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Flüchtlinge in Neuhaus am Inn (Bayern) spielen nach der Überquerung der österreichisch-deutschen Grenze an einer Versorgungsstation Fußball.

© dpa

Befriedung und Wiederaufbau in Syrien: Deutschland sollte Flüchtlinge militärisch ausbilden

Syrische Freiwillige sollten einen Beitrag zur Befriedung ihres Heimatlandes leisten - sei es durch polizeiliche Aufgaben, sei es durch militärische. Ein Gastbeitrag

Was die Situation der Flüchtlinge betrifft, gerät derzeit aus dem Blickfeld, dass manche gern wieder in ihre Heimat zurückkehren möchten. Zwei Ansätze für eine mögliche Vorbereitung sind denkbar.

Der erste geht davon aus, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen nicht so schnell beendet sein werden. Warum sollten diejenigen, die ihre Heimat deshalb verlassen mussten, nicht in die Lage versetzt werden, selbst einen Beitrag zur Befriedung ihres Heimatlandes zu leisten? Deutschland leistet bereits seit einiger Zeit mit Zustimmung des Bundestages durch Waffenlieferungen an und Ausbildung von Kurden einen Beitrag zum Kampf gegen den IS. Dieser Kampf ist auch nach Intensivierung der Bombardierung noch keineswegs entschieden. Und selbst wenn dies gelingen sollte, wird bei jeder politischen Lösung der übrigen Probleme die Frage von zentraler Bedeutung sein, welche bewaffneten Kräfte die schwierige Aufgabe übernehmen, das Land endgültig zu befrieden und das Gewaltmonopol der Regierung wieder herzustellen.

Für die militärische Ausbildung im Exil gibt es viele Beispiele

Könnte es mit Blick auf diese Aufgaben nicht Sinn machen, Freiwillige aus dem Kreis der jungen syrischen Männer, sie bilden die Mehrheit unter den Flüchtlingen in Europa, auch hierfür auszubilden, sei es für polizeiliche Aufgaben, sei es für militärische? Die Innenminister der Länder haben in der Vergangenheit immer wieder im Rahmen von Stabilisierungsmaßnahmen der EU Polizeiausbilder in Krisenländer entsandt, um zu deren innerer Stabilisierung beizutragen. Auf Anhieb sind keine durchschlagenden Argumente erkennbar, die dagegen sprechen, freiwillige junge Syrer – nunmehr sogar in Deutschland – entsprechend auszubilden. Im Gegenteil: Dies würde sie auch ertüchtigen, unsere eigenen Stellen bei der Bewältigung von Ordnungsaufgaben im Flüchtlings- und Migrantenbereich zu unterstützen.

Für die militärische Ausbildung von im Exil lebenden Bürgern von Krisenländern gibt es in der Geschichte Europas viele Beispiele. Auch im 20. Jahrhundert haben solche im Exil gebildeten Formationen bei der Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen in ihren Ländern wiederholt eine wichtige Rolle gespielt. Das zeigt auch, dass verfassungsrechtliche und andere Hürden, die es natürlich gibt, nicht unüberwindlich sind.

Hier, wie bei vielen anderen Fragen, muss es auch keineswegs um eine exklusiv deutsche Anstrengung gehen. Ganz im Gegenteil bieten sich kooperative europäische Ansätze geradezu an, indem solche Ausbildungsmissionen etwa von multinationalen Corps übernommen werden, die die Bundeswehr mit einigen Nachbarn gebildet hat.

Und schließlich: Würde die Einsatzbereitschaft der syrischen Freiwilligen nicht unserer Bevölkerung überzeugend demonstrieren, dass die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat eine realistische Option ist? Und würde ihre Ausbildung zu Ordnungskräften sie nicht mit unseren Ordnungsvorstellungen bekannt machen und in diesem Sinn einen gar nicht zu unterschätzenden Beitrag zu ihrer Integration leisten?

Die zweite Überlegung nährt sich von der Hoffnung, dass das betreffende Land zur Ruhe kommt und mit dem Wiederaufbau begonnen werden kann. Darauf sollte man die Flüchtlinge vorbereiten.

Das THW könnte Helfer ausbilden, die Hand anlegen

Bei der Überlegung, wer dafür als geeigneter Träger bzw. Partner in Betracht kommt, fällt der Blick auf das Technische Hilfswerk (THW). Diese Organisation hat seit ihrer Gründung im Jahr 1950 nicht nur nach vielen Naturkatastrophen wirksame Hilfe geleistet, sondern auch bei der Bewältigung von Flüchtlingsproblemen tatkräftig und erfolgreich gewirkt. Das geschah bisher durch die Errichtung von Lagern und Betreuung der geflohenen Menschen. Möglicherweise könnte aber eine andere Sparte der Aktivität dazu kommen, nämlich die Ausbildung zu Helfern, die hoffentlich bald in ihren Heimatländern Hand anlegen können.

Neben dieser Perspektive hätte eine solche Form der Vorbereitung noch einen anderen, nicht zu unterschätzenden Aspekt: die Betroffenen säßen nicht beschäftigungslos in Massenunterkünften, sondern würden auf eine sinnvolle Aufgabe vorbereitet. Damit könnte ein beachtlicher Teil der Ankömmlinge einer zukunftsorientierten Tätigkeit zugeführt werden, nämlich vor allem junge Männer, die körperlich leistungsfähig sind und ihre Zukunft wieder in ihrem Heimatland sehen.

Ein solcher Vorschlag muss nicht bedeuten, dass das THW ein Monopol wahrnimmt. Aber es scheint nach seiner Gründungsidee und langer erfolgreicher Arbeit die erste Institution zu sein, der man die Bewältigung einer solchen Aufgabe zutraut.

Hans-Friedrich von Ploetz war deutscher Botschafter unter anderem bei der Nato, George Turner war Berliner Wissenschaftssenator.

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