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Wahlverliererin Maike Schaefer (Grüne) neben Wahlsieger Andreas Bovenschulte (SPD): Des einen Freud, des andern Leid

© dpa/Sina Schuldt

Update

Wahl im kleinsten Bundesland: Welche Folgen hat die Bremen-Wahl für Berlin?

In der Hansestadt kann sich Bürgermeister Andreas Bovenschulte seinen Koalitionspartner aussuchen. Auch für den Bund könnte die Abstimmung noch Folgen haben. Ein Überblick.

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Alexandra Werwath hebt unwillkürlich die Hand und legt sie sich über den Mund, so schockiert ist sie. 18 Uhr, Wahlparty der Grünen in Bremen, zu feiern gibt es nichts. Werwath ist Landesvorsitzende, sie muss dieses Ergebnis mitverantworten. 11,7 Prozent, so schlecht waren sie seit über 20 Jahren nicht mehr in Bremen.

Ein Desaster. Wer trägt die Schuld? Aus Sicht der Bremer Grünen nicht nur sie selbst. Zwar habe Verkehrssenatorin und Spitzenkandidatin Maike Schaefer im Wahlkampf Fehler gemacht, indem sie etwa sechs Wochen vor der Bremen-Wahl das kostenlose Kurzzeitparken, genannt „Brötchentaste“, abschaffte.

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Aber: „Die Berliner Themen haben dazu geführt, dass die Menschen hier unzufrieden mit den Grünen waren. Die Heizungsdiskussion hat die Leute wahnsinnig umgetrieben“, sagt die Grünen-Sozialsenatorin Anja Stahmann. Auch der Bremer Schatzmeister Florian Kommer sieht das so. „Die ganze Heizungsdebatte hat uns natürlich Stimmen gekostet, insbesondere weil sie so hitzig geführt wurde, und eine enorme Dynamik entwickelt hat.“

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Enttäuschendes Ergebnis für Habeck und Co.

Die Grünen wollen eine 20-Plus-Partei werden, aber wie soll das gelingen, wenn sie es nicht einmal in Bremen, dieser linken und grünen Stadt schaffen? „Ein enttäuschendes Ergebnis“, konstatiert Parteichef Omid Nouripour schon am Wahlabend, auch er sagt, es habe „sicher keinen Rückenwind“ aus Berlin gegeben.

Die Partei ist unter Druck, Wirtschaftsminister Robert Habeck hat mit dem Gesetzentwurf zur Wärmewende Länderchefs und Koalitionspartner vergrätzt, vor allem aber viele Menschen im Land verunsichert. Die FDP droht damit, das Gesetz zu blockieren.

Die Grünen wirken schlecht sortiert. In der Partei sind viele mit Habecks Kommunikationsstil unzufrieden, manche auch mit seiner Führung als Vizekanzler. Er gebe in den kleinen Verhandlungsrunden mit SPD-Kanzler Olaf Scholz und FDP-Finanzminister Christian Lindner zu schnell klein bei.

„Wir müssen einen anderen Umgang mit dem Kanzleramt finden. Wenn Habeck in der Dreierrunde konfliktunfähig ist und sich mit Scholz und Lindner einigt, ist es schlecht für die Partei und die Fraktion. Wir müssen es ja dann mühevoll wieder einfangen“, sagt einer.

Die SPD und Scholz können aufatmen

Erst kürzlich, infolge der Wahl in Berlin, verlor die SPD mit Franziska Giffey einen Ministerpräsidenten-Posten an die CDU – und das nach über 20 Jahren. Bitter! Sollte so etwas gar im stramm roten Bremen drohen, wo die Sozialdemokraten praktisch seit Kriegsende regieren? Andreas Bovenschulte, Bürgermeister und Spitzenkandidat, hat sich bewährt, einen Erfolg eingefahren.

Einer amtlichen Hochrechnung zufolge hat die SPD die Bürgerschaftswahl mit 29,9 Prozent gewonnen. „Was für ein Tag! Was für ein Ergebnis!“ rief „Bovi“ (so sein Spitzname) am Sonntagabend. Was er verschwieg: Richtig doll sind rund 30 Prozent für die Sozialdemokraten in Bremen nicht gerade.

So sehen Sieger aus: Andreas Bovenschulte nach der Wahl
So sehen Sieger aus: Andreas Bovenschulte nach der Wahl

© dpa/Sina Schuldt

Ob es bei der Wahl auch einen Scholz-Bonus gab? Jedenfalls kann der Kanzler, der am Freitag noch Wahlkampf in Bremen gemacht hatte, aufatmen. Eine Niederlage in der einstigen Hochburg Bremen hätte das Regieren in Berlin wohl noch schwerer gemacht. So ist Unmut innerhalb der SPD, die ja ohnehin recht friedfertig mit sich selbst umgeht, erst einmal gebannt. Entsprechend euphorisch feierte die SPD das Wahlergebnis vom Sonntag.

„Wir sind saustolz auf die SPD in Bremen und Bremerhaven“, sagte Generalsekretär Kevin Kühnert. Man müsse sich nicht für den starken „Personenbonus“ Bovenschultes schämen. Kein Wunder, dass Kühnert und seine Leute feiern. Sie nämlich ahnen: Die nächsten Landtagswahlen, in Bayern und Hessen im Oktober, dürften für die SPD weit komplizierter ausfallen. Da ist kein „Bovi“ in Sicht.

Erleichterung für die FDP im Bund

Dass sie vermutlich in der Bremischen Bürgerschaft vertreten sein werden, ist für die FDP eine Überraschung. Der Bremer Spitzenkandidat Thore Schäck war wenige Monate vor der Wahl noch so unbekannt, dass die Partei „Who the heck is Thore Schäck?“ plakatierte.

Who the heck is Thore Schäck?

FDP-Wahlplakat in Bremen

Einer amtlichen Hochrechnung zufolge liegt sie bei 5,5 Prozent. „Hauptziel erreicht“, sagt FDP-Vize Wolfgang Kubicki am Wahlabend. Sollten die Prognosen bestätigt werden, wäre es für die Bundespartei eine große Erleichterung. Seit Eintritt in die Ampel-Koalition hat die FDP fünf Landtagswahlen verloren, im Saarland, in Niedersachsen und Berlin scheiterten sie an der Fünf-Prozent-Hürde.

Die Parteispitze wird das knappe Ergebnis als Bestätigung ihres Kurses auf Bundesebene interpretieren, seit Monaten setzen sie im ungeliebten Ampel-Bündnis auf eine möglichst klare Abgrenzung zu den Grünen.

Kein großer Push für die Linke

Für die Linke sind die 11,2 Prozent in der Prognose eine Erholung, aber nicht die Erlösung. Seit 2007 ist die Partei in der Bürgerschaft vertreten, seit 2019 in der Regierung. Am Sonntag hat sie ihr gutes Ergebnis von damals wiederholt. Die Regierungsbeteiligung hat sich somit gelohnt – nicht immer eine sichere Sache bei einer Partei, die auch auf Proteststimmen setzt.  

Personelle Konstanz hat wohl auch dazu beigetragen – Wirtschaftssenatorin Kristin Vogt führte die Partei schon zum vierten Mal als Spitzenkandidatin in die Wahl. Neben ihr saß Claudia Bernhard als Gesundheitssenatorin am Regierungstisch. Beide Linken-Frauen sind seit vielen Jahren in der Bremer Lokalpolitik vernetzt.

Der Erfolg ist aber eben auch ein Lokalergebnis. Die Linke-Bundespartei wird aus Bremen keinen großen Push bekommen. Dass sie in der Hansestadt wieder auf über zehn Prozent der Stimmen kam, dürfte auch mit dem Einbruch der Grünen zu tun haben. Die hatten vor einem Jahr in einer Umfrage noch 21 Prozent, die Linke lag damals bei acht Prozent. Offenkundig kann sie zumindest in Großstädten davon profitieren, dass linke Grüne-Wähler nicht unbedingt Stammwähler sind.

Die CDU und ihre Zukunftshoffnung

Ein Landwirt als Spitzenkandidat – ungewöhnlich für eine Großstadt. Frank Imhoff hatte als Präsident der Bürgerschaft seit 2019 immerhin eine zentrale Rolle in der Landespolitik, nachdem es der CDU gelungen war, sich erstmals seit 1947 vor die SPD zu schieben.

Das ist ihr mit Imhoff an der Spitze nun nicht mehr gelungen, sie liegt laut amtlicher Hochrechnung bei 25,7 Prozent. Ihr Problem: Sie konnte nicht glaubhaft auf einen Regierungswechsel mit Imhoff als neuem Bürgermeister hinarbeiten, weil eine Koalition mit der FDP nach den Umfragen, ein Bündnis mit der SPD als Juniorpartnerin rein politisch aussichtslos war.

Der CDU-Spitzenkandidat in Bremen, Frank Imhoff.
Der CDU-Spitzenkandidat in Bremen, Frank Imhoff.

© dpa/Focke Strangmann

Die Sozialdemokraten konnten stets mit der Aussicht auf eine Fortführung der Koalition mit Grünen und Linken jede Spekulation um eine „Groko“ ersticken. Mit der CDU an der Seite könnte Bovenschulte nun zwar auch regieren – zwischen 1995 und 2007 hatte Bremen schon einmal einen rot-schwarzen Senat. Doch dürfte der Bürgermeister seine bisherige Koalition als bestätigt betrachten.

An der Seite des 55-jährigen Imhoff hat die CDU mit der 27-jährigen Wiebke Winter eine Zukunftshoffnung aufgeboten. Ein abermaliges Abschneiden vor der SPD hätte der Bundes-CDU zweifellos ein gutes Argument dafür geliefert, dass die Regentschaft von Olaf Scholz in Berlin keinen Glanz ins Land hinein verbreite. Aber dann ist Bremen eben doch SPD-Traditionserde – und eben keine der Union. 

Die AfD hat Konkurrenz bekommen

Die AfD hat sich in Bremen selbst aus dem Rennen bugsiert – zwei eingereichte Listen waren dem Wahlausschuss eine zu viel. Aber in der Hansestadt gibt es eine Ersatz-AfD. Die „Bürger in Wut“ erlebten so am Sonntag ein Comeback und holten 9,6 Prozent.

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Zwar bekamen sie in Bremen selbst bisher kaum einen Fuß auf den Boden, wohl aber in Bremerhaven. Und weil im Zwei-Städte-Land an der Wesermündung die Fünfprozenthürde getrennt angewendet wird, reichte den Rechtspopulisten ihre relativ starke Position in Bremerhaven seit 2007 immer für einen Sitz in der Bürgerschaft.

Die Panne der zerstrittenen AfD sorgt nun dafür, dass die „Bürger in Wut“ sich als landesweite Größe etabliert haben – für eine Wahlperiode zumindest. Der Einfluss auf die Bremer Politik bleibt so gering wie zuvor.

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