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Demonstration im Liegen: So wurde für mehr Unterstützung und Forschung für Betroffene des Chronischen Fatigue-Syndroms geworben.

© Foto: Karin Christmann/Der Tagesspiegel

Chronisches Fatigue-Syndrom: Göring-Eckardt verspricht mehr Geld für die Forschung

Im Liegen demonstrierten vor dem Bundestag Hunderte für die Betroffenen des chronischen Fatigue-Syndroms. Die Bundestagsvizepräsidentin versprach Geld für Forschung – wurde aber auch deutlich kritisiert.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) hat am Freitag in Berlin mehr Geld für die Erforschung des chronischen Fatigue-Syndroms versprochen – und zwar schon im nächsten Bundeshaushalt, der derzeit aufgestellt wird.

Betroffene und ihre Unterstützer:innen hatten zu einer Demonstration vor dem Bundestag aufgerufen. Einige hundert Menschen kamen, um mehr Forschung und Unterstützung einzufordern. Für eine Viertelstunde innerhalb der mehrstündigen Veranstaltung machten sie im Liegen auf die Nöte der Betroffenen aufmerksam, oftmals stellvertretend für eigene Angehörige. Schwer Betroffene können ihre Wohnung oft nicht verlassen.

Mit Schildern machten die Demonstrierenden auf die Schicksale ihrer Angehörigen und Freunde aufmerksam.
Mit Schildern machten die Demonstrierenden auf die Schicksale ihrer Angehörigen und Freunde aufmerksam.

© Foto: Karin Christmann/Der Tagesspiegel

Das chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, häufig als Spätfolge einer Infektionskrankheit wie beispielsweise Influenza. Auch als besonders schwere Nachfolge einer Corona-Infektion kommt die Krankheit vor, wodurch sie im Moment neu im Fokus der Öffentlichkeit steht. Die Demonstration vor dem Bundestag war Teil eines internationalen Aktionstages zum Thema.

Selbst der Gang zur Toilette ist für viele unmöglich

Die Lebensqualität der Betroffenen ist enorm eingeschränkt, sie leiden an massiver Schwäche und können oft Reize wie Licht oder Geräusche nicht mehr ertragen. Schon normale Alltagsaktivitäten wie der Gang zur Toilette sind für manche Erkrankten unmöglich. Die Krankheit ist wenig erforscht, es fehlt an Behandlungsmöglichkeiten. Die Betroffenen beklagen, in den Strukturen des Gesundheitssystem nicht gut versorgt zu werden und vor großen praktischen und administrativen Hürden zu stehen.

Das schilderte in ihrer Rede auch Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt. „Es braucht mehr Öffentlichkeit“, sagte sie. Sie berichtete vom Fall einer erkrankten Schülerin, die gern über einen Avatar-Roboter in ihr Klassenzimmer zugeschaltet würde. Das sei an Datenschutzbedenken anderer Eltern gescheitert. Göring-Eckardt forderte, das Bildungssystem müsse sich auf die Bedürfnisse der Kinder einstellen. Sie dankte den Eltern, „die alles durchkämpfen“.

An dieser Stelle kam ein wütender Zwischenruf aus dem Publikum: „Wir brauchen kein Danke, wir brauchen Forschung“, lautete er. Göring-Eckardt versprach, schon im nächsten Bundeshaushalt werde dafür mehr Geld bereitgestellt. Dies sei ein überparteiliches Anliegen.

Gerade erst lehnte die Ampel einen Antrag zum Thema ab

Allerdings: Erst vor wenigen Tagen lehnte die Ampelkoalition im Gesundheitsausschuss des Bundestags einen Antrag der Unionsfraktion zum Thema ab. Bei der Demonstration sprach auch der CSU-Abgeordnete und Gesundheitspolitiker Erich Irlstorfer. Er sagte, er habe die Hoffnung gehabt, nach guten gemeinsamen Beratungen würde man sich auf den Antrag einigen können.

Er sei von der Ablehnung überrascht und enttäuscht gewesen. Zwar könne er sogar nachvollziehen, wenn ein Antrag der Opposition aus Prinzip abgelehnt werde. Er sei aber irritiert, dass die Koalition dann keinen Gegenvorschlag unterbreite.

Das Bett seit 588 Tagen nicht verlassen. Augen öffnen, reden, zuhören, bewegen... kaum möglich.

Per Schild machen Eltern auf das Schicksal ihrer Kinder aufmerksam.

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel sagte Göring-Eckardt anschließend, es komme nicht darauf an, einen solchen Antrag zu beschließen. Das Wesentliche lasse sich auf anderem Weg regeln, etwa über die Bereitstellung von Geld im Bundeshaushalt, und dabei herrsche überparteilicher Konsens.

ME/CFS-Demo vor dem Bundestag
ME/CFS-Demo vor dem Bundestag

© Foto: Karin Christmann/Der Tagesspiegel

Die Demonstration zeigte, wie dringend die Betroffenen darauf warten, dass sich etwas tut. Auch viele Eltern schwerkranker Kinder waren gekommen und trugen Schilder, auf denen sie auf das Schicksal ihrer Töchter und Söhne aufmerksam machten.

Eines davon zeigte ein Bild der 20-jährigen Anina. „Erkrankt seit 951 Tagen, Corona am 3.10.2020“ hieß es darauf. „Das Bett seit 588 Tagen nicht verlassen. Augen öffnen, reden, zuhören, bewegen... kaum möglich.“

Anmerkung: Der Begriff „Chronisches Erschöpfungssyndrom“ wurde im Text nachträglich in „Chronisches Fatigue-Syndrom“ geändert, was der Abkürzung CFS entspricht.

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