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Filmemacher Ben Russel mit Team im Palästinatuch auf der Bühne

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Pro-Palästina-Show bei der Berlinale: Die Kultur versagt als seriöser Ort des Dialogs

Politisch will die Berlinale sein, zum Abschluss war sie nur verstörend. Dabei könnte die Kultur insgesamt so viel mehr leisten.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Das Ziel der Berlinale-Führung war es, dass auf dem Filmfestival „das Leid aller wahrgenommen“ werde. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber man muss nach dieser Preisverleihung ganz klar sagen: Ziel verfehlt.

Die Abschluss-Gala hat einmal mehr verdeutlicht, dass der Kulturbetrieb nicht in der Lage ist, auch die Sichtweise Israels einzunehmen und vielleicht sogar etwas Empathie für das Leid der Israelis aufzubringen. Im Gegenteil, nach der völlig vermurksten Documenta und der ausgebliebenen Solidarität mit Israel aus dem Kulturbetrieb kurz nach dem brutalen Überfall der Hamas zeigt nun auch die einseitige Berlinale, dass die Kultur ein massives Israel-Problem hat. Sie ist unfähig, zu differenzieren.

Auf der Preisverleihung wird der Dokumentarfilm „No Other Land“ ausgezeichnet. Übrigens dotiert mit 40.000 Euro vom RBB. Es geht dort um das Westjordanland. Doch der Film wird sowohl von der Jury als auch von Publikum und Protagonisten stellvertretend genutzt, um Israel auch in Bezug auf die Situation in Gaza zu kritisieren.

Bei der Verleihung des Preises hat sich ein Jury-Mitglied einen Zettel auf den Rücken geklebt, gerichtet an die Filmemacher von „No Other Land“, mit der Forderung nach einem Waffenstillstand. Basel Adra, einer der Filmemacher, nutzte seine Laudatio, um zu sagen, dass „Zehntausende meines Volkes in Gaza getötet werden“. Er fordert einen Waffenstillstand, sein israelischer Kollege Yuval Abraham spricht von Besatzung und Apartheid. Für all das gibt es donnernden Applaus.

Später taucht Ben Russell zusammen mit seinem Team auf. Er ist gehüllt in ein Palästinatuch, seine Begleitung ebenfalls. Unwidersprochen bezichtigt der Filmemacher Israel des Genozids. Auch er fordert einen Waffenstillstand.

Die Geschäftsleiterin der Berlinale, Mariette Rissenbeek, erwähnt am Anfang mit einem Satz die israelischen Geiseln, die freizulassen seien, gefolgt von einer längeren Passage, was Israel nun für Frieden tun müsse. Applaus dafür.

Nun ist gegen eine Waffenstillstandsforderung nichts einzuwenden. Aber das, was auf der Bühne und auch an anderen Orten des Festivals gesagt wird, richtet sich zumeist gegen Israel. Nur hier und da taucht mal etwa Kritik an der Hamas auf.

Wo waren die Kippa-Träger auf der Bühne? Wo war die deutliche Kritik an der Terrororganisation Hamas, die Israel am 7. Oktober 2023 brutal überfiel? Wo war die klare Aufforderung, die noch immer festgehaltenen Geiseln freizulassen? Wo ist die Auseinandersetzung damit, dass die Hamas ihr eigenes palästinensisches Volk in Unterdrückung hält – ohne Wahlen, ohne Justiz? Wo ist die Kritik daran, dass Millionen an Hilfsgeldern in unterirdische Tunnel geflossen sind, statt in den palästinensischen Wohlstand?

Kein Wort dazu. Stattdessen wohlig-warmer Applaus für eine einseitige Pro-Palästina-Show auf der großen Berlinale-Bühne in Berlin.

Die Berlinale rühmt sich damit, ein politisches Filmfestival zu sein. Nur ist dies nicht ernsthaft politisch. Es ist peinlich, beschämend, verstörend und propagandistisch.

Die Kultur muss sich ernsthaft fragen, wie sie ihre Rolle sieht – als Teil einer aktivistischen Bewegung oder als seriöser Ort des Dialogs. Wenn es um Letzteres gehen soll, was zu wünschen wäre, hat die Szene noch einen langen Weg vor sich.

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