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FDP-Chef Christian Lindner (l.) mit Harald Christ

© dpa/Wolfgang Kumm

Auch ein Fall von Vetternwirtschaft?: Jetzt gibt es Kritik am Top-Job für einen Parteifreund Lindners

Das Finanzministerium schickt den Unternehmer Harald Christ in den Commerzbank-Aufsichtsrat. Der Posten ist mit jährlich 80.000 Euro dotiert. Lobbycontrol warnt vor Interessenkonflikten.

Während sich das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) mit Vorwürfen der Vetternwirtschaft konfrontiert sieht, hält sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit Kritik an den Vorgängen um Staatssekretär Patrick Graichen zurück.

„Sicherlich ist es ratsam, jetzt dort Transparenz herzustellen“, hatte er zu Beginn der „Trauzeugen-Affäre“ Anfang Mai noch verlauten lassen. Doch manche Vorwürfe halte er für „unverhältnismäßig“.

Ein Motiv für Lindners Selbstbeschränkung gegenüber dem früheren Lieblingsgegner könnte darin liegen, dass auch in seinem Ministerium eine Art Freund mit einem exponierten Job begünstigt wird: Ein Parteifreund. So soll der Unternehmer und frühere FDP-Schatzmeister Harald Christ Ende Mai in den Aufsichtsrat der Commerzbank einziehen. Jährliche Vergütung: 80.000 Euro, zuzüglich Sitzungsgeld.

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In der Trauzeugen-Affäre ist Lindner erstaunlich leise

Die Entscheidung war schon im November vergangenen Jahres bekannt geworden. Neu ist die Kritik daran: „Wir halten Christian Lindners Entsendung eines engen persönlichen Vertrauten ohne öffentliches Amt in den Vorstand der Commerzbank für hochproblematisch“, sagt Aurel Eschmann vom Verein Lobbycontrol. „Dass er selbst Unternehmer und Lobbyist ist, verstärkt dieses Problem noch.“

Ein besonderes Auswahlverfahren oder eine Ausschreibung ist in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen.

Bundesfinanzministerium zur Besetzung der Posten für den Commerzbank-Aufsichtsrat

Das Bundesfinanzministerium rechtfertigt die Personalwahl auf Anfrage mit diesen Worten: Es sei „wichtig, auch Persönlichkeiten mit wirtschaftlichem Sachverstand aus dem Privatsektor zu gewinnen, um die Beteiligungen der öffentlichen Hand unternehmerisch zu führen“. Ein besonderes Auswahlverfahren oder eine Ausschreibung sei hierfür „nicht vorgesehen“.

Genau daran stößt sich auch der Anti-Korruptionsverein Transparency International: „Auch wenn die derzeitigen Regeln der Bundesregierung eine freihändige Besetzung erlauben, wäre hier ein neutrales, nachvollziehbares Auswahlverfahren für eine solch wichtige Position im Staatsauftrag erforderlich, um den Anschein eines Interessenkonflikts zu vermeiden“, sagt Norman Loeckel, Leiter der Arbeitsgruppe Politik. 

Der Bund ist mit einem Anteil von 15,6 Prozent größter Einzelaktionär der Bank. Er hatte sie in der globalen Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 mit mehr als 18 Milliarden Steuergeldern vor dem Untergang gerettet und darf aufgrund seiner Anteile zwei Vertreter in den Aufsichtsrat entsenden.

Christ war lange in der SPD

Die Wahl bei der Hauptversammlung ist Formsache. Neben Christ soll Jutta Dönges als Aufsichtsrätin bestätigt werden, ehemals Geschäftsführerin der Finanzagentur des Bundes, aktuell Finanzchefin des verstaatlichten Energiekonzerns Uniper.

Harald Christ

© dpa/Michael Kappeler

Harald Christ wirtschaftet jenseits staatlichen Zugriffs. Als Unternehmer und Bankmanager verdiente er Millionen, heute führt er die Lobbyisten-Firma „Christ & Company Consulting“ in Berlin. Christ war lange in der SPD und galt dort als Minister-Hoffnung, wechselte aber 2020 in die FDP und übernahm dort bis 2022 das Schatzmeisteramt.

Mit dem Aufsichtsratsposten wird Christ Kontakte unterhalten, die er auch für sein Beratungsunternehmen nutzen kann. Lobbycontrol-Sprecher Eschmann befürchtet „immense Interessenkonflikte“. Von Harald Christ kam auf Anfrage dazu keine Stellungnahme.

Schon zwei Mal hielt der Minister Reden für Christ

Ist Christ für Lindner mehr als ein Parteifreund? Fest steht, dass der Bundesfinanzminister gleich zwei Mal Christ-Veranstaltungen mit exklusiven Rede-Auftritten aufgewertet hat. So sprach Lindner bei Vorstellung des Christ-Buchs „Zukunftsfest: Wie wir die Chancen der 20er Jahre nutzen müssen“ im April 2022 und beehrte zudem dessen „Berliner Salon“ Ende Oktober.

Dass Lindner es hier mitunter an Gespür fehlt, zeigte sich an seinem Video-Grußwort für die BBBank ebenfalls im vergangenen Jahr. Die Bank finanziert dem Minister den privaten Hauskauf mit einem Millionenkredit. Die Lobrede, mit der Lindner damals Amt und Privates verflocht, brachte ihm ein Prüfverfahren der Berliner Generalstaatsanwaltschaft wegen Korruptionsvorwürfen ein. Ermittlungen folgten keine.

Die Transparenz, die Lindner dem Kabinettskollegen Habeck in der „Trauzeugen-Affäre“ anempfiehlt, möchte er nun selbst nur eingeschränkt herstellen. Ob der Minister mit Christ befreundet sei, möchte sein Ministerium nicht sagen.

„Fragen, die den privaten Bereich des Ministers betreffen, können durch das Bundesministerium der Finanzen grundsätzlich nicht beantwortet werden“, heißt es. Gast bei der viel beachteten Hochzeit des Ministers im vergangenen Jahr war Christ wohl nicht: Bei „privaten Anlässen von Herrn Lindner“ sei der Parteifreund „nicht zugegen“ gewesen, teilt sein Anwalt mit.

Offiziell einstehen für die von ihm – mutmaßlich im Alleingang – durchgesetzte Personalie will der Minister ebenfalls nicht. Die Entscheidung für Christ sei „in der Leitung“ des Hauses getroffen worden, heißt es förmlich. Wer dort ursprünglich mit der Idee ankam, soll unausgesprochen bleiben.

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