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Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV).

© dpa/Heiko Rebsch

Chemnitz, Corona, Antisemitismus: Die vielen Fehltritte des Hans-Georg Maaßen

Erneut verbreitet der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident rechte Narrative. Es ist nicht das erste Mal. Eine Chronologie seiner Entgleisungen.

„Meine Tweets sind sorgfältig vorbereitet“, sagte Hans-Georg Maaßen im Gespräch mit der „Welt am Sonntag“ im August 2019. „Für mich ist ein Tweet so etwa wie eine Presserklärung. Da sollte man schon zweimal darüber nachdenken, bevor man auf Senden drückt“, fügte der ehemalige Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz im Interview hinzu.

Als Maaßens Twitter-Follower sollte man also davon ausgehen, dass der 60-Jährige auch dahinter steht, was er schreibt, teilt und kommentiert. Umso verwunderlicher, dass der CDU-Politiker wiederholt abgesetzte Tweets nach öffentlicher Kritik löschte, zuletzt am Montagnachmittag. Doch da war die erneute Debatte über die politische Gesinnung des Hans-Georg Maaßen längst im Gange.

Bereits vergangene Woche hatte der Ex-Chef des deutschen Inlandgeheimdienstes dem rechten Publizisten Alexander Wallasch ein Interview gegeben und sich zum Rassismus gegenüber weißen Menschen geäußert. Diesen nicht anzuerkennen, sei „Ausdruck einer grün-roten Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse“, sagte Maaßen.

Am Wochenende lobte der frühere Verfassungsschutzpräsident schließlich den von Verschwörungsideologen geführten YouTube-Kanal „Ketzer der Neuzeit“. Die Betreiber des Projekts sind dem Reichsbürger-Spektrum zuzurechnen. „Diese klugen und mutigen jungen Leute sind unsere Zukunft“, schrieb Maaßen dazu auf Twitter. Nachdem es am Montag öffentliche Kritik für die fragwürdige Werbung hagelte, löschte er seinen Beitrag kommentarlos.

Seine Rolle im Fall Murat Kurnaz

Im Sommer 2012 wurde Hans-Georg Maaßen auf Vorschlag des damaligen Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich (CSU) zum Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz ernannt. „Das Wichtigste ist, das Vertrauen in den Verfassungsschutz zurückzugewinnen“, erklärte Maaßen zum Amtsantritt. Schon damals war die Personalie nicht unumstritten.

Ausschlaggebend für die Kritik war vor allem die Rolle des Juristen in der Affäre um den Bremer Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz. Im BND-Untersuchungsausschuss hatte Maaßen der Bundesregierung damals die rechtliche Bewertung dafür geliefert, sich nicht für die Freilassung von Kurnaz einzusetzen.

Ermittlungen gegen Journalisten

Drei Jahre später sorgte der Verfassungsschutz-Präsident durch mehrere Anzeigen wegen des Verdachts des Landesverrats für einen Skandal. Infolge der Ermittlungen wurde gegen zwei namentlich bekannte Journalisten des Blogs „netzpolitik.org“ ermittelt. Die Anzeigen wurden als Angriff auf die Pressefreiheit wahrgenommen, Maaßen erklärte jedoch, er habe die Anzeigen ursprünglich ausdrücklich nicht gegen die Blogger gestellt.

Gleichzeitig ging aus den Akten des Verfahrens hervor, dass Maaßen als Jurist hätte wissen müssen, dass sich das Verfahren gegen die Journalisten richtete. Unter anderem der heutige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte daraufhin Maaßens Rücktritt.

Die frühere AfD-Chefin Frauke Petry während einer Sitzung im Deutschen Bundestag, dem sie mittlerweile nicht mehr angehört.
Die frühere AfD-Chefin Frauke Petry während einer Sitzung im Deutschen Bundestag, dem sie mittlerweile nicht mehr angehört.

© dpa/Wolfgang Kumm

Regelmäßige Treffen mit Frauke Petry

Durch ein Buch der AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber wird im Sommer 2018 bekannt, dass Maaßen die damalige AfD-Chefin Frauke Petry regelmäßig getroffen haben soll. Als Verfassungsschutz-Präsident habe er dabei auch Ratschläge gegeben., wie die rechtspopulistische Partei einer Beobachtung durch die Behörde entgehen könnte. Maaßen dementierte die angeblichen Tipps, gab gleichzeitig aber zu, Petry getroffen zu haben.

Zweifel am Video von Ausschreitungen in Chemnitz

Wenig später stolpert der Jurist über eine weitere Kontroverse und wird des Amtes als Leiter des Verfassungsschutzes enthoben. In einem Interview mit der Bild-Zeitung bestritt Maaßen trotz eindeutiger Videoaufnahmen, dass es im sächsischen Chemnitz zu „Hetzjagden“ gegen Menschen mit Migrationshintergrund gekommen sei.

Im Nachgang wurde sowohl die Authentizität des Videomaterials bestätigt als auch die Tatsache, dass sich Rechtsextreme nach einem Bericht des sächsischen Landeskriminalamtes gezielt für „Hetzjagden“ verabredet haben sollen. Die Auseinandersetzung um Maaßens Amtsenthebung führte die damalige Große Koalition fast zum Bruch. Im November 2018 wurde Maaßen schließlich in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Nähe zu Corona-Leugnern

Wenige Monate darauf sucht der heute 60-Jährige erstmals die Nähe zur ultrakonservativen „Werteunion“, später tritt er der Splittergruppierung innerhalb der Union als Mitglied bei. Seitdem fällt Maaßen immer wieder durch rechtskonservative Äußerungen auf. In den sozialen Medien teilte er unter anderem ein Video des Arztes Sucharit Bhakdi, der durch antisemitische Aussagen und seine Nähe zu Corona-Leugnern bekannt wurde.

Gast in rechten Formaten

Gleichzeitig war Maaßen zu Gast in rechten Formaten wie „Hallo Meinung“ von Peter Weber oder teilte die Verschwörungsideologie des „Great Reset“. Klimaaktivistin Luisa Neubauer warf Maaßen im Mai 2021 bei „Anne Will“ vor, dass der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes „antisemitische und rassistische Inhalte“ verbreite. Dieser wehrte sich gegen die Vorwürfe.

Andere pflichteten Neubauer bei. Darunter der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes Stephan J. Kramer, der Maaßen die Verwendung „klassischer antisemitischer Stereotypen“ vorwarf. Der renommierte Rechtsextremismusforscher Matthias Quent kam in einer Analyse zu einem ähnlichen Schluss. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) verglich das Agieren von Hans-Georg Maaßen mit dem des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke.

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