Drohender Krieg um Taiwan: Bei Computerchips sind wir noch erpressbarer als beim Gas
Die Abhängigkeit von Halbleitern und Medikamenten aus Asien ist größer als von russischer Energie. Was Deutschland und Europa dagegen tun können. Ein Kommentar.
Droht Europa und den USA ein Zwei-Fronten-Krieg gegen China und Russland – ausgelöst durch eine dramatische Ungeschicklichkeit der US-Politik? Ausgerechnet zum 1. August wachsen die Spannungen mit Peking wegen Plänen der US-Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi, Taiwan zu besuchen.
Am Gründungstag der Volksarmee zelebriert China seinen imperialen Ehrgeiz mit nationalistischer Rhetorik. Es betrachtet das demokratische Taiwan als abtrünnige Provinz ohne Recht auf eigene Außenpolitik.
China droht, Pelosis Flugzeug abzufangen. „Wer mit dem Feuer spielt, wird sich verbrennen“, warnte Präsident Xi Joe Biden am Telefon. Nun hält China Manöver mit scharfer Munition gegenüber der Insel Taiwan ab.
Von Deutschland aus betrachtet mag Taiwan weit weg erscheinen. Und der Konflikt um seinen völkerrechtlichen Status und die Zukunft seiner Demokratie zweitrangig wirken.
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Wo bleibt Europa, wenn die USA sich auf Asien konzentrieren?
Ein Kriegsausbruch dürfte das blitzschnell ändern. Er würde Europas prekäre Sicherheitslage und ökonomische wie politische Erpressbarkeit, die die Kämpfe in der Ukraine offengelegt haben, bedrohlich verschärfen.
Die Abhängigkeit von strategisch wichtigen Waren aus Asien, von Halbleitern für die Autoindustrie bis zu Arzneimitteln, ist noch höher als die von russischem Gas. Und wie will Europa Russland militärisch Paroli bieten, wenn die USA ihre Kräfte auf den Konflikt im Pazifik konzentrieren? Der Erfolg der ukrainischen Gegenwehr ist mehr der US-Hilfe als Europa zu verdanken.
Die Eskalation in Taiwan ist ein doppeltes Alarmsignal für Deutschland und die EU: Kurzfristig muss die Kriegsgefahr gebannt werden. Mittelfristig müssen sie alle Bereiche ihrer Beziehungen zu China daraufhin überprüfen, wo existenzielle Abhängigkeiten drohen und diese reduzieren. Experten warnen ja schon lange vor einem Krieg um Taiwan.
Die aktuelle Lage lässt sich entspannen. Für die Zukunft ist das unsicher
Auf die aktuelle Zuspitzung hat Europa wenig Einfluss. Beruhigend ist, dass Biden und Xi mehr als zwei Stunden telefoniert haben. Ihr Ziel ist Entspannung. Innenpolitische Krisen setzen beide so sehr unter Druck, dass sie einen Krieg um Taiwan unbedingt vermeiden müssen.
Mehr zum Taiwan-Konflikt bei Tagesspiegel Plus:
- Die Taiwan-Frage: Wenn China Grenzen austestet(T+)]
- EU-Parlamentsvize zu Taiwan und Ukraine: China würde einen sehr hohen Preis bezahlen(T+)]
Hier wie dort ist die Wirtschaft die größte Sorge. Den USA droht die Doppelgefahr von Inflation und Rezession. Chinas Null-Covid-Strategie ist gescheitert. Mangels Wachstum fehlt Geld, um die vielen strukturellen Probleme zu bekämpfen und die Bürger mit Wohlstandsgewinnen bei Laune zu halten.
Das Restrisiko, dass es zur Eskalation kommt, geht von Xi und seinem nationalistischen Eifer aus. Bidens Popularität würde durch einen weiteren Krieg nicht wachsen. Xi will entgegen der üblichen Machtbegrenzung länger als zehn Jahre an der Spitze bleiben und braucht dafür den Segen der Partei.
Pelosi hat einen Fehler gemacht, aber die wahre Gefahr geht von Xi aus
Die Gefahr eines Kriegs um Taiwan wird in den nächsten Jahren nicht sinken. Die Hauptschuld daran trägt China.
Pelosi ist nicht vorzuwerfen, dass sie Taiwan besuchen will. Das haben auch Vorgänger getan, das tun auch europäische Politiker. Demokratien müssen zusammenstehen und das zeigen.
Pelosis Fehler war die unsensible Terminwahl, nachdem die ursprüngliche Reise im Frühjahr wegen Covid abgesagt wurde. Ihr Besuch kann erneut verschoben werden. Ausfallen darf er nicht, schon gar nicht nach den unakzeptablen Drohungen, ihr Flugzeug abzuschießen.
Deutschland und Europa müssen jetzt alles tun, damit ihre Handlungsfähigkeit im Fall eines Taiwan-Kriegs nicht unter ökonomischen Abhängigkeiten leidet wie im Fall der Ukraine. Taiwan ist Spitzenreiter in der Halbleiterproduktion, erfüllt bisher aber nicht Europas Bitten, einen Teil der Herstellung in die EU zu verlagern.
Deal: Beistand für Taiwan gegen Bau einer Chipfabrik in Europa
Warum nicht Gegengeschäfte, die allen nützen, nach dem Muster: Taiwan erhält mehr politische und militärische Unterstützung Europas und der USA, wenn es Chip-Fabriken hier baut.
Das dient auch dem Frieden. China könnte dann nicht spekulieren, dass der Westen Taiwan bei einem Angriff nicht beisteht, weil er um die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern aus Asien fürchtet.
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