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Pro-Gaza-Demonstration in Essen

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Antisemitismus-Streit in der Linken: Bundespartei rüffelt Genossen in NRW

"Gemeinsames Agieren mit Antisemiten kommt für uns nicht in Frage", versichern die Linken-Spitzenpolitiker Gregor Gysi, Katja Kipping und Bernd Riexinger. Doch der Nahost-Streit in der Linkspartei ist damit nicht beigelegt.

Von Matthias Meisner

Es war als Machtwort zu verstehen, auch wenn es aus Sicht von einigen Genossen recht spät kam. "Demonstrationen gegen eskalierende Gewalt sind richtig", erklärten gemeinsam der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Gregor Gysi sowie die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger. Aber: "Gemeinsames Agieren mit Antisemiten, mit Menschen, die ,gegen die Juden' offen oder unterschwellig agitieren oder mit Menschen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen, kommt für uns nicht in Frage", erklärten die drei Spitzenpolitiker. Und: "Angriffe auf und Bedrohungen von Menschen, gewalttätiges Agieren auf, vor und nach Demonstrationen werden von der Linken weder gebilligt noch akzeptiert". Vertreter der Partei hätten "schon bisher entsprechend agiert" und würden dies in Zukunft "noch deutlicher" tun, versicherten sie.

Gysi, Kipping und Riexinger nahmen damit - indirekt - Bezug zum heftigen Streit in der Linkspartei vor allem um eine Demonstration am vergangenen Freitag in Essen, zu der die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen aufgerufen hatte. Transparente waren dort zu sehen, auf denen der Davidstern und das Hakenkreuz miteinander verschlungen sind. Auf anderen Schildern stand: "Angeblich früher Opfer, heute selber Täter". Als Redner traten dort auf der nordrhein-westfälische Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat und der Landesvorsitzende Ralf Michalowsky. Nach der Kundgebung zogen hunderte Teilnehmer weiter zu einer pro-israelischen Kundgebung in der Stadt. Die Polizei musste mit einem Großeinsatz verhindern, dass die Teilnehmer der Pro-Israel-Demo attackiert wurden.

Linke-Spitzenpolitiker Katja Kipping, Bernd Riexinger und Gregor Gysi (rechts)
Linke-Spitzenpolitiker Katja Kipping, Bernd Riexinger und Gregor Gysi (rechts)

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"Endlich!!!" kommentierte die linke Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau erleichtert die Erklärung von Gysi, Kipping und Riexinger. Doch ob diese wirklich Frieden schafft in der Linkspartei, ist offen. Denn es gibt beides: scharfe Kritik am Agieren des NRW-Landesverbandes, aber auch eine Solidarisierungswelle. Nach dem Berliner Linke-Landesvorsitzenden Klaus Lederer, der von "unerträglichem" Hass gegen Israel gesprochen hatte, warnte die Linke in Sachsen-Anhalt "vor der Melange, die sich auf den Demonstrationen im Ruhrgebiet, in Berlin oder auch in Paris gezeigt hat". Die Landesvorsitzende Birke Bull sagte, viele Demonstranten würden "das einseitige Bild eines Aggressors" verbreiten, "der immer Israel heißt und die Juden meint". Die Linke sei in der Pflicht, "sich gegen Instrumentalisierungen der eigenen Friedensinitiativen zu wehren".

Sahra Wagenknecht
Sahra Wagenknecht

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Ausdrücklich solidarisch mit der Nahost-Position des Landesverbandes erklärte sich dagegen die NRW-Landesgruppe der Linken im Bundestag. "Unerträglich" sei es, "dass nun ausgerechnet aus der eigenen Partei völlig verzerrte, ehrenrührigen Vorwürfe kommen", mit denen die Landespartei in die Nähe von Antisemiten gerückt werde, "ein offener Affront gegen die Landespartei". Unterschrieben ist das Papier von neun der zehn NRW-Bundestagsabgeordneten, darunter die Landesgruppenchefin Ulla Jelpke sowie die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion Sahra Wagenknecht, die bei der Bundestagswahl 2013 Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen war. Kritik an den Hamas-Raketen fehlt in der Erklärung von Jelpke, Wagenknecht und Genossen. Allgemein heißt es nur, "jede einseitige Parteinahme für eine der kämpfenden Parteien" sei "zu vermeiden".

Bundesgeschäftsführer Höhn wird "Einmischung" vorgeworfen

Besonders heftig kritisiert wird aus Nordrhein-Westfalen der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, der sich noch am Tag der Essener Demonstration "tief betroffen" über die "Ereignisse auf und im Nachgang der Kundgebung ,Stoppt die Bombardierung Gazas - für ein Ende der Eskalation im Nahen Osten'" gezeigt hatte. Ereignisse wie in Essen "dürfen sich nicht wiederholen", hatte Höhn erklärt. Die "Einmischung" des Bundesgeschäftsführers sei "besonders bedauerlich", kritisieren die nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten.

Jelpke sagte dem Tagesspiegel, es sei nicht hinzunehmen, dass der Landesverband in eine Ecke gedrängt werde, in die er nicht gehöre. Wichtig sei, sich nicht das Recht nehmen zu lassen, eine Demonstration zu organisieren oder sich an ihr zu beteiligen, "selbst wenn man nie völlig sicher sein kann, ob auch Provokateure kommen". Die Landesvorsitzenden der NRW-Linken, Özlem Aley Demirel und Ralf Michalowsky, schrieben laut "Junge Welt" an Höhn, sie seien "erschrocken, auf welche Art und Weise Du als Bundesgeschäftsführer gegen unseren Landesverband Die Linke NRW vorgehst". Der Bundestagsabgeordnete Movassat, der Redner in Essen war, bekräftigte, es sei ein Fehler gewesen, dass im ersten Aufruf zu der Kundgebung der Raketenbeschuss Israels durch die Hamas nicht explizit benannt worden sei. Im Gespräch mit dem ZDF betonte er indes auch: "Es muss möglich sein, in Deutschland auch gegen die israelische Regierungspolitik und Militäroffensive in Gaza zu protestieren." Es sei sogar "das Gebot der Stunde".

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