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Joachim Herrmann (60) ist seit dem 16. Oktober 2007 Innenminister in Bayern.

© dpa

Bayerns Innenminister Herrmann: "Es gibt in der CSU große Zustimmung zur Kanzlerin"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann spricht über das Verhältnis der CSU zu Angela Merkel, mögliche Koalitionen und seine persönliche Zukunft.

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Herr Herrmann, was ist dem Spitzenkandidaten der CSU für die Bundestagswahl beim Wahlprogramm wichtiger: möglichst viel Einigkeit mit der CDU – oder lieber im Zweifel eine klare eigene CSU-Linie?

CDU und CSU werden sich auf ein starkes und überzeugendes Wahlprogramm verständigen. Aber es wird zusätzlich einen Bayernplan geben, der besondere Akzente der CSU, vor allem auch besondere Anliegen Bayerns darstellt. Bekanntermaßen haben wir nicht nur eine sehr klare politische Linie in nationalen Fragen. Es tritt auch niemand so uneingeschränkt für bayerische Interessen ein wie die CSU.

Die CDU stellt sich gegen eine Ausweitung der Mütterrente. Ist die CSU dort zu einer Einigung bereit?

Wir arbeiten intensiv daran. Grundsätzlich sind sich CDU und CSU ja einig, im gemeinsamen Wahlprogramm deutliche Signale für Kinder und Familie zu setzen. Aber wir in Bayern stehen gegenüber unseren Bürgern im Wort, dass wir die Mütterrente weiter ausbauen wollen. Davon werden wir nicht abrücken.

Das zweite große Konfliktthema ist die Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. Wo sehen Sie Möglichkeiten einer gemeinsam getragenen Formulierung?

Dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen darf, ist Konsens. Unbegrenzte Zuwanderung darf es nicht geben, weil uns das überfordern würde. Die logische Folge aus der Ablehnung einer unbegrenzten Zuwanderung ist aber zwangsläufig ihre Begrenzung. Allerdings sind Teile der Grünen, der SPD und andere zu diesem logischen Schluss noch nicht so ganz in der Lage. Was die CDU betrifft, bin ich ich optimistisch, dass wir uns auf klare Aussagen im gemeinsamen Wahlprogramm einigen können.

Die Forderung nach einer Obergrenze von 200.000 Menschen im Jahr stammt aus einer Zeit, in der viel mehr Flüchtlinge an den Grenzen standen als heute. Wie relevant ist sie überhaupt noch?

Im Moment deutet alles darauf hin, dass die Zahl von 200.000 in diesem Jahr deutlich unterschritten wird. Trotzdem bleibt die Notwendigkeit, effektive Vorkehrungen zu treffen. Wir müssen alles dafür tun, dass es nicht wieder zu einem derart unkontrollierten Zustrom in unser Land kommt. Wir als CSU wollen das auch politisch absichern.

Die CSU tritt sehr dafür ein, dass abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden. Aber selbst in Bayern bleiben die Zahlen niedrig – warum?

Wir haben viele Länder, in die Abschiebungen völlig problemlos sind. Leider gibt es aber nicht wenige andere Länder, mit denen es erhebliche Probleme gibt. Hier brauchen wir ein konsequentes Handeln auch auf Bundesebene. Um es deutlich zu sagen: Die Motivation einer Reihe von afrikanischen Ländern, ihre Landsleute wieder aufzunehmen, die sich rechtswidrig in unserem Land aufhalten, muss deutlich erhöht werden.

Was, außer gutem Zureden, kann die Bundesregierung dafür tun?

Wenn wir die Entwicklungshilfe für Afrika erhöhen, muss auch über diesen Punkt gesprochen werden. Wir wollen den Ländern helfen, ihren Bürgern bessere Zukunftsperspektiven zu geben. Im Gegenzug müssen sie dann aber dabei mitwirken, dass es keine Massenbewegung in Richtung Europa gibt.

In der Innenministerkonferenz sind Sie mit einem Vorstoß für eine bundesweite Schleierfahndung gescheitert. War's das jetzt an der Stelle?

Entscheidend ist, dass sich die Unionsinnenminister bei der Schleierfahndung einig sind. Bayern hat im vergangenen Jahr beispielsweise die Zusammenarbeit mit den Nachbarn Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen deutlich verstärkt. Durch gemeinsame Fahndung lassen sich etwa Wohnungseinbrüche deutlich effektiver bekämpfen. Bayern ist das mit Abstand sicherste Bundesland. Wir erklären gerne jedem, woran das aus unserer Einschätzung liegt. Dazu gehört natürlich auch unser Erfolgsmodell der Schleierfahndung. Aber wir respektieren als überzeugte Föderalisten natürlich die Entscheidungshoheit jedes Landes.

…werden das aber im Wahlkampf gegen die Widerständler vorbringen?

Bei der Abwahl von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen hat sich gezeigt, dass die Menschen, entschuldigen Sie die Wortwahl, die Schnauze voll haben von leeren Versprechungen und wachsender Unsicherheit. Dort war voriges Jahr beispielsweise das Risiko, Opfer von Wohnungseinbrüchen zu werden, fünfmal so hoch wie in Bayern. Das akzeptieren die Leute nicht. Sie zahlen genauso viele Steuern, bekommen aber weniger Leistung. Ich sage dazu: Mehr Sicherheit ist möglich.

In NRW wird es jetzt trotz CDU-Sieg keine Schleierfahndung geben, sondern auf Drängen der FDP nur etwas Ähnliches. Trübt das die Aussichten auf ein schwarz-gelbes Bündnis im Bund, das nach Umfragen ja möglich erscheint?

Ich führe keinen Koalitionswahlkampf. Unser Ziel ist es, CDU und CSU so stark zu bekommen, dass ohne uns nicht regiert werden kann. Die politische Übereinstimmung ist zweifellos zwischen Union und FDP am stärksten. Dass es daneben Schnittmengen mit der SPD gibt, und dass sich auch die Grünen in mancher Hinsicht in Richtung Union geöffnet haben, ist unübersehbar. Allerdings haben die Beschlüsse des jüngsten Grünen-Parteitages die Distanz wieder vergrößert.

Auch die Grünen fordern mehr Polizei und bessere Ausstattung für sie…

Nur ist die Realität eben nicht so, dass in den Ländern, in denen die Grünen politische Verantwortung hatten, besonders viele neue Stellen für Sicherheitskräfte geschaffen wurden. Wir sind offen für alle, die hier mehr tun wollen. Aber bei vielen Fragen des Polizeialltags erlebe ich dann eben doch, dass die Grünen auf Distanz, ja sogar Konfrontation mit der Polizei gehen.

Wie müssen wir uns eigentlich die Stimmung an der CSU-Basis vorstellen, wenn es Theo Waigel für nötig hält, einen Angela-Merkel-Wählerclub zu gründen?

Die Stimmung ist heute deutlich anders als noch vor einem Jahr. Die Meinungsumfragen spiegeln recht genau wieder, was mir im Gespräch mit vielen Menschen begegnet. Einerseits gibt es nach wie vor Wähler, die sagen: Was da im Herbst 2015 passiert ist mit dem unkontrollierten Zugang von Flüchtlingen – das war ein Fehler. Auf der anderen Seite sagen oft die gleichen Leute: Wenn wir aber schauen, was sonst auf der Welt los ist, welche Irritationen der neue US-Präsident auslöst oder der türkische Präsident Erdogan, welche Instabilitäten es weltweit gibt – da sehen wir Deutschland bei der erfahrenen Angela Merkel in besten Händen.

Ist die Wut wirklich verraucht – oder reden Sie sich das bloß ein?

Beispielsweise bei Angela Merkels Auftritt kürzlich in einem Festzelt im Münchner Stadtteil Trudering war deutlich zu spüren, dass große Zustimmung zur Kanzlerin da ist. Das kann man nicht steuern, wer da hingeht und wer applaudiert. Unsere Entscheidung als CSU, Angela Merkel als Kanzlerkandidatin zu unterstützen, erweist sich als vollkommen richtig. Es besteht jedoch die klare Erwartung an die CSU, dass wir verhindern, dass sich die schwierige Flüchtlingssituation von 2015 wiederholt.

Das sollen Sie ja an vorderster Front hier in Berlin sicherstellen…

…wenn die Wählerinnen und Wähler das so entscheiden, ja.

Haben Sie etwa Zweifel?

Ich habe immer großen Respekt vor der Entscheidung der Bürger.

Horst Seehofer hat gesagt, in Berlin müssten die Alpha-Tiere der CSU ran. Was haben Sie, was die bisherige Riege nicht hat?

Ich weiß nicht, wie das mit Alphatieren ist. In Brehms Tierleben sind die gar nicht verzeichnet. Wir können als CSU politisch nur erfolgreich sein, indem jeder sein Bestes gibt. Das ist für die gesamte CSU-Landesgruppe im Bundestag selbstverständlich.

Viele Landespolitiker erleben in Berlin so eine Art Hauptstadt-Schock…

Ich bin seit 23 Jahren im bayerischen Landtag, war in meiner Jugend acht Jahre im Bundesvorstand der Jungen Union und bin durch meine Arbeit als Innenminister regelmäßig in Berlin sowie bundesweit unterwegs. Mir ist schon klar, dass die Bundespolitik eine andere Dimension hat als die Landespolitik. Aber ich denke, ich bringe auch einiges an Erfahrung mit, was von Nutzen sein kann.

Und, schon nach einer Wohnung gesucht?

Nun sind erstmal die Wählerinnen und Wähler am Zug.

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