zum Hauptinhalt
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock spricht mit US-Außenminister Antony Blinken. António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, steht rechts.

© dpa/Seth Wenig

Enthaltung bei UN-Resolution zu Israel: Deutschlands außenpolitisches Eigentor

Deutschland sieht sich gerne als globaler Chef-Diplomat. Doch die Rolle muss es dann auch annehmen. Enthaltung in der Abstimmung über Gaza ist da für keinen hilfreich.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Die Lage im Nahen Osten verschärft sich immer weiter. Israel verteidigt sich gegen die Anschläge der palästinensischen Hamas, indem Panzer in den Gazastreifen vordringen und die Luftangriffe deutlich ausgeweitet werden. Das Ziel ist klar: die Hamas zu zerstören.

Leidtragende sind auch Zivilisten im Gazastreifen, weil es mittlerweile am nötigsten zum Überleben fehlt, und weil sie von der Hamas als Schutzschilde benutzt werden. Gleichzeitig werden immer neue Details zum Massaker der Hamas am 7. Oktober bekannt, wie der Fall Shani Louk gerade erst wieder auf schreckliche Art zeigt.

Und die Weltgemeinschaft? Die Europäische Union? Der Westen? Sie alle sind gespalten und uneins, wie man auf die Situation reagieren soll. Kulminiert ist das Ganze in einer UN-Resolution, die einen sofortigen Waffenstillstand forderte und weder den Terror der Hamas klar verurteilte noch das Recht auf Selbstverteidigung Israels betonte. Viele Staaten unterstützten die Resolution dennoch. Andere wie Österreich oder Tschechien stimmten dagegen. Deutschland wählte einen Weg, den es in seiner Geschichte oft wählte: Enthaltung.

Man habe versucht, eine andere Resolutionsvorlage zu erreichen, und als das nicht gelungen sei, habe man sich enthalten, erklärte Olaf Scholz. Und: Man habe sich wichtige Gesprächskanäle in die arabische Welt offen halten wollen, hieß es auch zur Erklärung.

Aber letztlich hat Deutschland ein außenpolitisches Eigentor geschossen. Denn diese Haltung ist höchst problematisch und kann die Ampel noch in große Schwierigkeiten bringen – aus mehreren Gründen.

Da sind zunächst die atmosphärischen innerkoalitionären Auswirkungen. Die FDP fühlt sich mal wieder ausgeschlossen, weil sie zwar informiert wurde über das deutsche Abstimmungsverhalten in der UN, aber nicht eingebunden in die Entscheidung. Muss sie eingebunden sein? Formal nicht zwingend, politisch wäre es klug gewesen. Nur hätten die Liberalen Scholz und, wenn er gefragt hätte, auch viele seiner eigenen SPD-Außenpolitiker wohl gesagt, dass es keineswegs geschickt ist, sich hier zu enthalten.

Damit wären wir bei den Folgen für das deutsche Ansehen in der internationalen Politik. Olaf Scholz hat mehrfach die Solidarität zu Israel betont, auch das Recht Israels auf Selbstverteidigung. Aber was ist all das wert, wenn schon beim ersten Anflug von politisch-diplomatischer Gegenwehr die deutsche Standfestigkeit wackelt? Und wie ernst nehmen Staaten wie Ägypten, Katar, Saudi-Arabien oder gar der Iran eine deutsche Nicht-Position?

Deutschland gefällt sich traditionell in der Rolle des globalen Chef-Diplomaten. Nur brachte diese Rolle zuletzt wenig Erfolge, wie die Russland-Politik zeigt. Oder auch die letztlich vergeblichen Bemühungen im Umgang mit dem Iran und dem Atomabkommen. Der Iran zieht immer noch kräftig die Strippen, und was mit dem Atomprogramm wirklich ist, weiß auch keiner mehr genau.

Deutschlands Zaghaftigkeit ist ein Problem

Das heißt nicht, dass Diplomatie keinen Sinn hat. Im Gegenteil. Natürlich braucht es sie, zwingend. Und es kann sogar ein schlauer Schachzug von Olaf Scholz gewesen sein, sich zu enthalten, wenn es in Abstimmung mit den USA und Israel geschehen sein sollte. Wenn also auch diese beiden ein hohes Interesse hätten, dass Deutschland als Mittler und Vermittler im Spiel wäre.

Doch ganz offensichtlich will Israel etwas anderes, nämlich ein klares Bekenntnis Deutschlands und politische Handlungen, die dem entsprechen. Dazu passt eine Enthaltung nicht. Es braucht das klare Bekenntnis – auch als Signal an die arabische Welt und die EU –, dass über die Sicherheit Israels mit Deutschland nicht zu verhandeln ist. Und das ist überhaupt erst einmal die Voraussetzung dafür, dass Deutschland Gesprächskanäle bearbeiten und vermitteln kann.

Nun muss Scholz wieder hinterher kehren – in der eigenen Koalition. Weil es sich Deutschland nicht leisten kann, über eine so zentrale außen- und auch sicherheitspolitische Frage zerstritten zu sein. Und international, weil Deutschland eben ein hohes Ansehen hat, was es nicht durch Zaghaftigkeit aufs Spiel setzen sollte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false