zum Hauptinhalt
Der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow (Linkspartei), sieht das Verhältnis zwischen West und Ost massiv gestört.

© dpa/Martin Schutt

„Das ist wie ohrfeigen oder schlagen“: Ramelow rügt fehlende Würdigung der Menschen in Ostdeutschland

Erst bemängelt Thüringens Regierungschef Pauschalurteile und die Berichterstattung über Ostdeutsche. Nun sagt er, „die psychologische Einheit hat Totalschaden erlitten“.

Der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, hat wiederholt deutlich gemacht, dass er große Probleme im Verhältnis zwischen West- und Ostdeutschen sieht. In den Tagesthemen in der ARD äußerte er sich nun in ungewöhnlich scharfer Form. Der Linken-Politiker sagte am Mittwochabend:  „Die ökonomische Einheit ist gut gelungen, aber die psychologische Einheit hat Totalschaden erlitten.“

Er nehme wahr, dass wieder mit Klischees gearbeitet werde und dass die AfD ausschließlich als ein ostdeutsches Thema dargestellt werde. „Das sind alles Dinge, die ich als wenig hilfreich empfinde“, sagte er.

Scharf kritisierte er die seiner Meinung nach westdeutsche Sichtweise vieler Entscheider. Diese würden nicht verstehen, dass die alte Bundesrepublik nicht mehr existiere. „Wir haben 30 Jahre Transformation.“

Die westdeutsche Seite muss vielleicht erstmal hinhören und sollte zuhören.

Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen

Deutschland sei in dieser Zeit sehr stark geworden, und Ostdeutschland habe einen großen Beitrag geleistet. „Und wenn dann im Gegenzug gesagt wird, die ostdeutschen Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer leisten nicht so viel und deswegen verdienen sie auch weniger, dann ist das wie ohrfeigen oder schlagen.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Die emotionale Seite der deutschen Einheit muss uns stark machen – und zwar gesamtdeutsch“, sagte Ramelow. Er verwies darauf, dass Ostdeutschland eben nicht nur die verlängerte Werkbank von Konzernen sei, sondern wie Thüringen auch kleinere und mittlere Unternehmen habe, die teilweise Weltmarktführer und Technologieführer seien.

Doch viele seien zu leise. Sie würden nicht laut genug sagen, was sie alles produzieren können, was in „Westdeutschland als Selbstverständlichkeit angenommen wird“.

West- und Ostdeutsche müssten darüber reden, dass es Probleme in dem Land gebe, die gelöst werden sollten, sagte der Ministerpräsident. Ramelow nannte als Beispiel eine bessere Schulbildung, mehr Kindergärten und eine bessere medizinische Versorgung im ländlichen Raum.

„All das sind Themen, bei denen wir Lösungen brauchen. Da hätten wir in Ostdeutschland Kompetenzen, die wir einbringen wollen.“ Aber als Ministerpräsident erlebe er, „dass auf unsere Kompetenzen schlicht verzichtet wird oder sie einfach ignoriert werden“.

Ramelow erklärte, ihm wäre es lieber, wenn man auch in Ostdeutschland deutlicher sagen würde, „was wir gemeinsam erreicht haben“. „Und die westdeutsche Seite muss vielleicht erstmal hinhören und sollte zuhören“, sagte er im Interview.

Ramelow sieht eine Verzerrung der Realität

In der „Thüringer Allgemeinen“ hatte Ramelow nach den jüngsten kommunalpolitischen Wahlerfolgen der AfD zuvor beklagt, dass über Ostdeutsche Pauschalurteile gefällt würden. „Was wir gerade erleben, ist eine teilweise Verzerrung der Realität“, sagte er.

„Aus skandalisierender Berichterstattung und verkürzten Analysen entsteht die falsche Wahrnehmung, dass die 52 Prozent der Wähler, die im Kreis Sonneberg für einen AfD-Landrat gestimmt haben, alles Nazis sein müssten.“

Der Linke sagte, es werde ausgeblendet, „welche sozialen und politischen Friktionen wir haben und was die AfD im Moment in ganz Deutschland hochtreibt“. Ramelow kritisierte einen Teil der überregionalen Medien.

„Wenn ich den ganzen Tag mit Kamerateams in Sonneberg und Umgebung unterwegs bin und nach Nazis suche, dann finde ich die auch“, sagte er. „Und wenn dann jemand sagt, ich will Adolf Hitler wiederhaben: Solche Deppen gab es immer. Und es gibt sie auch in Westdeutschland.“

Der Thüringer Regierungschef warf der AfD vor, allein auf negative Emotionen zu setzen. „Sie bündelt Ängste, Vorurteile und Aggressionen, was vor allem in Ostdeutschland funktioniert.“

Die anderen Parteien sollten auf deren Erstarken nicht mit gegenseitigem „Draufklopfen“ reagieren, sagte er. Das gelte für die CDU, aber auch für seine Partei.

So höre er in der Linken Forderungen, man sollte den Landkreis Sonneberg als Nicht-Deutscher möglichst schnell verlassen. „Da habe ich zurückgefragt: Habt ihr sie noch alle?“ (lem)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false