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Ein Mädchen hält ein Handy mit der App von Tiktok in der Hand.

© stock.adobe/Simone

Social Media erst ab 13 Jahren: Kinder haben auf Sozialen Netzwerken nichts zu suchen

Frankreich will für die Nutzung von Internetplattformen wie Tiktok und Instagram ein Mindestalter einführen. Das ist schwierig – sollte aber dennoch ein Vorbild für Deutschland sein.

Ein Kommentar von Saara von Alten

Für Kinobetreiber gib es seit jeher klare Regeln. Wer einen Psychothriller der „Hannibal Lecter“-Reihe schauen will, der muss mindestens 18 Jahre alt sein. FSK 16 oder gar 18 gilt, sofern ein Film Gewaltdarstellungen oder andere „sozial schädigende Botschaften“ enthält.

Das Einlasspersonal ist per Gesetz dazu verpflichtet, Ausweise zu kontrollieren. Wenn ein Zehnjähriger mittels eines gefälschten Schülerausweises ein Ticktet erwirbt, kann der Verkäufer trotzdem wegen Verletzung des Jugendschutzgesetzes belangt werden. Denn Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Ob eine Person zehn oder 18 Jahre alt ist, sollte im Normalfall klar erkennbar sein.

Das Kuriose seit der Erfindung des Internets ist, dass gesetzliche Regelungen dort zwar gelten, aber oft nicht durchgesetzt werden. Würde sich eine Gruppe 14-Jähriger regelmäßig in ein Pornokino einschleichen, müsste der Betreiber im schlimmsten Fall seinen Laden dichtmachen. Nicht so Facebook, Tiktok oder Instagram.

Es wird immer erst gehandelt, wenn es zu spät ist

Bei ihnen bekommen Minderjährige ungefragt simulierte Sexszenen in ihren Feed gespült. Ebenso können sie sich Gewalt und Kriminalität verherrlichende Livestreams von selbsternannten Clanmitgliedern angucken.

Auch an der FSK, der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, gibt es immer wieder Kritik, weil Altersbeschränkungen als zu lax angesehen werden. Aber es gibt zumindest ein regulierendes und vorbeugendes Instrument, das seit vielen Jahren funktioniert.

Bei den Online-Plattformen wird hingegen immer erst eingeschritten, wenn etwas passiert ist. Etwa, wenn ein Frauenhasser wie Andrew Tate oder ein Verschwörungsideologe wie Ken Jebsen schon Millionen von Followern generiert haben. Bis solche Personen gesperrt werden, haben sie meist jahrelang Beeinflussung durch ihre offensichtlich „sozial schädigenden Botschaften“ betrieben.

Wer Jugendschutzgesetze erhebt, sollte diese auch auf allen Ebenen durchsetzen.

Saara von Alten

Der Vorstoß des französischen Premiers Gabriel Attal, der von den sozialen Netzwerken nun einen „echten digitalen Riegel“ fordert, damit zumindest Kinder unter 13 Jahren solchen Netzwerken nicht mehr beitreten können, ist daher eine sinnvolle Idee und sollte ein Vorbild für Deutschland sein. Andere Forderungen wie eine Regulierung der Bildschirmzeit mittels technischer Funktion durch Unterstützung der Plattformen sollten ebenso machbar sein.

Wir leben im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz. Technisch ist heute vieles möglich, was Internetdienste vor zehn Jahren noch nicht umsetzen konnten. Bloße Absichtserklärungen oder Pseudoregulierungen sollte der Gesetzgeber schon alleine aus diesem Grund nicht mehr hinnehmen.

Die Plattform Tiktok, die laut JIM-Studie die beliebteste App bei deutschen Teenagern ist, schreibt in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen zwar bereits ein Mindestalter von 13 Jahren vor und setzt eine Einverständniserklärung der Eltern voraus, kontrolliert wird das aber nicht.

Um dem Netzwerk beitreten zu können, dort Videos hochzuladen und mit anderen zu teilen, reicht eine falsche Angabe des Geburtsjahres. Auch die Erlaubnis der Eltern unterliegt keiner Prüfung, bemängelt die medienpädagogische Initiative „Schau hin!“. Hinzu kommt, dass viele sich absichtlich älter als 16 Jahre machen, denn dann können sie ihr Profil öffentlich stellen und Direktnachrichten von Fremden erhalten. Darin lauern die größten Gefahren.

Dass Tiktok beispielsweise regelmäßig Hashtags sperrt, die von Pädosexuellen benutzt werden, ist ein Resultat daraus, dass es entsprechende Belästigungen und missbräuchliches Verhalten in der Vergangenheit bereits gegeben hat.

Bei Nichteinhaltung muss es Strafen geben

Warum das „Ältermachen“ bei Tiktok und Co. so einfach ist, liegt alleine am Unwillen der Plattformbetreiber. Denn eine Überprüfung der Angaben kostet. Andere Anbieter zeigen, dass es möglich ist. Wer beispielsweise online eine Handynummer beantragt, muss ein Ausweisdokument hochladen und per Webcam sein Gesicht kenntlich machen.

Die Forderung nach mehr Kontrolle soll bitte nicht als digitales Medienbashing verstanden werden. Plattformen wie Tiktok und Instagram haben zu Recht ihren Reiz. Videos zu erstellen und mit Musik zu unterlegen, macht Spaß und weckt die Kreativität. Jugendliche können dadurch mit anderen Gleichaltrigen in Kontakt treten. Von Influencern können sie auch viel Sinnvolles lernen.

Nur sollte all dies in einem geschützten Rahmen ablaufen. Wer Jugendschutzgesetze erhebt, sollte diese auch auf allen Ebenen durchsetzen. Sonst ist dies genauso sinnlos wie ein Rauchverbot in Lokalen einzuführen und im gleichen Atemzug anzukündigen, dass man kein Personal habe, das die Kneipen auch kontrollieren werde.

Schlupflöcher wird es am Ende immer geben, aber die Hürden, diese zu entdecken, sollten so hoch wie möglich gesetzt werden. Und wenn Plattformen ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, muss es wie im echten Leben Strafen geben.

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