateten sie. In den ersten Jahren der Ehe glaubte sie noch, selbst schuld zu sein an ihrem wachsenden Unglück. Zum Beispiel, weil sie keine Kinder bekam. Bis sie erfuhr, dass nicht sie, sondern ihr Mann unfruchtbar war, sich ihr Märchenprinz längst auf anderen Frauen vergnügte und sie abgeschrieben hatte wie eine Druckmaschine. Da sie katholisch war und sich mit ihren Depressionen wieder im dunklen Schoß von Mutter Kirche verkrochen hatte, kam eine Scheidung nie in Frage. Was ihrem Mann sogar recht schien, denn die, mit denen Schwarzkoff lieber schlief, hätte er in der Hamburger Gesellschaft nicht vorführen können. Julia dagegen machte eine gute Figur. So nannte man das in diesen Kreisen. Geschäftlich war die Verbindung allerdings erfolgreich, das aus Schwarzkoff + Moser entstandene Medienunternehmen mit allen Aktivitäten inzwischen über eine Milliarde Euro wert. Die Ehefrau gehörte auf die Haben-Seite, seit nunmehr sechsunddreißig Jahren.

Julia Schwarzkoff hatte vorgeschlagen, sich im Golfclub zu treffen. Ihr Mann war in seinem Verlag, aber in den vergangenen Tagen kam er zu immer seltsameren Zeiten nach Hause, manchmal schon nachmittags, und schloss sich dann in seinem Arbeitszimmer ein. Sie konnte also nicht vorhersagen, wie es heute sein würde. Er musste nicht unbedingt erfahren, dass sie sich mit der Beamtin  unterhielt, die den Mordfall Freypen untersuchte. Zumal er beim Frühstück, wo sich manchmal ein Gespräch nicht vermeiden ließ, böse über diese blonde Emanze Susanne Hornstein hergezogen war. Julia Schwarzkoff hatte sich daran erinnert, denn eine Frau, die ihr Mann schrecklich fand, war ihr zunächst einmal höchst sympathisch.

Georg Krucht sagt die ganze Fahrt über nichts. Was seine Beifahrerin keineswegs stört. Sie weiß nicht, was sie mit ihrem seltsamen Liebhaber reden sollte. Liebhaber. Wie sich das anhört. Es war eine einzige Nacht gewesen, und mit lieb haben hatte die nichts zu tun. Irgendwie klingt das alles klebrig. Nicht unpassend zweideutig diese Assoziation, aber eindeutig nicht zu ihr passend. Soll sie ihn etwa fragen, ob er heute Abend schon was vorhat? Warum eigentlich nicht, würde ihre Mutter jetzt kontern, du bist doch noch nicht ausgetrocknet, mein Kind. Die hat ihre Hoffnung längst aufgegeben, dass sich Susanne doch noch entschließen könnte, zu heiraten. Frauen im Alter ihrer Tochter waren kaum mehr an den Mann zu bringen. Für Enkel, die sie sich immer gewünscht hatte, war es ohnehin zu spät.

Krucht hat keine Ahnung, warum ihn seine Kollegin so forschend anschaut, er kann ja nicht wissen, woran Susanne Hornstein gerade gedacht hat. Sie raucht und schert sich einen Teufel drum, dass er demonstrativ die Seitenfenster öffnet. Als sie vor dem Clubhaus vorfahren, bleibt der Kommissar sitzen. Er wird im Auto warten. Dann könnte er sie rechtzeitig warnen, bemerkt er lakonisch, falls es überraschenden Besuch ge­ben sollte. Von dem Mann zum Beispiel, dessen Alibi sie gerade überprüfen wollen.

"Frau Schwarzkoff?", fragt sie die schlanke Frau, die auf einen Schläger gestützt am Putting Green steht: "Ich bin Susanne Hornstein, wir haben telefoniert", und sie mustert ihr Gegenüber dabei unverhohlen. Teuer angezogen, ohne modischen Schnickschnack, schmales Gesicht, Mitte fünfzig etwa, dunkle Haare, traurige Augen. So wenigstens wirken die. Sie wird von Julia Schwarzkoff ebenso ungeniert von oben bis unten angeschaut, bevor sie mit einer Handbewegung auf einen leeren Tisch auf der Terrasse weist: "Stört es Sie, wenn wir draußen sitzen bleiben? In der Sonne ist es noch ganz angenehm." Susanne Hornstein nickt, es ist offensichtlich so, dass die andere Frau aus anderen Gründen nicht ins Haus gehen will, wo neugierige Gesichter hinter den Fensterscheiben zu erkennen sind.

Und morgen lesen Sie: Ermittlerin Hornstein erfährt mehr über Schwarzkoff.

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